Ernst Rodels Chilbi-Wagen – am Boden zerstört
16.07.2021 Mellingen, Region ReusstalMehrere Chilbi-Wagen des Schaustellers Ernst Rodel wurden am Reussufer von zwei umgestürzten Bäumen zerstört
«Erst Corona und jetzt das!» – Ernst Rodel ist verzweifelt: Seine Chilbi-Wagen am Reussufer wurden von umgestürzten Bäumen zerstört. ...
Mehrere Chilbi-Wagen des Schaustellers Ernst Rodel wurden am Reussufer von zwei umgestürzten Bäumen zerstört
«Erst Corona und jetzt das!» – Ernst Rodel ist verzweifelt: Seine Chilbi-Wagen am Reussufer wurden von umgestürzten Bäumen zerstört. Bereits vor einem Jahr war das Fällen dieser Bäume Thema.
Er sei nebenan in der Werkstatt am Arbeiten gewesen, sagt Schausteller Ernst Rodel: «Plötzlich hörte ich ein Krosen, ein lautes Krachen.» Als Rodel nachschaute, bot sich ihm ein Bild der Zerstörung. Zwei grosse Akazien, die am Reussufer im Hochwasser standen, waren auf seine Chilbi-Wagen gestürzt. Daraufhin habe er, am Dienstagnachmittag, kurz nach 15 Uhr, unter Tränen seine Frau angerufen und ihr mitgeteilt, dass mehrere Chilbi-Wagen völlig zerstört seien. Mindestens drei Wagen sind beschädigt: Die beiden Bäume sind auf die Dächer eines Camping-Wagens und zwei Transportanhänger gestürzt. Noch weiss Rodel nicht, ob auch Geräte, Karussell-Figuren und -Autos, die im Innern lagerten, kaputt sind. Erst vor kurzem habe er die Anlagen aufgebaut und vom TÜV auf ihre Sicherheit prüfen lassen, damit er nach eineinhalb Jahren Stillstand wegen Corona bald wieder zu Jahrmärkten und Chilbis touren könnte. «Und jetzt das», sagt er verzweifelt.
Warum die Bäume auf die Wagen gekracht sind? Rodel weiss es nicht. Er weiss auch noch nicht, wie hoch der Beitrag der Versicherung sein wird. Er habe sich, sagt er, wegen der hohen Bäume gesorgt und das auch den zuständigen Stellen gemeldet. Ein Augenschein am Reussufer zeigt, dass die Akazien im rasch ansteigenden und schnell fliessenden Fluss entwurzelt wurden, unterspült, und dann auf die neben der Sägerei Frey geparkten Wagen von Ernst Rodel gestürzt sind.
Kanton lehnte eine Baumfällung ab
Bereits im vergangenen Jahr war die Fällung der Bäume am Reussufer thematisiert worden.
Christoph Nüssli, Verwaltungsratspräsident der Druckerei Nüssli, gehört das Sägerei-Areal an der Bruggerstrasse. Er wandte sich an den Kanton, nachdem zuvor auf dem Gelände ein riesengrosser Ast in Ufer- und Gebäudenähe – sozusagen «aus dem Nichts» – abgebrochen war. Damals war niemand zu Schaden gekommen. Der Kanton bewilligte in der Folge aber, zwei Bäume zu fällen.
Dieser Vorfall veranlasste Nüssli allerdings, die Fällung sämtlicher Uferbäume entlang seiner Parzellen zu beantragen. Im September 2020 lehnte der Kanton den Antrag ab. Die Ablehnung wurde begründet: «Ihre Bauten und Gebäude befinden sich im Gewässerraum. Gemäss Baugesetz §117 sind Ufergehölze zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren.» Als Eigentümer trägt Christoph Nüssli sowohl das Risiko eines Personenschadens, im schlimmsten Fall mit Todesfolge, und er muss auch für die Schäden aufkommen, die nicht durch eine Versicherung gedeckt sind. Um das Risiko von umstürzenden Bäumen auszuschliessen, wollte er deshalb die Bäume auf seinen Parzellen entlang des Reussufers fällen. Weiter beantragte er die Schadloshaltung durch den Kanton im Unglücksfall sowie eine 100-prozentige Übernahme von nicht gedeckten Schäden. Der Kanton anwortete, bezugnehmend auf die eingangs erwähnte Begründung: «Wir können keinem der genannten Anträge zustimmen.» Der zuständige Hans-Peter Nussbaum, Leiter Fachbereich Gewässerunterhalt im Departement Bau, Verkehr und Umwelt, bot indessen an, vor Ort einen Augenschein vorzunehmen, um die Uferbestockung auf ihren Zustand zu beurteilen und allfällige Massnahmen zu bestimmen. Eine solche Begehung fand letztlich nicht statt. Eine Besichtigung hätte nichts gebracht, sagt Christoph Nüssli. «Aufgrund des Schadens im Sommer 2020 war dem Kanton die Situation vor Ort bekannt.»
Am letzten Dienstagnachmittag ist nach dem vielen Regen und bei hohem Pegelstand eingetroffen, was Christoph Nüssli befürchtet hatte: Zwei Akazien am Reussufer sind auf Rodels Chilbi-Wagen gekracht. Wagen und Anhänger sind zerstört. Nüssli meint: «Hätte der Kanton meinem Antrag zur Baumfällung zugestimmt, hätten wir heute keinen Schaden von mehreren Hunderttausend Franken.» Hans-Peter Nussbaum allerdings erklärt auf Anfrage, einer Rodung aller Bäume konnte keine Bewilligung erteilt werden, ein Augenschein vor Ort hat leider nicht stattgefunden.
Hat Umfahrung dazu beigetragen?
Vor Ort wurde am Dienstagabend auch spekuliert, ob die Umfahrungsstrasse zum Unglück beigetragen haben könnte. Für den Bau eines Pfeilers wurde eine Halbinsel in die Reuss gebaut. Hat sich damit die Fliessrichtung unterhalb der Insel geändert? Wurden die grossen Bäume entwurzelt, weil das Ufer durch eine veränderte Strömung unterspült wurde? Beim Kanton heisst es, dass bislang keine Schadensmeldung eingegangen sei. In Abklärung mit Bauleitung und Wasserbauspezialisten sehe man auch keinen aktuellen Zusammenhang betreffend solcher Spekulationen.
Heidi Hess



