Die Container als Kopf und Herz der Umfahrung
22.09.2020 Mellingen, Region ReusstalNeben dem Hallenbad in der Kleinen Kreuzzelg sind Container aufeinandergestapelt. Von hier aus wird die Baustelle geleitet
Dreissig Baucontainer stehen neben dem Hallenbad. Es sind die Büros der Bauführer, der Bauleiter, der Poliere. Hier wird berechnet und besprochen und auf der ...
Neben dem Hallenbad in der Kleinen Kreuzzelg sind Container aufeinandergestapelt. Von hier aus wird die Baustelle geleitet
Dreissig Baucontainer stehen neben dem Hallenbad. Es sind die Büros der Bauführer, der Bauleiter, der Poliere. Hier wird berechnet und besprochen und auf der Terrasse, unter dem Sonnensegel, Pause gemacht.
Wenigstens dreissig Container stehen in der Kleinen Kreuzzelg, zweigeschossig übereinander gestapelt. Auf der oberen Etage ist sogar ein Segeltuch aufgespannt, wirft seinen Schatten über Holztische und -bänke, auf den Tischen ein Blumentopf mit Lavendel. «Der Lavendel», sagt Chefbauführer Tino Otten, «hält uns die Wespen fern, wenn wir hier oben Mittag essen. Funktioniert tatsächlich!» Und ein bisschen machen Duft und Pflanze die Sommerkantine auch zu einer lauschigen Pausenterrasse im Containerdorf.
«Der Platz ist genial»
Sie seien hier sozusagen autark – mit der Kantine und einer kleinen Küche, sagt Otten. Er bezeichnet den Containerbau neben dem Hallenbad als Mikrokosmos, der wie eine Kleinstadt funktioniere, alles sei vorhanden. «Es fehlt noch, dass wir hier Tomaten anbauen», lacht Otten. Aber auch das habe er schon erlebt.
Der Bauführer sagt: «Der Platz ist genial.» Die Gemeinde Mellingen sei ihnen mit diesem Standort sehr entgegengekommen. Sozusagen vom ersten Tag an, Mitte Juni, konnten Bauleitung und Bauführung die Grossbaustelle Umfahrung Mellingen von dieser Schaltzentrale aus steuern. Die Bauführung liegt bei den Unternehmen Marti AG Luzern, zuständig für den Strassenbau, und Marti AG Zürich, verantwortlich für Kunstbauten wie Stützwände oder Brücke. Die Bauleitung hat die Ingenieurgemeinschaft Meli, Bauherr ist der Kanton.
Die Erschliessung der Containeranlage mit Frischwasser, Abwasser, Strom, Telefon erfolgt vom Hallenbad aus, sämtliche Arbeiten der Bauführung oder auch des Poliers können aus den Containerbüros erledigt werden: Computer, Drucker, die ganze Software ist vorhanden, auch Pläne und Akten. Das Netzwerk wurde ebenfalls ihren Bedürfnissen angepasst, weil Riesenmengen an Daten durchgeladen werden müssen. «4G reicht hier nicht aus», sagt der Chefbauführer. Morgens, kurz nach sechs Uhr, treffen die ersten Bauarbeiter ein, erzählt Tino Otten. Sie holen sich Kaffee in der Kantine und warten auf die Einweisungen des Poliers, sei es zu den bevorstehenden Arbeiten im Bau, sei es zum Verhalten betreffend Corona mit Abstandsund Hygieneregeln. Um sieben Uhr ist Arbeitsbeginn.
Über dreissig Leute sind hier täglich an irgendeinem Knotenpunkt der Baustelle am Werk, beim Franzosengraben, im rund zwei Kilometer langen Strassenbau oder bei der Brücke über die Reuss. Von den Containern in der Kleinen Kreuzzelg schwärmen sie aus zu ihren Baustellen. Auch Tino Otten wird später mit einem Kollegen losfahren – auf dem Velo, Richtung Chronenmatt – und den aktuellen Stand der Bauarbeiten begutachten.
Der Zeitdruck ist gross
Regelmässig finden im Sitzungszimmer Besprechungen statt. Die Arbeitsgemeinschaft Mellingen tauscht sich untereinander aus, mit Polieren, mit Bauführung oder Bauleitung.
«Die Stimmung ist gut», meint Otten. Obwohl der Zeitdruck hoch sei. Im Sommer 2023 soll die Umfahrung in Betrieb genommen werden. Innert kurzer Zeit konnten Fortschritte bei den Bauabschnitten beobachtet werden. Dennoch müssen immer wieder Konsolidationsphasen beim Strassenbau abgewartet werden. Die Widerlager auf beiden Seiten der Brücke stellen als neuralgische Punkte eine grosse zeitliche Herausforderung dar.
Brückenbau: Hochtechnisch
Von «einer sehr interessanten Baustelle», spricht der Chefbauführer. Alleine die Erdbewegungen: Für die 60 000 Kubikmeter im Bereich Erdbau zum Beispiel kommen riesige Maschinen zum Einsatz, Schürfkübelraupen, diverse Raupen- und Pneubagger.
Hochtechnisch geht es beim Brückenbau zu und her: Vom linken Ufer wurde ein Damm fast 40 Meter weit in die Reuss aufgeschüttet; millimetergenau legte ein Bagger Stein und speziellen Kies ins Wasser. Dafür wurde ein Bagger mit GPS-gestützter Maschinensteuerung eingesetzt. Die Daten werden von der Ingenieurgemeinschaft zur Verfügung gestellt, sie sind georeferenziert, werden mitteles CAD-Software aufgearbeitet und in die Vermessungstechnik übertragen. Eine Vermessungsdrohne macht Kontrollflüge und liefert verlässlich genaue Daten. «Insgesamt funktioniert die Übertragung hervorragend», sagt Otten. Das habe er noch nicht allzu häufig erlebt. Keine Baustelle sei wie die andere, sagt er, jede letztlich ein Unikat. Die Umfahrung fasziniert ihn besonders.
Heidi Hess



