Auch Option «Keine Busse im Städtli» prüfen
06.07.2021 Mellingen, Region ReusstalWie viele Busse dürfen durch die Altstadt? – «null» finden einige nach dem zweiten Plaza-Workshop
Die Hauptgasse soll zur Begegnungszone werden, Busse sollen dennoch durchfahren. Das geht so nicht, findet etwa die «IG 21». Und sie präsentiert ihre ...
Wie viele Busse dürfen durch die Altstadt? – «null» finden einige nach dem zweiten Plaza-Workshop
Die Hauptgasse soll zur Begegnungszone werden, Busse sollen dennoch durchfahren. Das geht so nicht, findet etwa die «IG 21». Und sie präsentiert ihre Vision.
Visionen entwickeln, weiter und grösser denken und einen Wunsch öffentlich machen. Das haben einige Mellingerinnen und Mellinger in den letzten Wochen und Monaten getan. Ihre Vision ist klar: Keine Busse in der Altstadt, damit die Hauptgasse tatsächlich eine Begegnungszone werden kann.
Neu ist dieser Wunsch nicht. Er wurde bereits beim zweiten Plaza-Workshop im Mai, wo an verschiedenen Tischen mehrere Gruppen zusammen arbeiteten, geäussert. Schon damals plädierte eine Gesprächsrunde unisono für «Null Busse». Solche Stimmen waren auch in anderen Gruppen, an anderen Tischen zu hören. Bei der Präsentation beugten sie sich letztlich aber der Mehrheit. Aus diesem Grund konnte sich die sogenannte Variante 8, die «Busse und Zubringer» in der Altstadt zulassen will, als Favorit durchsetzen. Mindestens zwölf Busse stündlich, respektive ein Bus alle fünf Minuten würden somit durch die Hauptgasse fahren, die im Übrigen als Begegnungszone verkehrsfrei wäre.
Variante X will keine Busse
Die Vertreterinnen und Vertreter der Variante «Null Busse» – sie selbst sprechen auch von der Variante X – halten indessen an Vision und Wunsch fest. Einige gehören der Gruppe «IG-ImpulsMellingen21» an, unter ihnen auch Hanspeter Koch. Koch ist Präsident der Partei «Die Mitte Mellingen» und Gründungsmitglied dieser IG 21. «Mit Bussen», sagt er, «wird die Hauptgasse als Begegnungszone, wie sie von einer grossen Mehrheit gewünscht wird, nicht funktionieren.» Dieser Gruppe ist es denn auch ein Anliegen, dass der Gemeinderat einer breiteren Öffentlichkeit wenigstens zwei Varianten präsentiert. Neben der sogenannten Variante 8, welche einzig Busse in der Hauptgasse verkehren lässt, soll auch die Variante X mit «null Bussen» beim Mitwirkungsverfahren vorgestellt werden.
Mitwirkung nach den Sommerferien
Schon jetzt besteht ein rechtskräftiges Verkehrsregime: Es sieht generelle Sperrzeiten zu Hauptverkehrszeiten von 6 bis 8, 11 bis 13 und 16.30 bis 18.30 Uhr vor und erlaubt maximal 1500 Durchfahrten pro Tag, hinzu kommen Busse und Zubringer. In der Hauptgasse und in allen Nebengassen gilt Tempo 20. Lastwagen ist die Durchfahrt durch die Altstadt ganz verboten. Dieses Regime aber will kaum jemand im Städtli. So zumindest das Fazit nach den Plaza-Workshops. Weitere Anpassungen an das rechtskräftige Verkehrsregime sind hingegen nur im Zusammenhang mit einer öffentlichen Ausschreibung, also einem Mitwirkungsverfahren, möglich. Auf Anfrage erklärt Gemeindeammann Bruno Gretener, dass ein solches Mitwirkungsverfahren frühestens nach den Sommerferien durchgeführt wird. Zurzeit werde ein Entwurf erarbeitet, der in den nächsten Tagen mit der Plaza-Kommission besprochen wird.
«Wir verpassen eine grosse Chance»
Weil den Mitgliedern der IG 21 die Aufwertung der Altstadt ein zentrales Anliegen ist, wie sie auf ihrer Webseite betonen, bringen sie nun erneut die Variante «Null Busse» ins Spiel. «Ziel ist es, eine echte Begegnungszone in der Hauptgasse der Altstadt zu realisieren.» Es sei zu früh bereits auf Variante 8 einzuschwenken, sagt Koch: «Sonst verpassen wir eine grosse Chance.» Die Bevölkerung sollte sich zu verschiedenen Varianten äussern dürfen.
