«Den Mittelweg müssen wir gemeinsam gehen»
02.07.2021 Region ReusstalRalf Bucher, Geschäftsführer des Aargauer Bauernverband, zeigt Wege in Richtung Artenvielfalt nach der Ablehnung der Agrarinitiativen
«Landwirtschaft wird nachhaltiger, durch den politischen Druck, aber auch aufgrund von neuen Erkenntnissen», verspricht Ralf Bucher vom ...
Ralf Bucher, Geschäftsführer des Aargauer Bauernverband, zeigt Wege in Richtung Artenvielfalt nach der Ablehnung der Agrarinitiativen
«Landwirtschaft wird nachhaltiger, durch den politischen Druck, aber auch aufgrund von neuen Erkenntnissen», verspricht Ralf Bucher vom Bauernverband.
Zurücklehnen können wir uns nicht», sagt auf Anfrage Ralf Bucher, Geschäftsführer des Aargauer Bauernverbandes. «Im Gegenteil.» Über die deutliche Ablehnung der Trinkwasser- und auch der Pestizidinitiative aber seien sie froh. Über 60 Prozent sagten im Aargau und in der ganzen Schweiz «Nein» zu den beiden Agrarinitiativen. «Für uns ist der Ausgang der Abstimmung gut.» Froh seien sie ausserdem, dass es vorbei sei: «Es war sehr intensiv, auch sehr gehässig.»
Was kommt auf den Tisch?
Wie aber geht es jetzt weiter? Immerhin haben an die 40 Prozent der Stimmberechtigten die beiden Initiativen angenommen. Gemäss Ralf Bucher haben die Initiativen etwas ausgelöst. Auf jeden Fall die Diskussion darum, was in hiesigen Haushalten auf den Tisch kommen und gegessen werden soll. «Die Landwirtschaft wird nachhaltiger, durch den politischen Druck gezwungenermassen, aber auch aufgrund von neuen Erkenntnissen und Messmethoden», sagt der Landwirt, der für die CVP im Grossrat und auch Stiftungsrat beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) ist. Schön wäre es, meint er, wenn Konsumentinnen und Konsumenten diesen Weg aktiv begleiten würden.
In den letzten zwanzig Jahren sei in der Landwirtschaft, rund um Freihandelsdiskussionen, vor allem Effizienz gefragt gewesen und das bei hohem Kostendruck. Das wird heute zunehmend in Frage gestellt. Dennoch: «Gleichzeitig umweltfreundlich und günstig, das geht nicht», sagt Bucher. Da bestehe ein Zielkonflikt. «Wollen wir mehr Nachhaltigkeit, so braucht es einen Mittelweg, den wir gemeinsam mit der Forschung und mit den Konsumierenden gehen müssen.» Der Weg über Verordnungen, löse die Problematik zwischen Nachfrage und Produktion letztlich nicht.
Jeder Kauf generiere eine Nachfrage, insofern werde vor allem auch der Konsum die Landwirtschaft beeinflussen. «Innert kurzer Zeit», sagt Bucher, «hat sich die Dynamik auf dem Markt verändert, als Folge der Agrarinitiativen.» Die Nachfrage, etwa an herbizidlosem Getreide, sei stark gestiegen. Zunächst gelte es zu beobachten, ob diese Nachfrage und die Sensibilisierung nachhaltig sind. Dabei stelle sich auch die Frage, wird ein Mehraufwand abgegolten? Sind Konsumentinnen und Konsumenten bereit, eine aufwendigere Produktion – zum Beispiel Unkraut jäten von Hand – zu bezahlen? Sofern diese Bereitschaft besteht, kann sich die Landwirtschaft anpassen und in einem ersten Schritt vermutlich Herbizide und nach und nach den Einsatz und das Risiko von allen Pflanzenschutzmitteln weiter reduzieren. «Es wird ein Herantasten sein», sagt Bucher.
Mehr Platz für «Hasenweizen»
Angesprochen auf konkrete Projekte im Aargau erwähnt Ralf Bucher die «weite Reihe», im Bauernjargon auch «Hasenweizen» genannt. Im Weizenfeld wird auf ganzen Streifen weniger oder gar nichts gesät, in der Hoffnung, dass diese Leere Feldhasen und Lerchen gefällt. Auf solchen Streifen darf auch Ackerbegleitflora wachsen. Der Ertragsausfall bleibt vergleichsweise gering: 10 bis 20 Prozent weniger Ertrag. «Der Nutzen für die Umwelt ist bei nahezu gleichbleibender Produktion hoch», erklärt Bucher.
Mit rund 18 Prozent Biodiversitätsfläche, reserviert für Hochstammbäume, Blumenwiesen oder Buntbrachen steht der Aargau ziemlich gut da – das betrifft fast jede fünfte Hektare Landwirtschaftsland. Diese Flächen seien gut miteinander vernetzt. Gemäss neuer Direktzahlungsverordnung sollen voraussichtlich ab 2023 zusätzliche Biodiversitätsförderflächen, etwa spezielle Blumenwiesen für Insekten im Ackerland, dazukommen.
Heidi Hess


