Röbi wird uns als Vorbild in Erinnerung bleiben
23.08.2022 Region ReusstalMit Robert Höhener ist einer von uns gegangen, der bis zuletzt mehr an die anderen als an sich selbst gedacht hat
Wir haben ihn einfach «Röbi» genannt. Am letzten Dienstag ist Röbi Robert Höhener für immer von uns gegangen. Er durfte nach langen Jahren der ...
Mit Robert Höhener ist einer von uns gegangen, der bis zuletzt mehr an die anderen als an sich selbst gedacht hat
Wir haben ihn einfach «Röbi» genannt. Am letzten Dienstag ist Röbi Robert Höhener für immer von uns gegangen. Er durfte nach langen Jahren der Krankheit und auch des still ertragenen Leidens loslassen. Röbi ist mit einem Lächeln im Gesicht von uns gegangen.
Und wenn am 11. September frühmorgens der Flohmärt in den Gassen des Städtlis erwacht, werden wir nicht ganz sicher sein können, ob Röbi nicht doch wieder da ist und darüber wacht, dass alles seinen ordentlichen Gang nimmt. Auf jeden Fall wird sein wacher Geist noch immer präsent sein. Denn auch diesen Märt hat er noch wesentlich mitgeprägt. Erst die Pflicht – und dann das Vergnügen.
Röbi war bei der Gründung der Marktkommission 1982 ein Mann der ersten Stunde. Anfang der 1990er-Jahre hat er das Präsidium von alt Stadtammann Paul Zürcher übernommen. Das Amt hat er bis zu seinem Tod bekleidet. Wie Paul Zürcher berichtet, soll er seiner Frau Elisabeth noch auf dem Sterbebett die letzten Inserate für den Flohmarkt in Auftrag gegeben haben. Ja, so war er, der Röbi. «Für Mellingen ist der Tod von Röbi Höhener ein schwerer Verlust», sagt Paul Zürcher. «Es ist fast unmöglich ihn zu ersetzen.»
Eine Bereicherung fürs Städtli
Hätte es Röbi Höhener nicht gegeben, das darf hier ohne Übertreibung festgehalten werden, Mellingen hätte in den letzten Jahrzehnten einiges verpasst. Wann immer freiwilliger Einsatz notwendig war, da stand Röbi in der ersten Reihe. Was anderen Mühsal und Last bedeutete, war für Röbi selbstverständlich. Er war sich selbst nicht der nächste. Erst kamen die anderen, dann er selbst.
Für seine Frau Elisabeth war das sicher nicht immer ganz einfach. Was immer er auch an Ideen ausheckte, sie stand unerschütterlich hinter ihrem Röbi. Auch als er 1980 zum «Il Capo» der Maroni am Lindenkreisel wurde, war Elisabeth dabei. Er bezeichnete sie als «Liseli, de Chef vom Capo». Mit Hilfe ihrer Töchter und deren Männern schafften es die beiden auch während jenen Zeiten, als Röbi gesundheitlich so schwer zu kämpfen hatte, den beliebten Maronistand im Winter am Leben zu halten. Das soll auch im nächsten Winter so sein. Das verspricht Simone Höhener, die jüngere Tochter. Die Idee ihres Vaters soll weiterleben.
Er litt ohne zu klagen
«Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens, in guten und in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit.» Diese Worte waren für Elisabeth und Röbi ein unverbrüchliches Versprechen – bis zur letzten Stunde.
Elisabeth, die beiden Töchter und die engsten Angehörigen waren zuletzt noch an Röbis Krankenbett im Kantonsspital Baden. Dort lag er, weil eine Wunde am Fuss partout nicht mehr heilen wollte. Ein Zeichen dafür, wie sehr das Immunsystem nach all den schweren Krankheiten gelitten hatte. Selbst als ihm der Kehlkopf entfernt worden war, und Röbi erst lernen musste durch die Kunststoff-Öffnung am Hals zu sprechen, war er stets guten Mutes. Nie hat man ihn jammern gehört. Röbi hat sein Schicksal in einer Weise ertragen, die Bewunderung verdient. Ja, er machte nach jedem Spitalaufenthalt voller Enthusiasmus weiter, als wäre alles bestens.
