Eine spezielle Reise während des Lockdowns
30.06.2020 Region ReusstalNach einer IV-Anlehre tastete sich Michael Küng in Richtung Journalismus vor. Er war im Projektmanagement der eidgenössischen Jugendsession und sammelte Erfahrungen mit Online- und Jugendzeitungen. Es folgte eine technische und journalistische Ausbildung beim Radiosender Kanal K. Heute ...
Nach einer IV-Anlehre tastete sich Michael Küng in Richtung Journalismus vor. Er war im Projektmanagement der eidgenössischen Jugendsession und sammelte Erfahrungen mit Online- und Jugendzeitungen. Es folgte eine technische und journalistische Ausbildung beim Radiosender Kanal K. Heute ist er Radiomacher und freischaffender Journalist.
Die Kolumnen, welche ich an dieser Stelle in unregelmässigen Abständen schrieb, waren in drei Schritten entstanden. Die erste Fassung entstand mit der Spracherkennung. Später dann schrieb ich sie mithilfe einer Person ins Reine. Nun habe ich versprochen, die Texte vermehrt und fehlerlos mit der Spracherkennungssoftware zu schreiben. So war bereits im ersten Portrait von mir im «Reussbote» zu lesen, dass ich erfolgreich mit der Spracherkennungssoftware Texte schreibe. Dies war auch so, nur wurde die Software von Kinderkrankheiten dominiert. Wir Schweizer sind bei der Spracherkennungssoftware per se im Nachteil, da wir unser Schriftdeutsch mit schweizerdeutschen Anglizismen durchsetzen. Wir sind schwieriger zu verstehen, als Personen mit der Muttersprache Deutsch. Deshalb wollte ich vor einem Jahr diese Probleme endlich angehen und mit der Installation einer neuen Version die Kinderkrankheiten definitiv ausmerzen. Diese Möglichkeit sah ich gekommen, als ich die Zusammenarbeit mit dem Radiosender aufnahm. Ein Radiostudio, ideal akustisch isoliert von der Aussenwelt und mit top Mikrofonen ausgestattet, sollte auch für meine Spracherkennungssoftware eine ideale Umgebung darstellen und wahrhaftig meine reinen Gedanken auf das Papier bringen. Somit könnte ich schneller schreiben und meiner Ambition, ein professioneller Journalist zu werden, näherkommen. Ich nahm mit meiner PC-Beratungsfirma Kontakt auf, allerdings verstrich dort einige Zeit bis man mein Mail zur Kenntnis nahm. Unterdessen machte ich mit meiner kleinen «Medienfirma» weiter. Ein halbes Jahr später erhielt ich Antwort. Meine Freude war gross, denn nun kam endlich Bewegung in die Sache. Mittlerweile hatte ich beim Radiosender einen fixen Sendeplatz und konnte in meiner Sendung schon einige spannende Gäste begrüssen. Auch das Team von Kanal K nahm mich herzlich auf. Somit musste ich keine Türen mehr einrennen, sondern es war selbstverständlich, dass das Programm auch auf den Rechnern des Senders installiert wurde. Bei der Installation der Software in den Studios wurde die Mischpulttechnik des Senders vom Programm als nicht passendes Mikrofon erkannt. Vor der Corona-Pause wurden seitens der EDV-Firma noch Ideen für eine ideale Vernetzung mit der Radiotechnik besprochen.
Dieser Text sollte eigentlich davon berichten, wie reibungslos und hindernisfrei nun das Diktieren mit Sprachassistenten in Verbindung mit dem Radiostudio geht. Es sollte ein Meilenstein sein. Nur, mit all den Fragen, die sich mir und der Gesellschaft wegen Covid-19 stellen, muss man Meilenstein leider mit einem Fragezeichen hinter dem Wort versehen.
Eine Reise mit Hindernissen
Kurz vor der Wiederaufnahme des Schweizer ÖV-Fahrplanes waren wir von Mellingen aus in die Schweizer Berge unterwegs. Der Grund war simpel und einfach. Wir mussten raus, damit uns die Decke nicht auf den Kopf fiel. Wir besuchten meinen Bruder in den Bündner Bergen. Auf dem Hinweg standen uns keine Hindernisse im Weg. Kurz vor dem «Hinauffahren» des Fahrplanes waren die Züge schon wieder gut belegt. Nur, das mit der Maske war noch nicht zu den Pendlern durchgedrungen. Der Deutschschweizer trägt die Maske im öffentlichen Verkehr sehr ungern. Weil uns kein Hindernis in den Weg gestellt wurde, genossen wir die Fahrt in die schöne Bündner Bergwelt sehr. Erst bei der Planung der Rückfahrt, die wir in St. Moritz in Angriff nahmen, stellten wir einige Hindernisse fest. Normalerweise ist das Reservieren über das Callcenter in Brig, welches für Behinderte eine passende Hotline zum Organisieren der Reisetouren betreibt, kein Problem.
Bis eine Stunde vor der Abfahrt darf man die Reise noch planen und angeben. Dies zeigt die hohe Flexibilität der Bundesbahn auf. Wenn kein Mitarbeiter zur Verfügung steht, übernimmt das Zugpersonal das Einladen des Rollstuhlfahrers. Nicht so an diesem Tag. Das Team in Brig hatte von den Bündner Kollegen lediglich die Information, dass das Angebot, Behinderte einzuladen, noch nicht besteht und erst einige Tage später möglich sei. Hätte ich die Reise von zu Hause geplant, hätten sie mir mitgeteilt, dass eine Reise unmöglich sei. Viele behinderte Personen zählten sich während der Lockdown-Phase wahrscheinlich zur Risikogruppe. Deshalb wurde vom Bund und seinen Bahnen nicht darauf geachtet, dass auch diese Menschen während der speziellen Lage auf die Idee kommen könnten, ihre Familie mit der Bahn zu besuchen.
Nachdem mir dieser Umstand mitgeteilt wurde, beendete ich das Gespräch. Mein Gegenüber im Briger Callcenter dürfte ob meiner Coolness überrascht gewesen sein. Aber, wer das Wagnis einer Reise mit dem ÖV angeht, muss auch immer einen Plan B in der Tasche haben. Wir hatten das Dienst-Handy meines Bruders, der Lokomotivführer ist, um den internen Weg zu gehen. Dieser bewährte sich und die bekannte rote Bahn mit Tourismusflair erwies hohe Flexibilität. Der Rückweg war so kein Problem mehr, allerdings darf ich nicht daran denken, was passiert wäre, wenn mir dieser interne Kanal zu den nötigen Stellen des Bahnbetreibers über meinen Bruder nicht zur Verfügung gestanden wäre. In der Hoffnung, dass sich so eine Lage bei einer zweiten Welle nie mehr wiederholt, verbleibt Bahn-Fan und Zweckop timist
Michael Küng