Wie die Kinder im Städtli grosse Augen machen

Fr, 08. Okt. 2021

Ein Quartal lang war Mellingen Thema in der vierten Klasse von Rebekka Neukom und zum Abschluss gab es eine Städtliführung

Sie wissen, wann Mellingen brannte und wie die Pest im Städtli wütete. Und doch stellen sie Fragen ohne Ende: Zu Johannes, zum Dorfplatz, zu Badehaus oder Hexenturm.

Mello, der Siedlungsgründer am rechten Reussufer, habe dem Städtli den Namen gegeben, erzählt Stadtführerin Pia Kriese den Viertklässlerinnen und Viertklässlern von Rebekka Neukom, die an der Bahnhofstrasse zur Schule gehen. Dass daraus Mellingen wurde, scheint nachvollziehbar. Einer aber hätte sich auch den Ortsnamen «Melone» vorstellen können. Die 16 Mädchen und Buben sind kreativ, interessiert, gut gelaunt und sie stellen viele Fragen am letzten Schultag vor den Herbstferien.
Seit den Sommerferien hätten sie das Thema Mellingen im Fach Natur, Mensch und Gesellschaft behandelt, erzählt Lehrerin Neukom. Sie hätten mit der Brücke über die Reuss begonnen. Dann den grossen Brand von 1505, bei dem bis auf den Iberghof das ganze Städtli niederbrannte, mit der Klasse nachgespielt. Sie durften den Schlüssel für die Gerichtsstube bei der Gemeinde abholen und alleine in den Saal. Der Besuch der Gerichtsstube erübrigt sich deshalb bei dieser Führung.
Kühl ist es und von der Reuss steigt Nebel auf. Am Vortag hatten die Primarschulkinder einen Test; nun glänzen sie mit ihrem Wissen. Immer wieder ist Pia Kriese überrascht. Die Mädchen und Buben kennen Fakten und Jahreszahlen. Gelangweilt sind sie deswegen nicht, im Gegenteil: Sie wollen bei der Pestglocke mehr vom heiligen Sebastian hören. Als Pia Kriese vom Kirchenheiligen Johannes erzählt, dessen Enthauptung auf den Fresken im Kirchturm dargestellt ist, geht ein entsetztes Raunen durch die Klasse. Mit grossen Augen staunen sie: «Das wusste ich nicht.»
Auf dem Kirchplatz geht es zunächst um das heutige Rathaus, das einst Spital, Waisenhaus, Altersheim oder Unterkunft für Flüchtlinge war. Daneben lag das Salzhaus, das der Stadt endlos Einnahmen einbrachte. Und gegenüber vom heutigen Rathaus befand sich in Mellingen die erste Schule. Tatzen und «Haarrüpf» hätten die Lehrer verteilt, erzählt Kriese und liest dazu einen Text vor, in welchem ein Schulmeister 1651 seine Aufgaben zusammengefasst hatte. «Und wo ist der Dorfplatz?» fragt schliesslich jemand. «Hier, wo wir jetzt stehen», antwortet Kriese. Der Kirchplatz sei in Mellingen auch Dorfplatz. Beim Badehaus, dem einzigen freistehenden Haus im Städtli – aus Gründen des Brandschutzes, weil dort das Badewasser mit Feuer aufgeheizt wurde – schlägt Lehrerin Neukom eine Aufwärmrunde vor. «Gumpe», sagt sie. Alle zählen und hüpfen und danach ist ihnen wieder warm.
In der anderen Städtlihälfte finden sich Häuser, die einst Bauernhöfe waren oder Schreinereien. Vor allem Handwerker seien hier daheim gewesen, sagt Kriese. An einem Haus zeigt sie einen Drudenstern, zückt Block und Bleistift und lässt die Kinder diesen fünfzackigen Stern in einem Strich nachzeichnen. Als alle mal probieren wollen, lacht Lehrerin Neukom: «Dafür habt ihr die ganzen Ferien noch Zeit.» Denn der Hexenturm wartet noch und auch dazu haben die Mädchen und Buben viele Fragen.

Heidi Hess

Eine öffentliche Städtliführung mit Pia Kriese zum Thema «Mellingen brennt» findet am 23. Oktober, um 17 Uhr statt. – Mehr Informationen auf der Gemeindewebseite von Mellingen

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