Das Kulturbewusstsein in der Gemeinde schärfen
27.08.2021 Kultur, MellingenWas kann Kultur, was soll sie? Wo liegen in der Gemeinde ihre Chancen, wo Grenzen? Gemeinderätin Györgyi Schaeffer nimmt Stellung
Auch im Dorf muss Politik die Kultur fördern. Weil eine breite Palette an kulturellen Angeboten Spass macht und die Zusammengehörigkeit ...
Was kann Kultur, was soll sie? Wo liegen in der Gemeinde ihre Chancen, wo Grenzen? Gemeinderätin Györgyi Schaeffer nimmt Stellung
Auch im Dorf muss Politik die Kultur fördern. Weil eine breite Palette an kulturellen Angeboten Spass macht und die Zusammengehörigkeit stärkt, sagt Györgyi Schaeffer.
Hier wurde einst so viel Wein getrunken» sagt Györgyi Schaeffer, Gemeinderätin und Präsidentin der Mellinger Kultur- sowie auch der Museumskommission. Sie erinnert mit ihrer Aussage an Zeiten, die Jahrhunderte zurückliegen. Ans Mittelalter, als sich in Mellingens Schankstuben Handelsleute trafen, die die Reuss überqueren mussten. Mit ihren Waren zogen die Händler von Bern Richtung Zürich und von Zürich Richtung Bern. Mellingens Brücke war eine der wenigen über die Reuss und sie lag an ihrem Handelsweg. Die Reisenden dürften in den Gaststätten im Städtli ins Reden und Lachen gekommen sein. Sie berichteten von Neuigkeiten, die man links und rechts der Reuss noch nicht kannte. So kam es im Städtli früh zu einem Austausch zwischen den Regionen und den Kulturen.
Die Kultur liegt ihr am Herzen
Getrunken wird im Städtli heute noch: Bier, Wein oder Eistee, rund um die Altstadt und in der Hauptgasse, wo bald viel weniger Autos und Busse fahren – sobald die Umfahrung 2023 in Betrieb genommen worden ist. Es wird Platz für Geselligkeit und Begegnungen geben, die Altstadt wird aufgewertet.
Wir sind mitten im Thema. Beim Gespräch mit Györgyi Schaeffer wird schnell klar: Das alles liegt ihr am Herzen. Sie sprüht vor Ideen und sagt: «Mellingen hat eine besondere Geschichte». Die Altstadt in kyburgischer Bauweise als Dreieck an den Fluss geklebt, der Zeitturm, der Hexenturm oder die alte Gerichtsstube. – Wer aber kennt diese Geschichte? Vielen sei gar nicht bewusst, meint sie, in welch historischem Bijou sie leben. Dieses Bewusstsein will sie schärfen. So soll die Gerichtsstube der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden oder für die Schule soll Unterrichtsmaterial über Mellingens Vergangenheit erarbeitet werden.
Wie die Kommission Kultur fördert
«Kulturpolitik», sagt die Kommissionspräsidentin, «umfasst auf kommunaler Ebene Vieles: Von Kulturförderung über Bibliothek, Orchester oder Chor bis hin zum Laientheater.» Alle diese Möglichkeiten könne Mellingen mit knapp 6000 Einwohnern bieten, sagt Györgyi Schaeffer. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier aufgelistet: Stadtmusik, Jodelchor, Johanneschor, der Chor «Together» oder der Männerchor, das Laientheater Melliger Spiellüüt und der Kulturverein Tradinoi, ein Archiv, das dem Gemeindeschreiber unterstellt ist, in der Stadtscheune Bibliothek und Ortsmuseum, historische Stadtführungen und auch eine Ludothek. Die Musikschule ist der Schule angegliedert.
In Mellingen hat die Kulturkommission im vergangenen Sommer ihr neues, unter der Ägide von Györgyi Schaeffer und Nadia Zanchi erarbeitetes Kulturkonzept 2020 vorgestellt. Es beinhaltet unter anderem ein jährliches Budget von rund 10 000 Franken an Fördergeldern für Private und Institutionen im Bereich Bildende Kunst, Film, Literatur, Musik oder Theater.
Die Kulturkommission sei weniger Organisatorin als vielmehr Kulturförderin, sagt Schaeffer: Kulturinteressierte und Kulturschaffende reichen beim neu geschaffenen Mellinger Kultursekretariat Gesuche ein, welche durch die Kommission beurteilt und genehmigt werden können. Dieses Vorgehen lasse auch mal ein Vakuum zu. Es kreiere Bedürfnisse, wenn Kultur vermisst wird. Im Austausch mit anderen Bürgerinnen und Bürgern werden Bedürfnis und Nachfrage erörtert und geklärt. Denn hier stossen kleinere Gemeinden an Grenzen: Das Risiko bestehe darin, Anlässe zu organisieren, wo eine Nachfrage fehle.
«In einer Gemeinde hat Kultur die zentrale Aufgabe», sagt Schaeffer, «das Gemeinschaftsgefühl, die Zusammengehörigkeit zu stärken». Sie ermöglicht gemeinsamen Spass in der Gestaltung und über die Unterhaltung.
Statt Festival viel Hintergrundarbeit
Nach wie vor setzt Corona wegen fehlender Planungssicherheit Grenzen. Das von der Kulturkommission Anfang Sommer geplante Kulturfestival musste dieses Jahr abgesagt werden. Zurzeit werde aber viel Hintergrundarbeit geleistet, sagt Schaeffer. Unter anderem werden Netzwerke aufgebaut.
Heidi Hess