Gemeinderat zieht die Reissleine

Fr, 28. Mai. 2021

Das Vorhaben, im «Steibode» eine Kiesgrube plus Aushubdeponie zu realisieren, wurde abgebrochen

Der Gemeinderat Birrhard hat sich nach massivem Bürgerprotest mit Regio Brugg und dem BVU dazu entschlossen, das Projekt «Steibode» abzublasen. Auf Seiten der vorgesehenen Betreiberfirma sorgt der Entscheid für Unverständnis und Enttäuschung. Fünf Jahre Vorarbeit seien nun für die Katz.

Am Bürgerprotest beteiligte sich das halbe Dorf – und war erfolgreich. Das Gebiet «Steibode» wird nicht in den kantonalen Richtplan aufgenommen. Diese Nachricht veröffentlichte die Gemeindekanzlei Birrhard vor einer Woche in ihrem Mitteilungsblatt. Die Auszählung der eingereichten Petition habe total 266 Unterschriften ergeben. Die entsprechen 49,8 Prozent der 534 Stimmberechtigten in Birrhard. Der Gemeinderat bezeichnet diesen Widerstand gegen das kombinierte Abbau- und Deponievorhaben als «erheblich». Zudem habe die lokale Bevölkerung ihren Unmut mehrmals klar signalisiert.

Missmut in der Bevölkerung
Dem Gemeinderat sei es von Anfang an wichtig gewesen, die Bevölkerung in das Verfahren einzubeziehen, so die Mitteilung weiter. Darum sei ein Mitwirkungsverfahren durchgeführt worden. Von 14. September bis 18. Dezember 2020 erfolgte die öffentliche Auflage der Planungsentwürfe zur Aufnahme des Standorts «Steibode» als Materialabbaugebiet von kantonaler Bedeutung und als Deponie für unverschmutztes Aushubmaterial in den kantonalen Richtplan. Das Feedback darauf habe den «Missmut der Bevölkerung» ebenfalls bestätigt, so der Birreter Gemeinderat. Zahlreiche und durchwegs ablehnende Mitwirkungseingaben habe es gegeben, bestätigte eine Sprecherin des Departements Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) gegenüber der «Aargauer Zeitung» Brugg.
Wie der Mitteilung zu entnehmen ist, hätte das BVU die Richtplanänderung trotz des Protests in den Grossen Rat gebracht – doch der Birreter Gemeinderat zog die Reissleine und nahm seine Unterstützung zurück. Dies hat man auf Seiten des Kantons wohl eher zähneknirschend hinnehmen müssen. In der Medienmitteilung ist zwar die Rede davon, dass man «zusammen» zu dem Schluss gekommen sei, das Verfahren abzubrechen. Gegenüber der Aargauer Zeitung sagte die Sprecherin des BVU jedoch, man habe den Abbruch vom Gemeinderat «entgegengenommen». Sprich: Ohne Rückendeckung vom Gemeinderat bekam man kalte Füsse. Weil einer Änderung im Nutzungsplan letzten Endes sowieso die Gemeindeversammlung hätte zustimmen müssen. Dies erschien wohl auch dem Kanton immer unrealistischer.

Ende gut, alles gut
Die Freude der Initianten über diesen Sieg ist gross. «Wir sind natürlich sehr froh und erleichtert, dass wir nun keine langfristig aktive Kiesgrube vor unserer Haustüre erdulden müssen und das Gebiet Steibode uns als einzig verbleibendes Naherholungsgebiet erhalten bleibt», lässt das Initiativkomitee um Urs Arn, Werner Graf, Geri Hürzeler und Pablo Pfister wissen. Das Quartett ist überzeugt davon, mit dem richtigen Vorgehen einen demokratischen Prozess in Gang gesetzt zu haben, der schlussendlich zu diesem Resultat geführt hat. «Die Behörden haben erkannt, dass die Bevölkerung von Birrhard mehrheitlich gegen das Projekt ist und dass die Gegenargumente – erwähnt in den Einsprachen – auch stichhaltig waren.»