Der Ergänzungsvorschlag Variante X verbannt nun auch diejenigen Busse aus der Altstadt, die im Vorfeld als Minimalvariante von der Arbeitsgruppe «Öffentlicher Verkehr» toleriert worden waren. Dieser Vorschlag soll im kommunalen Mitwirkungsverfahren berücksichtigt werden. Das hat die IG 21 beim Mellinger Gemeinderat beantragt: «Im Mitwirkungsverfahren ‹Aufwertung Altstadt Mellingen› sollen zwei Varianten der Verkehrsführung vorgelegt werden. Grundlage der beiden Varianten bilden die Variante 8 und die Variante X.» Die einmalig schöne Altstadt stehe vor einer wegweisenden Entscheidung.
Blick nach Aarau und Bremgarten
Hanspeter Koch verweist auf die Altstadt von Aarau, die seit einigen Jahren verkehrsfrei ist, in deren breiten Gassen aber nach wie vor Busse im Einbahnverkehr zirkulieren. Dort wünsche man sich den Bus aus der Altstadt. Dieses Anliegen, sagt Koch, habe der Aarauer Einwohnerrat inzwischen aufgenommen. «Diesen Umweg wollen wir nicht gehen.»
Und auch Bremgarten wird auf der Webseite der IG 21 als Beispiel aufgeführt: «Bremgarten hat nach fast 20 Jahren Erfahrung entdeckt, dass die beste Variante für eine attraktive Zentrumszone eine verkehrsfreie Altstadt ist.» In seinem Referat zur Gestaltung der Altstädte im Aargau habe alt Regierungsrat Peter Beyeler beim Workshop ausserdem betont, dass Mellingen am ehesten mit Bremgarten zu vergleichen sei.
Kanton will Busse durch die Altstadt
Gegen eine busfreie Altstadt spricht sich in Mellingen der Kanton aus. Am Workshop hatte Reto Kobi, Projektleiter Konzepte und Angebote in der kantonalen Abteilung Verkehr, erklärt, dass das Bussystem ein sehr austariertes, kompliziertes System sei. Gute Anschlussverbindungen, etwa für Schülerinnen und Pendler, müssten sowohl für die Quartierbewohnerinnen und -bewohner als auch für Einwohnerinnen und Einwohner der Nachbargemeinden gewährleistet sein. Ortsteile oder umliegende Gemeinden dürften im Bereich Öffentlicher Verkehr nicht benachteiligt werden.
Heidi Hess
«Null Busse» – so sieht Variante X aus
Die «IG-ImpulsMellingen21» zeigt auf ihrer Webseite, wie die Variante X in den Bereichen Öffentlicher Verkehr, Zubringer oder Begegnungszone funktionieren kann. Sie listet Punkt für Punkt Lösungsansätze auf – die wichtigsten werden hier aufgegriffen.
Öffentlicher Verkehr
• Mit einem Wendeplatz bei der Haltestelle «Krone» oder einer Wendeschlaufe beim Lehrer-Parkplatz bei der Schule wird die Bergseite erschlossen.
• Auf dem hinteren Teil des Parkplatzes Birrfeldstrasse (vis-à-vis von SFS) wird ein Busbahnhof, analog Heitersberg, errichtet.
• Es entstehen zwei neue Haltestellen: Eine bei der Einmündung Birrfeldstrasse in die neue Umfahrung (Einzugsgebiet Büblikerweg und Zeughausstrasse), die andere oberhalb der Garage Vecchio (Fussweg zum Bahnhof).
• Kurzer Fussweg vom Lindenplatz zu den Schulen an der Bahnhofstrasse.
Zubringerverkehr
• In der Altstadt verschwinden Parkfelder. Privatfahrzeuge (Bewohner, Handwerker und Zulieferer) können zwischen 7 und 18 Uhr jederzeit zu den Liegenschaften fahren. Dauert das temporäre Parkieren länger als 30 Minuten, muss ausserhalb der Altstadt parkiert werden. Für Anwohner werden in einem neuen Parkhaus Einstellmöglichkeiten geschaffen.
• Die Ausfahrt erfolgt über die Strassen zum Alterszentrum im Osten und Hexenturm im Westen.
• Die Zufahrt ist für Mitarbeitende der Gemeindeverwaltung und eingeschränkte Kirchgängerinnen und Kirchgänger gewährleistet.
Lebenswerte Altstadt
• Gassenfeste, Kulturanlässe, Märkte, Jugendfeste, Konzerte, Food-Festivals, Fastnachtsumzüge werden in der Altstadt wieder möglich.
• Attraktive Restaurants und Geschäfte blühen auf.
• Ein Brunnen und der Stadtbach verleihen dem Städtchen Ambiente.
• Eine durchgehende Reuss-Begehung ist nicht ausgeschlossen – der Besitzer des alten Rathauses hat eine solche Möglichkeit signalisiert.
• Erarbeitung und Durchsetzung eines Ruhe- und Nachtzeiten-Konzeptes für die Altstadt. (red.)


