Eine Trouvaille oder ein Klotz am Bein?

Fr, 24. Jul. 2015
Zwei Bäcker/Kondtitoren in der Backstube: Savis (links) und Peter Schmid.

Kritiker schimpften das Geschäft einen «Blödsinn» und ein finanzielles Abenteuer. Die Befürworter aber legten sich mit Leidenschaft ins Zeug, um das älteste Schulhaus im Dorf zu kaufen. Mit grossem Mehr wurde dem Kauf zugestimmt. Hat sich Niederrohrdorf nun einen Klotz ans Bein gebunden oder in die Zukunft investiert?

Man nennt ihn Savis. Er ist Inhaber der gleichnamigen Konditorei und Bäckerei im Rank an der Oberdorfstrasse 14. Savis ist der Letzte in einer langen Reihe, die hier Süsses und frische Brötchen hergestellt haben. Den jungen Mitarbeitenden ist kaum bewusst, dass aus der Schulstube eine Backstube geworden ist. Das ist allerdings lange her. 1822 um genau zu sein. Damals setzten die Niederrohrdorfer ein Gesetz aus dem Jahr 1805 um, das besagte, dass jede Gemeinde mit mehr als 50 schulpflichtigen Kinder eine eigene Schule bauen müsse. Auch wenn das heutige Bäckereigebäude durch Anbauten etwas verschachtelt wirkt, so steht der Grundbau wie damals üblich als funktional rechteckiger Bau mit einem Giebeldach auf schmalem Grund.

Schulhaus im Grünen
Als das Schulhäuschen gebaut wurde, war es von Wiesen und Weiden umgeben. Auch wenn die Geschichtsbücher das nicht so genau hergeben, darf davon ausgegangen werden, dass hier bis zum Jahr 1895 unterrichtet wurde. In diesem Jahr wurde nämlich über der heutigen Kantonsstrasse nach Oberrohrdorf ein neues Schulhaus gebaut, das heute noch in ganzer Pracht dasteht. Seither dürfte das erste Schulhäuschen von Niederrohrdorf für gewerbliche Zwecke genutzt worden sein. Peter Schmid (65) und dessen Schwester Bernadette Müller (61) sind mit drei weiteren Geschwistern in diesem Haus aufgewachsen. Ihre Eltern hatten die Liegenschaft 1949 erworben und die bereits existierende Konditorei und Bäckerei weitergeführt. Peter Schmid, der als 19-Jähriger nach einem Skiunfall den rechten Unterschenkel hatte amputieren lassen müssen, übernahm das elterliche Geschäft und führte es bis 2010, ehe er den Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste. Schwester Bernadette hat insgesamt 21 Jahre lang hinter der Ladentheke gestanden. Kaum jemand in Niederrohrdorf, der die Bäckerei Schmid nicht gekannt hätte. «An Samstagen haben die Leute jeweils bis auf die Strasse Schlange gestanden», erzählt Bernadette Müller-Schmid aus der Erinnerung. Um das erste Schulhaus im Dorf auf den neuesten Stand zu bringen, wären grosse Investitionen nötig und viel Arbeit damit verbunden. Das wollten sich die Eigentümer nicht mehr antun. Sie hättten durchaus Interessenten gehabt, die den gewünschten Kaufpreis von 630 000 Franken hingeblättert hätten.
Savis hätte gerne gekauft, scheute aber die notwendigen Erneuerungskosten, die schwer zu rechnen wären. So fragten die Eigentümer die Gemeinde an. Denn immerhin handelt es sich um eine historische Baute.
Gutes oder schlechtes Geschäft?
Die FDP Ortspartei stellte sich klar gegen einen Kauf und sprach von finanzpolitischen Abenteuern und vom teuersten Stück Boden weit und breit. Die Befürworter eines Kaufes wollten das Häuschen dem Zugriff von Spekulanten entziehen und appellierten ans Heimatgefühl. Selbst Befürworter zweifelten, ob sich das die Gemeinde leisten kann und ob sie sich da nicht einen finanziellen Klotz ans Bein binden würde. Die Gemeindeversammlung hatte keine Zweifel und beschloss mit 119 Ja- zu 51 Nein-Stimmen, das Häuschen zu kaufen.
Der «Reussbote» machte einen Augenschein und stellte überrascht fest, dass das Häuschen mehr Raum hat als von aussen vermutet. Es ist allerdings sanierungsbedürftig. Sollte mal die Bäckerei nicht mehr sein, lassen sich neben einem Ladengeschäft oder einer Kinderkrippe als Beispiel ohne Weiteres drei bis vier 2½-Zimmer-Wohnungen bauen. Die Rechnung ist schnell gemacht. Selbst wenn die Gemeinde nochmals eine Million in das Haus investieren müsste, hat sie ganz bestimmt kein schlechtes Geschäft ­gemacht – und hat erst noch einen Beitrag an die Dorfbildgestaltung geleistet.

Neuen Kommentar schreiben

CAPTCHA
Diese Frage soll automatisierten Spam verhindern und überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind.

Stellenangebote

Immobilienangebote

Kommende Events

Weitere Angebote

Trending

1

Maroni, Marzipan und Macca ausgesetzt

Beim Tanklager wurden am 11. März drei Kaninchen aufgefunden. Die Polizei brachte sie ins Tierheim

Die süssen Kaninchen waren nicht als Osterhasen unterwegs. Die drei Langohren wurden in Mellingen beim Tanklager ausgesetzt. Nun warten sie im Tierheim auf ein neues Zuhause.

Einer Spaziergängerin fielen die drei freilaufenden Kaninchen am Waldrand hinter dem Tanklager auf. Sie informierte umgehend die Repol Rohrdorferberg-Reusstal. «Wir fanden drei Kaninchen und zwei Karotte…