Meine erste Begegnung mit Röbi
Ich habe Röbi kennengelernt, als ich 2014 zum «Reussbote» stiess. Es war oben im dritten Stock. Röbi kam, um Archivbände, die im Estrich an der Bahnhofstrasse lagern, zurückzubringen und neue abzuholen. Schon am ersten Tag im Betrieb bin ich seinem Namen begegnet. Wie wohl kein anderer vor und nach ihm hat Röbi Höhener in der Druckerei Nüssli und beim «Reussbote» seine Spuren hinterlassen. Es gab wohl kaum etwas, was Röbi nicht gemacht hätte. Er war sozusagen der Allzweck-Dienstleister im Betrieb – und das volle 36 Jahre lang. Und darüber hinaus. Nach der Pensionierung widmete er sich mit Hingabe den so genannten «alten ‹Reussbote›- Seiten», auf denen die wichtigsten, und auch kuriosesten Mitteilungen von vor 25, 50 und 100 Jahren nachzulesen waren.
Wann immer ich etwas aus der Vergangenheit wissen wollte, so war mir Röbi Höhener eine hilfreiche Stütze. Nie war er sich zu schade, stundenlang in den alten «Reussbote»-Ausgaben zu blättern, um frühere Begebenheiten hervorzukramen und in die Erinnerung zurückzurufen. So war er es, der während der Pandemie herausfand, dass der FC Mellingen wesentlich älter als die gefeierten 65 Jahre war. Der Fussballclub im Städtli wurde tatsächlich im Jahre 1920 erstmals gegründet, ehe er in den bleiernen Jahren des Zweiten Weltkrieges in der Versenkung verschwand.
Ein Leben mit Elisabeth
Robert Höhener wurde am 11. März 1943 in Rorschach in den bescheidenen Verhältnissen einer Arbeiterfamilie geboren. Über seine Kindheit wollte er nie gross reden. Er liess aber durchblicken, dass er es nicht leicht gehabt hatte. Nach der Schulzeit durfte Röbi keine Lehre machen. Er musste helfen Geld für die Familie zu verdienen. So arbeitete er in einem Druckereibetrieb in Goldach mit angegliedertem Verlagshaus, das die Zeitung «Maschinenmarkt» herausgab. Dort begegnete er vor über 60 Jahren Elisabeth Zillig, seiner späteren Frau für’s Leben. Er war sechzehn, sie achtzehn Jahre alt. «Weil er in der Setzerei mit Blei arbeitete, musste er jeden Tag mindestens einen Liter Milch trinken», erzählt sie. «Aber er hatte nicht viel Geld. Darum bezahlte ich manchmal seine Milch. So kamen wir uns näher.»
Liebe hat beinahe tragisch geendet
Aber nur, um schon bald auf beinahe tragische Weise getrennt zu werden. Elisabeths Vater, zu dem sie ein äusserst herzliches Verhältnis pflegte, war mit der Beziehung nicht einverstanden, weil sie katholisch und er reformiert war. Elisabeth erinnert sich: «Ich musste Röbi einen Brief schreiben und ihm erklären, weshalb unsere Beziehung keine Zukunft haben würde. Es hat mir beinahe das Herz zerrissen.» Elisabeth zog aus Goldach weg, um im Berner Oberland, bei einem Arzt in Frutigen, eine Lehre als Arztgehilfin zu machen Als sie sich ein Jahr später wieder sahen, spürten die beiden, dass die Flamme der gegenseitigen Gefühle noch immer loderte. Aber sie blieben getrennt. Sie zog als Arztgehilfin in den Aargau nach Mellingen, wo sie bei Dr. Schmidt eine Anstellung fand. Röbi absolvierte die Rekrutenschule. Anschliessend fand er eine Lehrstelle als Stereotypeur beim «St. Galler Tagblatt», die er mit Bravour abschloss. Danach zog es ihn für zwei Jahre nach Genf zur «Tribune de Genève». Der Kontakt zu Elisabeth brach in der ganzen Zeit nie ganz ab. Schliesslich fand auch Elisabeths Vater Gefallen an dem jungen Mann, der so zielstrebig war und so viel Fleiss in seine berufliche Laufbahn investierte, und gab seinen Widerstand gegen die Beziehung auf.
Warum Röbi in Mellingen landete
Die beiden verlobten sich. Röbi zog nach Mellingen zu seiner Elisabeth. Hier heiratete das Paar. Wir schreiben das Jahr 1968. Röbi fand in jener Zeit Arbeit beim «Badener Tagblatt», ehe er am 1. August 1972 bei der Druckerei Nüssli und dem «Reussbote» anheuerte.
