Eine Impfung als Lichtblick am Corona-Horizont

Fr, 14. Aug. 2020

Die Aargauer wählten Ruth Humbel letzten Herbst wieder in den Nationalrat. Seit 17 Jahren setzt sich die CVP-Politikerin für die Schweizer Gesundheitsreform ein. Als Präsidentin der Gesundheits-Kommission ist sie auch durch die Corona-Pandemie gefordert.

Ruth Humbel ist eine gefragte Interview-Partnerin. Sie scheut sich nicht, Stellung zu aktuellen Corona-Themen, wie zum Beispiel die Verschärfung der Maskenpflicht oder zur Beschaffung eines Corona-Impfstoffs, zu nehmen. Seit vier Monaten hält sie die Corona-Pandemie nebst der Gesundheitsreform auf Trab. Der «Reussbote» fragte nach.

Ist ein Silberstreifen am Horizont von Corona in Sicht? Der Bund hat letzten Freitag einen Vertrag mit der Moderna AG für einen möglichen Corona-Impfstoff abgeschlossen. Was halten Sie davon?
Ruth Humbel: Weltweit gibt es über 150 Forschungsprojekte für Impfstoffe zum Schutz vor der Coronavirus-Infektion Covid-19. Die US-Biotechfirma Moderna in Kooperation mit der Schweizer Firma Lonza ist im Rennen um eine Corona-Impfung ganz vorne dabei. Moderna scheint inzwischen auch in Basel einen Standort eröffnen zu wollen. Damit hätten wir in der Schweiz wieder eine Firma für Impfstoffe. Dass der Bund den Vertrag über eine Vorreservation für Impfstoffe abschliessen konnte, ist ein Lichtblick.

Mit dem Vertrag sind 4,5 Mio. Impfdosen für die Schweizer Bevölkerung reserviert. Geht die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung der weltweiten Kooperation vor?
Es liegt auf der Hand, dass jedes Land zuerst für die Versorgung der eigenen Bevölkerung schaut. Der Bund hat Impfungen für 4,5 Mio. Menschen reserviert, also nicht für die ganze Bevölkerung. Es muss folglich eine Priorisierung für den Zugang zur Imfpung gemacht werden. Gesundheitspersonal, Menschen mit Vorerkrankungen und Schwangere müssten sicher primären Zugang zu Impfungen haben.

Welche Nebenwirkungen sind bei der raschen Entwicklung zu erwarten?
Ein Impfstoff wird nur zugelassen, wenn klinische Studien, d. h. die Prüfung des Wirkstoffes an Menschen, eine erfolgreiche Wirkung bestätigen. In der Schweiz sind bereits auch verschiedene Universitätskliniken bereit, an diesen Studien mitzuwirken.

Was halten Sie von der Aussage von Bundesrat Alain Berset, dass wegen den steigenden Corona-Fällen die Kantone eine strengere Maskenpflicht anordnen müssen?
Der Bund hat die Verantwortung für Massnahmen wieder an die Kantone abgegeben. Einerseits ist das richtig, weil die Ansteckungen in den Kantonen sehr unterschiedlich sind. Andererseits müssten – meines Erachtens – gewisse gesamtschweizerische Vorgaben gemacht werden. Für die Quarantänepflicht nach Auslandreisen gilt beispielsweise, dass ein Land auf die Liste kommt, wenn die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Personen in den letzten 14 Tagen mehr als 60 beträgt. Eine vergleichbare Quote sollte auch für die Kantone definiert werden, damit beispielsweise eine Maskenpflicht in Einkaufszentren eingeführt werden muss.

Wie geht die Bevölkerung mit der Pandemie um?
Während des Lockdowns ist die Bevölkerung gut mit der Pandemie umgegangen und hat sich an die Vorschriften und Empfehlungen der Behörden gehalten. Im Gegensatz zu anderen Ländern hatten wir nie eine Ausgangssperre. Die Behörden appellierten an die Eigenverantwortung. Die Bevölkerung hat diese wahrgenommen, ist zu Hause geblieben und hat sich in der näheren Umgebung bewegt. Ich habe im Wald nie zuvor so viele Spaziergänger, Jogger und Biker aus allen Generationen – Jung und Alt – angetroffen wie diesen Frühling. In der freien Natur kann man den Abstand wahren und sich bewegen, das tut allen gut, vor allem auch älteren Menschen, welche zur Risikogruppe gehören. Ich hoffe, dass diese Bewegungsfreudigkeit auch nach Corona anhält.

Wie haben Sie als Nationalrätin die Pandemie erlebt?
Wie die meisten war ich zu Hause im Homeoffice, habe mich in Video-Konferenzen geübt, Unterlagen nicht mehr per Post, sondern digital verschickt und bekommen. Die Mailkorrespondenz war intensiv. Ich habe freie Abende aber auch genossen. Zudem hatte ich einen intensiveren Kontakt mit meinen Eltern. Ich habe für sie eingekauft und sie jeden Tag besucht.

