Postautochauffeur war sein Traumberuf

Di, 29. Dez. 2020

René Winkler geht nach 33 Jahren, bei der Steffen Bus AG als Postautochauffeur, in Pension

Am 30. November setzte sich René Winkler zum letzten Mal hinter das Steuer des speziell dekorierten Postautos. Mit 70 Jahren war nun Schluss. Postautos werden bei ihm weiterhin eine Rolle spielen. Als Fotograf weiss er diese bestens in Szene zu setzten.

Seit 40 Jahren ist er Postautochauffeur. Zuerst bei einer Firma in Vaduz und seit 33 Jahren bei der Steffen Bus AG in Remetschwil. Dafür zog die Familie von Sargans nach Remetschwil, später nach Busslingen um. Dem Beruf wurde er nie überdrüssig. Der gelernte Müller erfüllte sich damit einen Bubentraum. Den Wink dazu gab ihm das Schicksal, als er wegen eines Bandscheibenvorfalls den Müllerberuf an den Nagel hängen musste. «Postautochauffeur ist abwechslungsreich und nie gleich», sagt er. Auch wenn seine Fahrten von Baden über Oberrohrdorf nach Berikon-Widen und vom Mutschellen nach Zürich gleichblieben, war für ihn trotzdem jede Fahrt anders. Das wegen dem Verkehr, aber vor allem auch wegen der Landschaft. Er hatte Zeit, um die Veränderung durch Jahreszeit und Witterung zu beobachten und zu geniessen. Winkler prägte sich besonders schöne Stellen auf der Strecke ein und besuchte sie in seiner Freizeit.

Lieblingsmotiv sind Postautos
Seit 20 Jahren ist René Winkler ein passionierter Fotograf. Nicht erstaunlich ist, dass eines seiner beliebtesten Motive die gelben Postautos sind. Langweilig? Denkste. Winkler weiss sie bestens in Szene zu setzen. Die Fotos sind unter anderen jeweils in einem Kalender zu sehen, den Winkler für seine Postautokollegen zusammenstellt. Wichtig sind ihm dabei der Hintergrund, das Licht und die Wetterverhältnisse. Viele Postautochauffeure kennen ihn und verlangsamen ihre Fahrt, damit das perfekte Postautofoto entsteht. Dieses Hobby wird er auch nach seiner Pension weiterführen. Nebst den Postautos fotografiert er Landschaften und Züge. Sind spezielle Zugkompositionen unterwegs, erhält er von Kollegen eine SMS. Er freut sich bereits darauf, dass er in seiner Pension, ohne nachzudenken seine Fotoausrüstung schnappen und auf die Jagd nach dem schönsten Motiv von Dampfloks und Nostalgiezügen gehen kann. Am liebsten fotografiert er diese, wen wunderts, mit Landschaft. Sich im Bahnhof für ein Foto mit andern Fotografen um den besten Platz zu rangeln, ist nicht sein Ding.
Ein weiteres Fotomotiv und Hobby ist der Hund seiner Tochter. Der fünfeinhalbjährige Bolonka-Mischlingsrüde Louis eroberte sein Herz im Sturm. Mit dem ehemaligen spanischen Strassenhund unternimmt er ausgedehnte Spaziergänge in der Region.

Spezialfahrten und Lkw-Sammlung
Winkler war zwischendurch auch als Shuttlebuschauffeur für die Steffen Bus AG an Turn- und Schwingfesten im Einsatz. Diese speziellen Momente hielt Winkler ebenfalls auf Fotos fest. Das Hauptmotiv: Die gelben Postautos. Zum Fotografieren kam Winkler nachdem er vor 20 Jahren von einem Tag auf den anderen seine umfassende Modelleisenbahnsammlung verkaufte. Stattdessen kaufte er sich eine Fotoausrüstung. Nicht getrennt hat er sich von seiner Lkw-Modellsammlung mit 500 Lkws von Schweizer Transportfirmen. Einige Firmen gibt es nicht mehr. Inzwischen liegt sein Hauptaugenmerk auf Saurer-Modellen. Von diesen besitzt er 75 Stück.

Mit 70 beendete er seine Karriere
Bereits vor fünf Jahren wäre Winkler pensioniert worden. Da er seinen Beruf liebte, fuhr er bis zu seinem 70. Geburtstag weiter. Das ist die Obergrenze für Postautochauffeure. Traurig, dass er nun endgültig aufhören musste, ist er nicht. Er freut sich, dass er seinen Traumberuf so lange ausüben konnte. Der Kundenkontakt war für ihn immer wichtig. Er erinnert sich an viele schöne Begebenheiten. Waren wenige Fahrgäste im Postauto, legte er zuweilen einen ausserfahrplanmässigen Stopp auf dem Mutschellen ein, damit diese mit dem Handy die Föhnstimmung in den Alpen festhalten konnten. Genossen Grosseltern mit ihren Enkeln die Fahrt, nahm er die Sprösslinge an der Endstation auf den Schoss, damit sie das Steuerrad halten durften. Die glänzenden Augen bleiben ihm in Erinnerung.

Dienst in der Verkehrsleitzentrale
Ganz in Pension ist Winkler noch nicht. Seit dem Frühjahr ist er einer der sechs Mitarbeitenden, die in der Verkehrsleitzentrale für die Baustelle in Niederrohrdorf arbeiten. An bis zu fünf Tagen pro Woche sorgt er dafür, dass der Verkehr während den Stosszeiten flüssig durch die Baustelle rollt und es zu wenig Wartezeiten kommt. So kann auch der Fahrplan der Buslinien fast immer eingehalten werden. Sobald viel Verkehr vor Ort ist, steht er diskret beim neuen Gemeindekreisel. Von dort kann er die Situation auf alle Seiten überblicken und die Ampeln mit einer Fernbedienung schalten. Bis die Baustelle 2022 beendet ist, wird Winkler weiterhin für flüssigen Verkehr sorgen.

Debora Gattlen

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