Aus der Ehe gingen die beiden Töchter Nicole und Simone hervor. Von aussen erhielt man den Eindruck, die Höheners hätten sogar drei Töchter. Denn mit Ursi Gschwind, die mit Nicole zur Schule ging, kam ein drittes Mädchen dazu, das einfach zur Familie gehörte. Und zwar so sehr, dass Elisabeth und Röbi nach den Enkelkindern Timo, Dana, Sabrina, Shoana und Nino de facto auch zu Grosseltern von Ursis drei Kindern Kim, Ann und Mia geworden sind.
Im alten Haus am Grumetweg verfügten die Höheners über viel Platz und einen grossen Garten. Es war ein offenes Haus. So sassen oft ältere und alleinstehende Menschen, genauso wie Kinder aus der Nachbarschaft am Tisch. «Röbi», so sagt Elisabeth, «war ein grossartiger Gastgeber. Er liebte es, viele Menschen um sich zu haben.» So war er denn auch in mehreren Mellinger Vereinen aktiv. Im Fischereiverein, bei den Schützen, in der Männerriege oder bei den einstigen Zünftern der Karnemellipserzunft ist Röbi unvergessen. «Ja, er war auch ein Vereinsmeier», sagt Elisabeth. Dass ihre Beziehung über all die Jahre Bestand hatte, schreibt Elisabeth der gegenseitigen Toleranz zu. «Wir haben uns gegenseitig unsere Freiheiten gelassen.»
Eine Operation nach der andern
Röbi habe sich auf die Pension gefreut. Er hatte mit seiner Elisabeth noch so viel vor. Doch anstatt zu reisen und das Leben zu geniessen, begann für Röbi schon bald einmal eine nie enden wollende Leidenszeit. Erst war es ganz harmlos das Knie, das operiert werden musste. Dann war das Herz dran, das eine neue Klappe benötigte. Beide Eingriffe verliefen nicht ohne Komplikationen. Auf die Herzoperation folgte eine Notoperation im Magen, bei der er haarscharf am Tod vorbeiging. Kaum hatte er das überstanden, kam die Geschichte mit dem Kehlkopf. Es begann ganz harmlos und nahm rasch bedrohliche Formen an. Ein halbes Jahr konnte Röbi weder reden noch feste Nahrung zu sich nehmen.
Unser letztes Gespräch
Ich habe Röbi zuletzt vor rund zehn Wochen gesehen. Wir sassen am runden Tisch im «Löwen». Auf die Frage wie es ihm gehe, drückte Röbi mit dem Daumen auf das Loch im Hals, und hauchte mit matter Stimme: «Es geht so.» Auf eine weitere Frage, hob er den Kopf und zeigte auf eine faustgrosse Geschwulst am Hals. Zu schaffen machte ihm aber vor allem ein Loch am Zeh, das von einer Blase herrührte. Es wollte einfach nicht mehr heilen. Im Gegenteil, es wurde immer grösser. Als er ins Kantonsspital Baden einrückte, ging Elisabeth davon aus, dass Röbi, wie so oft in den letzten Jahren, schon bald wieder nach Hause kommen würde. Doch vier Wochen gingen ins Land. Röbis Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends. Er hatte einfach zu viele «Baustellen». Nachdem Elisabeth noch einmal bei ihm war, schloss Röbi Höhener am letzten Dienstag in aller Herrgottsfrühe seine Augen für immer. Er habe zuletzt ein Lächeln im Gesicht gehabt.
Unser gegenseitiges Versprechen
Auch ich verabschiede mich von Dir, lieber Röbi. Du weisst, wir haben uns gegenseitig versprochen, im Falle des Ablebens im «Reussbote» den Nachruf des anderen zu schreiben. Nun, du bist zuerst gegangen. Also bin ich dran. Versprochen ist versprochen.
Elisabeth und den Töchtern und allen die Röbi nahe gestanden haben, entbiete ich im Namen der Redaktion, der Druckerei und dem Verlag mein tiefst empfundenes Beileid.
Die Urnenbeisetzung findet morgen Mittwoch, 24. August im engsten Familien- und Freundeskreis statt. Wer sich persönlich von Röbi verabschieden möchte: Die öffentliche Gedenkfeier findet morgen um 14 Uhr in der katholischen Kirche in Mellingen statt.
Beat Gomes