Neues Leben für die verkehrsberuhigte Altstadt
05.05.2023 Mellingen, Region Reusstal80 Mellingerinnen und Mellinger diskutierten beim dritten Plaza-Workshop über Tiefgaragen, die Birrfeldstrasse und den Zugang zur Reuss
In Mellingens Zentrum ist es ruhiger geworden. Wie bleibt es in und um die Altstadt dennoch lebendig? – Viele Ideen aus Plaza Nummer ...
80 Mellingerinnen und Mellinger diskutierten beim dritten Plaza-Workshop über Tiefgaragen, die Birrfeldstrasse und den Zugang zur Reuss
In Mellingens Zentrum ist es ruhiger geworden. Wie bleibt es in und um die Altstadt dennoch lebendig? – Viele Ideen aus Plaza Nummer drei.
Sie nehme vor allem den Begriff «Lindenpark» als «schöne Vision» mit, zog Evelyne Wernli, Vizeammann, nach einem inspirierenden Diskussionsmorgen Bilanz. Plaza und die Zentrumsentwicklung fallen seit Wernlis Amtsantritt im Januar 2022 in ihre Zuständigkeit. Basierend auf dem Entwurf des städtebaulichen Leitbildes wurden am Workshop Ideen erarbeitet. Ziele sind unter anderem eine verkehrsberuhigte, begrünte Birrfeld- und Lenzburgerstrasse. Das Verkehrsregime sieht für die Altstadt nur noch öV und Zubringer vor, oder in den Worten von Gemeindeschreiber und Plaza-Projektleiter Beat Deubelbeiss: «Sperrzeiten von Mitternacht bis Mitternacht.» Evelyne Wernli dankte Deubelbeiss, der an diesem Workshop seinen letzten Auftritt als Projektleiter hatte, für seine «unermüdliche Arbeit für Plaza». Deubelbeiss wechselt auf den 1. Juni als Verwaltungsleiter nach Birr. Als Plaza-Projektleiter folgt Urs Affolter, Architekt, Raumplaner und Gemeindepräsident in Buchs.
Von Visionen und einer «Blackbox»
Besonders bedankte sich Evelyne Wernli bei 80 Mellingerinnen und Mellingern für die Weiterentwicklung des Leitbildes. In Gruppen wurde an zehn Tischen fünf Stunden lang diskutiert. Dabei richtete sich der Fokus in der Turnhalle Kleine Kreuzzelg auf Altstadt und Hauptgasse, zentrales Gebiet mit Coop und Post entlang der Birrfeldstrasse, Birrfeld- und Lenzburgerstrasse, Lindenplatz und Zentralplatz. Auch die Parkplatzsituation wurde ausgelotet: Wie soll ein künftiges Parkierungskonzept aussehen?
Vor den Gruppengesprächen kamen Anregungen aus dem Plenum. Einige wollten mehr über die «Blackbox Birrfeldstrasse» wissen. – Zurzeit werde mit dem Fricker Investor Tierstein AG eine Potenzialstudie entwickelt, erklärte Evelyne Wernli. Andere fanden den Begriff «Zentrumszone» für die Nachbarschaft Birrfeldstrasse unglücklich, weil mehrere Zentren ein «Zentrum Altstadt» schwächen. Gewünscht wurde ausserdem eine übergeordnete Vision für Mellingen. Soll die Stadt, provokativ gefragt, Schlafstadt werden? Soll sie Innovationszentrum werden? Auch die 100-jährige Brücke über die Reuss sollte in die Planung miteinbezogen werden, lautete ein weiterer Vorschlag.
Noch ein Workshop für Jugendliche
An diesem Morgen war ausserdem die Rede von einem vierten Workshop – ausschliesslich für Jugendliche. Auch sie sollten Wünsche bei der Planung ihrer Stadt einbringen können. Angeregt hatte einen solchen Workshop Urs Weber, Inhaber des Tradinoi. Er ging damit zu Plaza-Projektleiter Deubelbeiss, der sich für diese Idee begeistern konnte und ihn als grossen letzten Wunsch am Samstagmorgen den Plaza-Workshop-Teilnehmenden mitgab. Seit einem halben Jahr rollt der Verkehr nun über die Umfahrung; in der Altstadt wurde es ruhiger. Dennoch zeigte sich, dass der neue Schuh noch an manchen Stellen drückt. Es zeigte sich aber auch, dass sich die Mellingerinnen und Mellinger intensiv mit der Zentrumsentwicklung auseinandersetzen (vgl. Kästen).
Heidi Hess
Altstadt und Hauptgasse
Die Hauptgasse bleibt in den Gruppendiskussionen wichtig. Die Meinungen reichen von «völlig verkehrsfrei» – nur so entsteht eine Begegnungszone – über «Sperrzeiten optimieren» und «Einfahrt über Tore, Ausfahrt über Nebengassen» bis hin zu «Reussbrücke neu gestalten, angelehnt an die historische Form». Wichtig ist allen, dass Mellingerinnen und Mellinger auf der Bergseite nicht vom Zentrum abgekoppelt werden. Niemand will eine zweigeteilte Stadt.
