In grossen Mengen fliesst die Reuss vorbei, tritt über die Ufer und flutet Keller – im Städtli zeigt sich eine grosse Welle der Solidarität
Es ist nicht das erste Mal, dass Mellingerinnen und Mellinger dem Wasser einen Riegel schieben müssen. In den Häusern am ...
In grossen Mengen fliesst die Reuss vorbei, tritt über die Ufer und flutet Keller – im Städtli zeigt sich eine grosse Welle der Solidarität
Es ist nicht das erste Mal, dass Mellingerinnen und Mellinger dem Wasser einen Riegel schieben müssen. In den Häusern am Reussufer wird jede Lücke abgedichtet. Feuerwehrleute sind überall, wo die Reuss wirbelt und drängt und weiter ansteigt.
Aufmerksam schauen Marcel Bechtold und Andreas Acél von der Feuerwehr Regio Mellingen am Mittwoch auf der Reussbrücke flussaufwärts, achten darauf, was das Wasser mit sich trägt. Viel Holz, ganze Baumstämme, auch ein Fussball ist unterwegs Richtung Gebenstorf. Solches Treibgut bereitet den Feuerwehrmännern keine allzu grossen Sorgen. «Wir müssen grössere Objekte frühzeitig erkennen, Teile einer Brücke etwa, die flussabwärts treiben», erklärt einer der beiden Männer. Dann würde die Brücke gesperrt. Vor ihnen, auf dem Geländer, steht ihr Mittagessen, geliefert aus der Küche des Mellinger Alterszentrums Im Grüt. Überall am Reussufer sind an neuralgischen Posten Einsatzkräfte von Feuerwehr und Zivilschutz stationiert, alle werden beliefert und verpflegt – ihre Posten verlassen können sie nicht.
Immerhin hat zwischenzeitlich der Regen aufgehört, sogar die Sonne lässt sich über Mittag blicken. Ausgestanden ist das Hochwasser nach einer Nacht, in der die Pegel in der ganzen Schweiz angestiegen sind, noch nicht. Am Mittwochmorgen, um 6 Uhr liegt der Höchstwert der Reuss in Mellingen bei 760 Kubikmetern Wasser pro Sekunde – höher als beim Hochwasser vom Mai 1999 mit 750 Kubikmetern. Noch nicht erreicht ist zu diesem Zeitpunkt hingegen der Höchststand von 2005 mit 850 Kubikmetern. Die Lage indessen bleibt angespannt, kann sich weiter zuspitzen. Regen ist weiterhin prognostiziert und der Vierwaldstättersee randvoll.
Man ist besorgt, hilft einander ...
Im Städtli indessen hat man sich gerüstet, war alarmiert und ist vorbereitet. Bereits am frühen Dienstagnachmittag herrscht am Reussufer unermüdliches Treiben: Man wappnet sich für die 700 Kubikmeter pro Sekunde, mit denen noch am Dienstagnachmittag gerechnet worden war.
Die Reuss, eine wirbelnde, braune Sosse, steigt und steigt. Die Bäume vor dem Alterszentrum stehen bereits im Wasser. Feuerwehrleute sind damit beschäftigt, Uferwege, Durchgänge zum Fluss und auch den Städtlisteg zu sperren. Anwohnerinnen und Anwohner dichten gemeinsam mit den Einsatzkräften von Feuerwehr und Zivilschutz ab, wo Wasser in die Häuser eindringen kann. Und doch gelangt das Wasser in die Keller, auf beiden Seiten der Reuss wird gepumpt. Metall- oder Holzplatten werden in Zugänge geschoben, Plastikfolien platziert, fixiert und mit Sandsäcken beschwert. Man ist besorgt, arbeitet schnell, hilft sich gegenseitig, kann sich aufeinander verlassen und zwischendurch, trotz der drohenden Flut, auch lachen. Autos mit Anhängern fahren durch die Stadttore, auf den Ladeflächen Palette mit Sandsäcken. Traktore aus der ganzen Region hieven sie von den Transportern und vor die Haustüren der Betroffenen. Die arbeiten weiter, im Wissen darum, dass ihnen trotz aller Schutzmassnahmen in den kommenden Nächten wohl nur sehr wenig Schlaf vergönnt sein wird.
Heidi Hess