Dank an Gemeinderat
Vom überwältigenden Zuspruch wurde man selbst überrascht, ist beim Treffen vor Ort mit drei der vier Unterschriftensammler zu hören. Sie benötigten lediglich drei Wochen für die Sammlung. Dafür gingen die Männer von Haus zu Haus. «Unser Anliegen hat sich schnell herum gesprochen», sagen sie. Auch wer nicht direkt am Steibode wohne, habe überzeugt unterschrieben. «Das hätten wir nicht gedacht.» Sie selbst wohnen direkt an der Dorfstrasse. Der Blick aus dem Fenster wandert über im Wind wogende Weizenähren zur Autobahn A1 und dann in die Ferne – nicht auf eine Kiesgrube oder einen Erdwall. Und das bleibt so. «Darum sind wir dankbar über die Unterstützung aus Birrhard und vom Gemeinderat», sagen sie.
Bei der vorgesehenen Betreiberfirma Terractus AG hat der abrupte Abbruch hingegen für Unverständnis und Enttäuschung gesorgt. «Der Entscheid ist nicht nachvollziehbar», ärgert sich Thomas Merz. Der Inhaber der Merz Gruppe und Sprecher der Terractus AG widerspricht den Gegnern in einem wichtigen Punkt: Er findet, dass ihr Vorgehen den demokratischen Prozess ausgehebelt habe.

Ärger auf der anderen Seite
Richtig wäre es gewesen, die ordentliche Entscheidungsfindung innerhalb des Richtplanverfahrens durch den Grossen Rat und den Regierungsrat abzuwarten. Bei einem Verfahren wie diesem sei das der übliche Weg. Zum jetzigen Zeitpunkt seien die scharfen Rahmenbedingungen des Projektes ja noch gar nicht definiert. Diese wären erst nach der Richtplanfestsetzung erarbeitet und der Gemeindeversammlung im Rahmen des BNO-Revisionsverfahrens zur Abstimmung vorgelegt worden. Die angeführten ausschlaggebenden Argumente der Gegner – wie Versetzen der Hochspannungsleitung, Zerstörung eines Naherholungsgebietes, Befahren eines Radweges, Lkw-Verkehr durchs Dorf und kaum aushaltbare Immissionen – würden darum auf falschen Informationen basieren. «Es sind Interpretationen. Sie widersprechen den klaren faktenbasierten Informationen.» Im Richtplanverfahren gehe es zudem nicht um einen Abstimmungskampf mit Fakten, es gehe um konstruktive Mitwirkung. «Und diese hat nicht stattgefunden», kritisiert er. Wenn dieses Beispiel Schule mache, müssten seiner Meinung nach alle politischen Instanzen bezüglich Verfahrensart über die Bücher.
Dass es durchaus legitim vom Gemeinderat wäre, seinen Antrag zurückzuziehen, hatte das BVU allerdings bereits im Dezember gegenüber dem «Reussbote» klargestellt. «Denkbar, aber ungewöhnlich», hiess es damals. Die Terractus AG will ihren Auftrag jedenfalls weiter ausführen. Der lautet: Standorte für Aushubdeponien des Typ A zu finden und umzusetzen. «Mit aller Kraft», verspricht Thomas Merz. Allerdings muss er die Fühler nun woanders ausstrecken. Der Steibode ist wohl endgültig vom Tisch. Ihr Ziel, das Projekt schon vor dem Richtplanverfahren zu stoppen, haben die Unterschriftensammler erreicht. In ihrem Dorf bleiben ihnen weitere Auseinandersetzungen damit erspart.

Stefan Böker

Ganzer Artikel ist nur für Abonnenten verfügbar.
Kategorie: 

Stellenangebote

Immobilienangebote

Kommende Events

Weitere Angebote

Trending

1

Spektakel und eine ganze Menge Scheine

Das Team von Pitbike Schweizermeister MD Performance enthüllt an einem Sponsoren-Apéro im «Stadttörli» sein neues Bike

Wie es sich für Schweizer Meister gehört: Martin Wernli und Dennis Fischer luden im Stadttörli zum Happening der Sponsoren. Dabei enthüllten sie mit viel Spektakel ihr neues Bike, mit dem der Titel verteidigt werden soll. Und sie konnten sich über viele Scheine in der Rennkasse freuen.

Kasse ist vielleicht das falsche Wort. Ei…