Toni Widmer, 1955, Journalist (BT/AZ) im Unruhestand, von, zu und in Sarmenstorf, leidenschaftlicher Camper und Vespa-Fahrer, seit 40 Jahren verheiratet mit Cornelia, zweifacher Vater, Grossvater von drei Mädels, sorgt ab und zu auch mit seinem Saxofon für Lärm.
Deutsche Sprache im Wandel
«Oh, guck das Flugi vom Resti. Gehen wir am Nami da fooden, ich hab Lust auf Pommes.» – Und als ich auf diese Ansage meiner Praktikantin nicht in ihrem Sinne reagierte, setzte sie noch einen drauf: «Oder was meinsch, gömmer Migros? Scho lang gsi nümm.» – Die Praktikantinnen und Praktikanten, die ich in meiner Zeit als Ressortleiter bei der Aargauer Zeitung in den Journalismus einführen durfte, wussten, dass der «Chef» allergisch auf eine verluderte Umgangssprache reagierte. Deshalb machten sie sich ab und zu einen Spass daraus, mich ein bisschen zu ärgern.
Doch in der Regel hielten sie sich daran. In unserem Büro wurde ein Flugblatt Flugblatt genannt, Pommes frites hiessen Pommes frites, Nachmittag Nachmittag und Restaurant Restaurant. «Ihr wollt von mir – unter anderem – lernen, wie man gute Artikel in einer gepflegten Sprache schreibt, also bemüht Euch auch um eine gepflegte Umgangssprache», war mein Leitsatz, den ich konsequent verfolgte.
So ganz einfach war es allerdings nicht: «Lies mal», schwenkten meine Auszubildenden jeweils die aktuelle Zeitung und zeigten triumphierend auf einen von bestandenen Journalistinnen oder Journalisten verfassten Artikel, in dem mal wieder von Kids oder Kiddies die Rede war oder die andere Redewendungen enthielten, welche ich gemeinhin als Sprachverbrechen bezeichnete.
Je älter ich wurde, umso weniger habe ich mich über solche Sachen geärgert. Heute ist es offenbar normal, dass auf den «Brexit» der «Dexit», der «Nexit» oder der «Frexit» folgt – was immer das auch heissen mag. Und ich habe mich damit abgefunden, dass auch gebildete Leute von einer Idee «überzogen» sind, obwohl man allenfalls eine Uhr oder seine Redezeit überziehen kann, aber nicht seine Überzeugung.
Spannend finde ich den – sanft ausgedrückt – stetigen Wandel der deutschen Sprache nach wie vor. Ich habe nicht nur miterlebt, wie Kolleginnen und Kollegen von mir plötzlich «überzogen» statt «überzeugt» waren, sondern auch, wie sie von einem auf den anderen Tag nicht mehr von «übercho» redeten, sondern «becho» sagten, wie unsere Fernsehund Radiomoderatorinnen, die in Sprachgebieten aufgewachsen waren, wo man/frau so redet.
Der Sprachwandel, stelle ich fest, hat offenbar viel mit Anpassung zu tun. Vielleicht sage ich nur darum noch überzeugt Restaurant, Flugblatt, Nachmittag und «übercho» weil ich noch nie zu den Angepassten gehört habe.