Gerne gesehen würde in der Altstadt ein attraktiver Ladenmix – Kurzzeitparkplätze und Zubringerfahrten sind Bedingung. «Standortförderung» lautete ein Schlagwort: Gemeinde und Gewerbe könnten zusammen arbeiten, die Gemeinde könnte Häuser erwerben und das Gewerbe fördern. Die Altstadt wird mitunter zur Festhütte, das erfordert ein Verkehrskonzept (öV) und Regelungen betreffend Nachtruhe.
Ibergplatz und Reussufer attraktiver gestalten, zählt zu den oft genannten Wünschen. Zum Beispiel mit einem Spielplatz, mit Kiosk oder Strandcafé, auch Toiletten, ja, sogar Duschen wären wünschenswert. Und das Haus Reussweg 1 sollte sich zum Begegnungsort, zum Treffpunkt entwickeln.
Birrfeld- und Lenzburgerstrasse
Entlang der Birrfeldstrasse, auf der Seite Coop, streben Planer eine dichte Bebauung mit vielfältiger Nutzung an: arbeiten, wohnen, einkaufen. Die Gemeinde und die Investorin Tierstein aus Frick haben 2022 mit Fachpersonen aus Architektur, Mobilität und Raumplanung mögliche Nutzungen, Dichte und Bauhöhen diskutiert.
Die Workshopteilnehmenden fragten hingegen nach Planungsrecht und Planungssicherheit, nach der Abhängigkeit von der Investorin. Wie gross ist der Einfluss der Gemeinde? Gibt es einen Plan B? Bevor gebaut werden kann, so die Gemeinde, braucht es einen Gestaltungsplan. Angedacht sind 200 neue Wohnungen, entlang der Birrfeldstrasse mit Fuss- und Veloverbindungen zur Strasse. Angedacht sind auch 800 Parkplätze. Allgemein wünscht man sich Parkplätze in Tiefgaragen. Eine Gruppe empfahl die Garagenzufahrten auf der Höhe Büblikerweg. Von dieser Seite her sollte auch eine zusätzliche Zufahrt zu den Sportanlagen Kreuzzelg erfolgen. So könnte die Birrfeldstrasse Begegungszone (Tempo 20) werden. Wohin mit dem Coop? Stadtein- oder stadtauswärts? Der Detaillist bringt Leben und Publikumsverkehr.
Öffentliche Parkplätze
Ein sinnvolles Parkierungskonzept ist allen wichtig. Unbestritten. Entlang der Birrfeldstrasse, am Zentralplatz oder in der Altstadt. Ganz besonders setzten sich dafür Gewerbe-Vertretungen ein. Allgemein war man sich aber einig, dass eine lebendige Altstadt nur funktioniert, wenn in nächster Nähe genügend Parkmöglichkeiten bestehen. Wenigstens 800 Parkplätze könnten an der Birrfeldstrasse entstehen, weil dort auch von 200 neuen Wohnungen die Rede ist. Tiefgaragen, also unterirdische Parkplätze, haben auf dieser Seite der Altstadt Vorrang. Allerdings erschwert die Geologie, der nasse Untergrund an der Birrfeldstrsse, das Bauen in die Tiefe und dürfte daher kostenintensiv werden. Beat Deubelbeiss geht davon aus, dass Tiefgaragen hier flächig auf einer einzigen Etage angelegt werden müssten.
Der Lindenplatz soll – zumindest oberirdisch – parkplatzfrei werden. Bauliche Massnahmen sollten in Etappen erfolgen, damit das Parken vor der Altstadt jederzeit möglich bleibt. Der Lindenplatz könnte zum «Lindenpark» werden. Dauerparkierer könnten aus der Altstadt verbannt werden, Handwerker und Gewerbe würden Zufahrt erhalten mittels Spezialkarten.
Ideen rund um den Zentralplatz
Der Zentralplatz gehört zu jenen Plätzen in Mellingen, welche einen besonders schönen Ausblick auf die Altstadt bieten. Solche Stimmen kamen aus mehreren Gruppen. Einig war man sich, dass diesem Potenzial Rechnung getragen werden sollte. Der Wunsch nach einem Café oder einem Restaurant am Reussufer wurde geäussert – eine Gruppe, vor allem jüngere Frauen und Männer können sich am Zentralplatz auch einen Co-Working-Space vorstellen.
Auf dieser Seite des Reussufers soll der Zugang zum Ufer ermöglicht werden, beispielsweise über breite Stufen, die zum Sitzen, Baden und Sonnenbaden einladen – vielleicht könnte eine Gelateria in Ufernähe den Aufenthalt im Sommer versüssen? Auch solche konkreten Wünsche und Ideen wurden an diesem Morgen geäussert.
Der Ruf nach Parkplätzen beim Zentralplatz ist bekannt, auch um einer Zweiteilung von Mellingen vorzubeugen. So versprach etwa Gemeindeschreiber Beat Deubelbeiss, der Gemeinderat werde alles tun, um Parkplätze an der Stetterstrasse zu erhalten – aktuell seien sie eng. Am Zentralplatz soll auf der Bergseite generell die Parkplatzsituation verbessert werden.