Erste Versammlung ohne Roger Fessler
29.06.2021 Mellingen, Region Reusstal90 Stimmberechtigte kamen in die Mehrzweckhalle – und erlebten eine bizarre Gemeindeversammlung
Am Donnerstagabend wurden die Geschäfte ruhig abgewickelt und vom Souverän genehmigt. Die Nachricht von Gemeinderat Roger Fesslers sofortigem Rücktritt wurde zur Kenntnis ...
90 Stimmberechtigte kamen in die Mehrzweckhalle – und erlebten eine bizarre Gemeindeversammlung
Am Donnerstagabend wurden die Geschäfte ruhig abgewickelt und vom Souverän genehmigt. Die Nachricht von Gemeinderat Roger Fesslers sofortigem Rücktritt wurde zur Kenntnis genommen. Für Aufruhr sorgte eine ältere Dame, die wegen ihren Zwischenrufen mehrfach ermahnt werden musste.
Gemeindeammann Bruno Gretener wies die Störerin mehrfach zurecht und drohte, sie aus dem Saal zu weisen. Auch Gemeindeschreiber Beat Deubelbeiss lief zu ihr hin und versuchte, sie zu beruhigen. Dennoch: Bei fast jedem Traktandum echauffierte sich die Mellingerin, bekam teilweise auch Redezeit, blieb in ihren Ausführungen jedoch wirr und unverständlich. So beklagte sie sich, dass die Zahlen in ihrem Büchlein nicht stimmten oder dass der Gemeinderat die Wasserversorgung privatisieren wolle. Die Auseinandersetzungen mit ihr bremsten den zügigen Ablauf der Versammlung zwar, wurden von den Anwesende aber eher belustigt als verärgert zur Kenntnis genommen. Dieses Tohuwabohu lenkte indes nicht davon ab, dass die Gemeindeversammlung auch inhaltlich einiges zu bieten hatte. «Ich bin überzeugt davon, das Sie etwas Interessantes zu schreiben haben werden», wendete sich Gemeindeammann Bruno Gretener gleich zu Beginn an die Presse. Dann kündigte er den sofortigen Rücktritt von Gemeinderat Roger Fessler aus «persönlichen und gesundheitlichen Gründen» an. Fesslers Ressorts werde für den Rest der Legislaturperiode unter den verbleibenden vier Mitgliedern aufgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass Fessler aufgrund von Recherchen des «Reussbote» zu diesem Schritt gezwungen wurde.
Weiter ging es mit der Jahresrechnung 2020. Zu zwei Posten aus der Aufzählung «Auswirkungen von Covid» auf das Ergebnis gab es eine Nachfrage, bevor diese genehmigt wurde. Gemeindeammann Gretener konnte antworten. Die Kosten für die Musikschule seien wegen Corona gestiegen, weil die Lehrpersonen trotzdem bezahlt werden mussten, aber kein Unterricht stattfand. Ausserdem seien der Gemeinde Einnahmen durch die Vermietung ans Militär entgangen. Er sei zuversichtlich, dass der Steuerfuss an der Winter-Gmeind gehalten werden, in einigen Jahren sogar gesenkt werden kann, kündigte er noch an. Auch die drei traktandierten Kreditabrechnungen genehmigten die Stimmberechtigten. Rico Herzig wollte den Abschluss der Gesamtrevision Zonenplan und BNO zurückweisen, weil er fand, das Geschäft sei noch nicht beendet. Der Wohnanteil in der Arbeitszone ist weiterhin Streitpunkt. Herzigs Antrag wurde knapp mit 37 Ja bei 42 Nein abgelehnt.
Gemeinderat Beat Gomes erklärte im Folgenden ausführlich, warum der Ringverbund «Wasser2035» ein Generationenprojekt ist und unbedingt angenommen gehört. Die Stimmberechtigten folgten seinem Antrag mit grosser Mehrheit. Genauso wie dem Antrag zum Ausbau der Abwasserreinigungsanlage Mellingen. Mit Mellingen und am Freitag Birrhard haben nun alle Verbandsgemeinden dem Projekt zugestimmt. Nachgefragt wurde wegen einer möglichen Photovoltaikanlage (diese kommt höchstwahrscheinlich, gab sich Gretener überzeugt) und wegen der Filterung von Mikropartikeln (nur bei grossen Anlagen ab 100 000 Bezügern gesetzlich vorgeschrieben).
Bundesfeier findet statt
Unter dem Traktandum «Verschiedenes» gab es ebenfalls interessante Neuigkeiten zu erfahren. So findet die Bundesfeier tatsächlich statt, die Einladungen dazu sollen in den nächsten Tagen in den Briefkästen der Einwohnerinnen und Einwohner eintrudeln. Möglicherweise geht der Anlass aus Platzgründen nicht vor dem Iberg, sondern auf der Hallenbadwiese über die Bühne. Auch der Seniorenausflug Ende September wird wahrscheinlich Realität – wenn sich die Corona-Situation bis dahin nicht plötzlich verschlechtert. Zum an der vergangenen Gemeindeversammlung gestellten Antrag, die Gemeindeordnung hinsichtlich fakultativem Referendum zu überarbeiten, informierte Gemeinderat René Furter. Das Geschäft ist für die Sommer-Gmeind 2022 traktandiert. Dem hat der Antragsteller zugestimmt.
Die Arbeiten an der Umfahrung sind auf Kurs, informierte Gemeindeammann Gretener. Man ist im Zeitplan und die Kosten können eingehalten werden. Wenn es weiter so läuft, steht der Einweihung und Inbetriebnahme der Umfahrung im Frühling 2023 nichts im Wege. «Die beteiligten Unternehmen machen eine sehr guten Job», lobte er.
Stefan Böker