Brunnen versenkt — Sicherheit für Kinder weg?
30.03.2021 Tägerig, FreiamtDer Lindenplatz wurde letztes Jahr neu gestaltet. Stein des Anstosses – der einseitig eingegrabene Dorfbrunnen
Willi Gisler steht neben dem 90-jährigen Brunnen. Seit der Lindenplatz neu gestaltet ist, ist er beunruhigt. Auf einer Seite ist der Brunnen gerade einmal kniehoch. ...
Der Lindenplatz wurde letztes Jahr neu gestaltet. Stein des Anstosses – der einseitig eingegrabene Dorfbrunnen
Willi Gisler steht neben dem 90-jährigen Brunnen. Seit der Lindenplatz neu gestaltet ist, ist er beunruhigt. Auf einer Seite ist der Brunnen gerade einmal kniehoch. Für ihn ein klares Sicherheitsrisiko für Kinder.
Willi Gisler brachte den Stein ins Rollen. Er sieht nach der Lindenplatzsanierung die Sicherheit für Kinder beim Dorfbrunnen gefährdet. Als er letzten Sommer sah, dass der Brunnen nach der Begradigung des Platzes auf der Hangseite 25 Zentimeter tiefer ist, war er beunruhigt. Längst vergessene Bilder, gingen ihm durch den Kopf und liessen ihn nicht mehr los. Vor vielen Jahren ertrank ein dreijähriger Knabe in einem halb eingegrabenen Fass. Ein Drama für das Dorf. Ein solches Szenario solle sich nicht nochmals ereignen, so Gisler. Deshalb sprach er den Gemeinderat auf die Lindenplatzsanierung an. Eine Begehung vor Ort mit einem Sachverständigen der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) fand darauf im letzten Sommer statt. Das Fazit, der Brunnen entspricht nicht den Empfehlungen des BFUs. Um die Sicherheit zu gewährleisten, sollten Dorfbrunnen mindestens eine Brunnenrandhöhe von 75 Zentimeter aufweisen. «Die meisten Dorfbrunnen mit historischer Vergangenheit entsprechen nicht den aktuellen BFU-Empfehlungen», sagt Gemeindeschreiber Rolf Meier.
BFU gibt nur Empfehlung ab
Ist die Höhe von 75 Zentimeter des Brunnentrogs nicht vorhanden, sollte er gemäss BFU höchstens mit 20 Zentimeter Wasser befüllt werden. Beides ist bisher nicht erfüllt. Will man den Wasserstand nicht reduzieren gibt es gemäss BFU eine einfache Alternative. «Ist der Brunnenrand zu tief, kann mit einfachen Vorkehrungen die Sicherheit erhöht werden», sagt Peter Wihler, Chef-Sicherheitsdelegierter BFU. «Wir empfehlen den Brunnenboden mit Zement aufzugiessen. So ist zwar der Wasserstand reduziert, optisch ist dem Brunnen aber nichts anzusehen.» Einziger Nachteil, es hat deutlich weniger Wasser im Brunnentrog. Die BFU kann keine Massnahmen anordnen. Sie gibt lediglich Empfehlungen ab. Ob private Besitzer oder im Falle von Dorfbrunnen die Gemeinde diese umsetzen, ist freiwillig. «Bisher wurde nichts gemacht», sagt Gisler. Er versteht es nicht, weshalb der Brunnen auf einer Seite «eingebuddelt» wurde und nicht der Platz tiefer gelegt wurde. Er hofft, dass der Gemeinderat nun endlich etwas unternimmt, um das Sicherheitsrisiko zu entschärfen.
Aufsichtspflicht statt Massnahmen
«Der Gemeinderat ist zum Schluss gekommen, dass keine Massnahmen am Brunnen getroffen werden», sagt Gemeinderat Patrick Oldani. Die Begründung: Kleinkinder unterstehen der Aufsichtspflicht der Eltern oder Betreuungspersonen. Zudem sei der Lindenplatz wegen der vorbeiführenden Kantonsstrasse nicht für unbeaufsichtigte Kinder geeignet. Die Situation mit dem Fass, in welchem der dreijährige Knabe ertrank, sei nicht vergleichbar, so Oldani. Massnahmen, die zur Erhöhung der Sicherheit beim Brunnen getroffen werden müssten, seien unverhältnismässig. Bereits vor der Sanierung des Platzes wäre zudem der Dorfbrunnen auf einer Seite tiefer eingegraben gewesen. Das würden alte Fotos beweisen. Oldani sagt: «Müssten die Empfehlungen umgesetzt werden, müsste fast in allen Gemeinden die Dorfbrunnen abgestellt werden.»
Dorfbrunnen meist zu wenig hoch
Ein Messtest mit dem Meter ergab, nicht nur in Tägerig sind die Brunnentröge zu wenig hoch. Vis-à-vis vom «Löwen» in Mägenwil misst der Dorfbrunnen 56, in Wohlenschwil der Brunnen bei der Alten Kirche an der tiefsten Stelle nur 48 und in Mellingen der Spörribrunnen beim Rathaus 64 Zentimeter.
Debora Gattlen