Was ist Ihr eindrücklichstes Erlebnis während der Corona-Zeit?
Es gab zahlreiche Erlebnisse. Ich möchte ein negatives und positives nennen.
Negativ: Heikel war die Knappheit sowie die Beschaffung von Masken. Ich bekam von verschiedensten Anbietern zahlreiche Offerten, welche ich natürlich nicht selbst beurteilen konnte. Es gab solche, die mir seriös erschienen. Diese habe ich an die Armeeapotheke weitergeleitet. Es gab aber auch dubiose Angebote. Am Palmsonntag standen zwei Personen vor meiner Haustüre, welche mich von ihren selbstgebastelten Masken überzeugen wollten. Unfair war die Kritik gegen den Bund, er hätte zu wenig Masken beschafft. Gemäss aktuellem Pandemieplan sind ganz klar die Kantone zuständig für die Beschaffung und Lagerung von Masken. Es ist genau vorgeschrieben, wie viele Masken die Gesundheitsinstitutionen an Lager und private Haushalte als Notvorrat halten müssen. Weil die meisten Kantone und Institutionen dieses Lager nicht hatten, teilweise nicht einmal den Pandemieplan kannten, kam der Bund in die Pflicht.
Positiv: Als Präsidentin der Stiftung Zurich Vitaparcours hatte ich erfreuliche Rückmeldungen. Anfangs der Krise mussten wir die Frage entscheiden, ob auch die Vitaparcours geschlossen oder regelmässig desinfiziert werden müssen. Eine Schliessung kam für mich nicht infrage, denn ich war der Meinung, dass wir auf die Eigenverantwortung der Vitaparcours-Benützerinnen und Benützer zählen können. Die Vitaparcours wurden während des Lockdowns dann auch intensiv genutzt. Wir bekamen viele Komplimente und anerkennende Rückmeldungen, wie toll es sei, dass es diese vielseitigen, für alle zugänglichen Präventions- und Bewegungsangebote von Vitaparcours im Wald gibt.

Waren Sie in Sorge, wie die Schweiz die Pandemie meistert?
Zu Beginn war ich in Sorge. Die Bilder von Norditalien sind schon eingefahren, zumal Norditalien über ein vergleichsweise gutes Gesundheitswesen verfügt. Das Tessin war als Grenzkanton stärker und früher betroffen. Die «Corona-Welle» kam verzögert in die Deutschschweiz. Wir hatten circa zwei Wochen mehr Zeit, uns vorzubereiten als das Tessin. Unser gutes Gesundheitswesen hat sich als tragfähig erwiesen. Unsere Spitäler waren nie überlastet. Meines Erachtens hat der Bundesrat schnell und gut agiert. Im Nachhinein sind wir alle gescheiter und wissen, was richtig, nötig und nicht nötig gewesen wäre.

Wurden Sie als bekannte Gesundheitspolitikerin wegen Corona auch von Privatpersonen um Ihren Rat gebeten?
Ja, ich habe sehr viele Anfragen und auch Tipps bekommen. Zahlreiche Menschen schilderten mir ihr persönliches Schicksal, weil sie der Lockdown so unvermittelt wirtschaftlich hart getroffen hat. Leider konnte ich da kaum helfen. Es wurde aber auch geschätzt, dass die Behörden schnell und unkompliziert Hilfe angeboten haben.

Wie verlebten Sie den 1. August in der Corona-Zeit?
Ich habe im Alterszentrum Lindenhof in Oftringen, wo ich dem Stiftungsrat angehöre, eine Rede gehalten. Der Lindenhof hat unter Einhaltung der Hygienemassnahmen eine gediegene 1.-August-Feier für Bewohnende und ihre Angehörigen gehalten.

Aktuell hat der Kanton Aargau Maskenpflicht für Kantons- und Gewerbeschulen angeordnet. Zusätzlich gilt eine Quarantänepflicht aus Risikoländern. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?
Diese Massnahmen sind aufgrund der Entwicklung der Ansteckungen nötig. Stefan Kuster, Leiter Abteilung Übertragbare Krankheiten des Bundesamts für Gesundheit und Nachfolger von Daniel Koch hat gesagt, dass das Virus das Tempo der Einführung von Massnahmen vorgibt. Und das ist so.

Werden Sie Ihr Ziel, die Gesundheitsreform bis zu Ihrem Ausschied aus dem Nationalrat durchzubringen, trotz Corona erreichen? Welche Stolpersteine müssen Sie aus dem Weg räumen?
Bis vor acht Jahren habe ich jeweils gesagt, dass ich so lange für den Nationalrat kandidieren werde, bis eine Gesundheits- oder Altersvorsorgereform ein Referendum übersteht. In diesem Jahrhundert war das leider noch nie der Fall. In der Altersvorsorge wie im Gesundheitswesen haben es Reformen schwer. 2010 erarbeiteten wir überparteilich ein Kostendämpfungspaket, das in einer Art Opfersymmetrie von allen Akteuren einen Sparbeitrag verlangt hat. An der Schlussabstimmung scheiterte die Reform an der unheiligen Allianz von SP und SVP. Die SP wollte keinen Verpflegungsbeitrag von Patienten im Spital und die SVP war gegen eine Einschränkung der Telefonwerbung für Krankenversicherer.
2012 scheiterte die KVG-Reform «Managed Care – integrierte Versorgung» an der Urne. Das, obwohl die Vorlage überparteilich aus Vertretern von SVP, FDP, CVP, SP und Grüne erarbeitet und beschlossen worden ist. In einer eigenwilligen Allianz bekämpften die Chirurgen (fmCH) und die Gewerkschaft VPOD die Vorlage vehement.
Die anstehende Reform einer einheitlichen Finanzierung von stationären und ambulanten Leistungen wird von Links und den Kantonen in Frage gestellt, obwohl die Nachteile des jetzigen Finanzierungssystems unbestritten sind. Es braucht daher noch einiges an Überzeugungsarbeit, Nachbesserungen an der Vorlage und dann eine Mehrheit an der Urne.

Was raten Sie zum Schluss den Aargauerinnen und Aargauern sowie der Schweizer Bevölkerung für die Zukunft mit Corona?
Das Virus bleibt eine Bedrohung und wird uns noch eine Zeitlang einschränken. Wir dürfen daher gegenüber dem Virus nicht nachlässig werden und müssen vorsichtig bleiben, strikt die Hygieneregeln einhalten, Abstand wahren, Hände waschen und desinfizieren sowie, wo angezeigt, eine Maske vorschriftskonform tragen.

Debora Gattlen

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