«Ja, auch wir haben um die Ernte gebangt»
16.10.2020 Mägenwil, Region ReusstalErnst Habegger betrieb in Mägenwil den Zelglihof. Im Gespräch mit dem «Reussbote» erzählt er, wie früher auf den Feldern gearbeitet wurde
Ernst Habegger war Bauer mit Leib und Seele. Er erinnert sich, wie sein Vater die Felder noch von Hand bewirtschaftete. Wie ...
Ernst Habegger betrieb in Mägenwil den Zelglihof. Im Gespräch mit dem «Reussbote» erzählt er, wie früher auf den Feldern gearbeitet wurde
Ernst Habegger war Bauer mit Leib und Seele. Er erinnert sich, wie sein Vater die Felder noch von Hand bewirtschaftete. Wie das Getreide mit Sense gemäht oder das frisch geschnittene Gras von Hand gezettelt wurde. Er erinnert sich aber auch wie die Mechanisierung auf dem Zelglihof Einzug hielt.
Am Stubentisch im Stöckli empfängt Ernst Habegger den «Reussbote». Der 85-jährige Landwirt ist noch heute mit Hof und Tieren verbunden. Von seinem Stubentisch beobachtet er an diesem schönen Freitagmorgen durchs Fenster, wie das Vieh auf die Weide getrieben wird. «Schau dir die Kälblein an, wie sie sich freuen.» Ernst Habeggers Augen beginnen zu leuchten, seine Miene erhellt sich. Nicht immer hatte Habegger Grund zur Freude. Sein Leben war geprägt von Schicksalsschlägen. Zum Beispiel als sein Vater Gotthelf tödlich verunfallte. Auf dem Feld mit einem Traktor. Gerade einmal elf Jahre alt war Ernst damals. Den Hof führte nach Vaters Tod seine Mutter Hedwig zusammen mit einem Angestellten. Die Kinder mussten da schon tüchtig mit anpacken. Das hat in ihm die Liebe zur Natur und zu den Tieren sowie zur Bewirtschaftung der Felder geweckt. Ernst Habegger absolvierte die landwirtschaftliche Schule und übernahm 1961 den Zelglihof in Mägenwil.
Zwei «Eidgenossen» im Stall
Damals, so berichtet er, hatte die Mechanisierung bereits Einzug gehalten. Er erinnert sich aber noch, wie er als Bube mit seinem Vater auf die Felder zog, das Gras zettelte, bei aufziehendem Regen das Schnittgut «schöchelte» oder die Ernte von Hand auf den Wagen lud, der von zwei Pferden gezogen wurde. Habeggers hatten zwei «Eidgenossen» im Stall. «Eidgenossen» sagte man den Pferden, die für die Kavallerie bestimmt waren. Als dann im Zweiten Weltkrieg Habeggers «Eidgenossen» vom Militär rekrutiert wurden, da kaufte der «Ätti» – wie Ernst Habegger liebevoll seinen Vater nennt, den ersten Traktor. Der Krieg brachte somit die Motorisierung auf den Hof.
Lange und harte Arbeitstage
Ernst Habegger bewirtschaftete 10,6 Hektaren Eigenland sowie zwei bis drei Hektaren Pachtland. Heute sind es 50 Hektaren, die Sohn Daniel bewirtschaftet. Habegger betrieb Milchwirtschaft und Ackerbau. Zwölf Kühe, zwischen vier und sechs Rinder, ein paar Kälblein, zwei Pferde. So, wie das früher «gang und gäb» war. Angebaut wurden Kartoffeln, Getreide, Runkeln für das Vieh und später Drescherbsen. Die Arbeit war hart. Frühmorgens ging es mit der Stallarbeit los. Danach gab es das Morgenessen ehe es auf die Felder ging. Gearbeitet wurde hart und bis es dunkel war. Es waren lange Arbeitstage auch samstags und sonntags. Habegger erinnert sich an Zeiten, als das Korn reif war. Man musste den richtigen Zeitpunkt haben. Bevor ein Unwetter aufzog musste die Ernte eingebracht sein. «Da haben wir oft gezittert, dass die Ernte nicht einem Unwetter zum Opfer fällt.» Dass das Wetter eine ganze Ernte vernichtete, kam zum Glück nie vor. Aber einige Male konnte die Ernte nicht verkauft werden, erinnert sich der Landwirt. Es war zwar nicht existenzbedrohend, aber der Gürtel musste enger geschnallt werden. Denn eine Versicherung gab es damals noch nicht. Wir sind oft auf dem äussersten Zahnfleisch gelaufen», erinnert sich der Bauer. Auf die Frage, was denn das schlimmste Ereigenis war, kehrt der Mägenwiler in sich und studiert. Der Tod des Vaters und der seiner Frau Trudi, sagt er. Es gab aber auch viele schöne Momente. Zum Beispiel erinnert er sich gerne an die schöne Zeit zusammen mit seiner Frau Trudi. Sie starb vor fünf Jahren. Mit ihr zusammen ging er all die Jahre durch «dick und dünn», wie man so schön zu sagen pflegt. Zusammen zogen sie drei Kinder gross, zwei Söhne und eine Tochter. Dass Sohn Daniel den Zelglihof übernommen hat, freut ihn sehr.
Früher, so Habegger, war die Landwirtschaft im Dorf stark verbreitet. Wieviele Bauern es waren, weiss Ernst Habegger heute nicht mehr. Nur soviel: «Wir hatten in der Milchsammelstelle die Nummer 39.» Natürlich gab es damals auch Bauern, die nur ein paar wenige Liter Milch ablieferten. Aber die Landwirtschaft war im Gegensatz zu heute stark verbreitet. Heute sind es in Mägenwil noch drei Landwirte.
Maul- und Klauenseuche war schlimm
Nur ungern erinnert sich Ernst Habegger auch an die Maul- und Klauenseuche. Es muss in den 1960er-Jahren gewesen sein. «Die Bauern durften ihre Betriebe nicht verlassen, die Milch wurde vom Hof abgeholt. Uns war der Kontakt zu Mitmenschen verwehrt», erinnert sich Habegger. «Das ist ähnlich wie jetzt zu Coronazeiten», ergänzt er und blickt etwas nachdenklich durchs Fenster. Das Vieh ist längst auf der Weide. Ernst Habegger freut sich, wenn es abends wieder zurück in den Stall kommt und er die Herde durchs Fenster beobachten kann.
Benedikt Nüssli




