«Ich wollte nie ein anderes Instrument spielen»

Fr, 27. Aug. 2021

Stefan Keller verändert den Klang seiner Instrumente mit elektronischen Effekten – ein international bekanntes Markenzeichen

Mit seinen Flöten und speziellen Effekten erschafft Stefan Keller neue Klänge. Er besitzt die Instrumente in allen Variationen, von der sündhaft teuren Querflöte aus reinem Gold mit Silbermechanik bis zur Flöte aus Bambusrohr, die auf dem Markt in Indien nur drei Franken gekostet hat.

Ein Besuch in Stefan Kellers Loft im Egro-Gebäude ist ein besonderes Erlebnis. In diesem speziell gedämmten Raum verbringt der Musiker viel Zeit, um seine Kunst zu verbessern – und demonstriert gerne sein Können. Und die Möglichkeiten, die seine Musikanlage bietet. Zu dieser gehören mehrere präzise im Raum angeordnete Lautsprecher. Man nimmt auf der Couch im Zentrum Platz und kann die Töne herumwirbeln hören, von links nach rechts, von hinten nach vorne, von oben nach unten. «3D-Audio» nennt der international gefeierte «Electronic Flute Player» das.
An seinem Sound feilt Stefan Keller seit 25 Jahren. Er kann, ganz unverstärkt, akustisch spielen. Seine Flöten, die auf speziellen Ständern um ihn herum stehen, sind zudem mikrofoniert. Die grösste Flöte, die Subkontrabassflöte, ist 5,20 Meter lang. Bis zu fünf Mikrofone sind an einer installiert. «Sie nehmen den Klang beispielsweise direkt am Mundstück ab oder innen im Rohr», erklärt der Musiker. Zusätzlich sind die Instrumente mit mehreren Effektgeräten verbunden. Stefan Keller kann aus rund 2500 Sounds den jeweils passenden auswählen. Beispielsweise verschiedene Hall-Effekte, welche die Akustik grösserer Räume simulieren, die einer Kirche etwa. Oder Delays, die den Ton in abklingender Intensität wiederholen. Oder Effekte, welche die Tonhöhe verändern. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt.
Besonders spannend sind sogenannte «Loops». Fragmente eines Stücks, die auf Knopfdruck aufgenommen und sofort abgespielt werden, so lange, wie es der Musiker will. Auf diese Weise kann Keller mehrstimmige Stücke allein interpretieren. Zusätzlich ist er ein «Klangsammler». So hat er etwa Kirchenglocken aufgenommen und kann sie passgenau abspielen. Es gibt Musiker, die konzentrieren sich auf ein Instrument. Dann gibt es Multinstrumentalisten. Keller hingegen besitzt und benutzt alle Arten von Flöten. Und erzeugt damit, elektronisch verstärkt, neue Klangwelten. Allein schon die Fussschalter zu bedienen, die um ihn herum auf dem Boden angeordnet sind, sieht nach einer hoch komplizierten Angelegenheit aus.

Ein «Spielzeug für Grosse»
Angefangen hat diese Entwicklung, weil er als Flötist in einer Jazzband nicht mit der Lautstärke des Schlagzeugs mithalten konnte. Schnell merkte er, dass es als Minimum einen leichten Hall benötigt, damit die Flöten verstärkt gut klingen. «Und als ich das erste Loop-Gerät kaufte, war ich angefressen», erinnert sich der Musiker. Das Teil steht heute noch in seinem Loft. Er besitzt sogar ein zweites, als Ersatz. Denn immer ging irgendetwas kaputt. Hundertprozentig zuverlässig ist seine Anlage erst, seitdem er einen Computer benutzt. Die Software ist extra nach seinen Wünschen von einem Spezialisten programmiert worden. Er hat sich unter anderem einen «Echoplex» nachbauen lassen, eine legendäre Effektmaschine, die den Ton mechanisch mit Tonbändern veränderte. «Der Hall ist das Heikelste überhaupt», meint der Musiker.
Speziell ist noch, dass er auf diese Weise aus der Flöte Töne herausholen kann, die nicht nach Flöte klingen. Er kann auf ihr Rhythmen trommeln. Oder wabernde Klangwände erzeugen. Oder sphärische Sounds.
Stilistische Berührungsängste hat der klassisch ausgebildete Flötist keine. Seine Bandbreite reicht von Barock über Klassik zu Avantgarde, Jazz und improvisierter Musik. Er komponiert, schreibt Lehrbücher für andere oder gibt in Workshops und Unterrichtsstunden sein Wissen weiter. Das Loft in Niederrohrdorf ist nicht nur der Übungsraum für sich und befreundete Musiker, sondern zugleich Aufnahmestudio mit dem Namen «Aladin Records». Und Konzertort: Seit mehreren Jahren organisiert der umtriebige Musiker hier Events mit Live-Musik.

Querflöte im Club
Am liebsten aber spielt Stefan Keller selbst live, und das an aussergewöhnlichen Orten. Er hat schon ein Wasserreservoir zum Konzertsaal umfunktioniert oder in einer Schreinerei Maschinengeräusche in seinen Auftritt eingeflochten. Wenn gefragt, kann er computeranimierte Farben und Formen an die Wand werfen.
Besonders gerne würde er einmal in einem grösseren Club spielen. Bei einem Werkaufenthalt in Berlin besuchte er ein Konzert im legendären «Berghain». Als Liebhaber elektronischer Klänge war er schwer beeindruckt – und zugleich ein kleines bisschen geschockt von der Lautstärke dieser massiven Soundanlage. Dennoch: «Da drin würde ich gerne mal ein Flötenkonzert geben.» Nähere Infos unter: flutetrends.ch.

Stefan Böker

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