Im Schulhaus sind sie der Sechser

Fr, 13. Aug. 2021

Drei Senioren kommen regelmässig in die Klassenzimmer. Nun wird ein Platz frei für eine neue Person

Im Schulhaus sind sie populär. Die Schulkinder freuen sich, wenn sie den Senioren begegnen und sie vermissen sie, wenn sie mal fehlen.

Wenn Doris Bruggisser durch Tägerigs Strassen geht, hört sie bestimmt von irgendwoher ein fröhliches Rufen: «Hoi, Frau Bruggisser!». Auch Ruedi Gutknecht und Rolf Hunziker gelangen selten unbehelligt durchs Dorf. Immer ist da ein Schulkind, das erzählt, fragt, grüsst oder lacht. Bruggisser, Gutknecht und Hunziker haben etwas gemeinsam: Alle drei sind bei den Tägliger Mädchen und Buben bekannt. Dabei sind sie weder Lehrpersonen noch Eltern von Schulkindern. Im Schulhaus gehen sie dennoch ein und aus. Ohne Lohn, ohne Pflicht – ganz aus freien Stücken: In den Klassenzimmern erledigen sie ihre Aufgaben und halten sich an Vorgaben des Lehrpersonals. Für die Lektionen müssen sie sich, anders als die Mädchen und Buben, hingegen nicht vorbereiten. Und sie tragen, im Gegensatz zu den Lehrerinnen und Lehrern, auch keine Verantwortung. Verantwortlich bleibt im Klassenzimmer die Lehrperson.

Die Senioren sind ein Gewinn
Ohne Erfahrung sind die drei nicht. Sie haben Lebenserfahrung. Und das nicht zu knapp. Bruggisser, Gutknecht und Hunziker haben die Jahre der Erwerbstätigkeit hinter sich, sind pensioniert. «Plötzlich hat man viel Zeit», sagt Hunziker. Als Seniorin und Senioren haben sie neue Aufgaben gesucht, nach Struktur im neuen Lebensabschnitt. Und sie wollen der Gesellschaft auch etwas zurück geben.
Alle drei sind in Tägerig seit einigen Jahren Teil des Projekts «Senioren im Klassenzimmer». Rolf Hunziker und Doris Bruggisser seit drei Jahren, Ruedi Gutknecht bereits seit fünf Jahren. Weil Gutknecht aufhören möchte, sucht Schulleiterin Elke Hungerbühler nun eine Person, die nach den Herbstferien an seine Stelle treten kann. Eine besondere Ausbildung brauche es dafür nicht. «Aber Zeit», sagt sie. «Und Freude, diese Zeit mit Kindern zu verbringen.» Im Klassenzimmer sind die Seniorinnen und Senioren für die Primarschülerinnen und Primarschüler zusätzliche Bezugsperson. Sie unterstützen die Kinder und entlasten die Lehrerinnen und Lehrer. Sie tauschen sich aus und können Ansprechpersonen für alle sein. Kurz: Sie sind im Schulhaus ein Gewinn.

Den Aufwand bestimmen sie selbst
Den Aufwand für das ehrenamtliche Engagement bestimmen die Frauen und Männer selbst. «Ideal wäre ein halber Tag pro Woche», sagt Schulleiterin Hungerbühler.
So macht es Ruedi Gutknecht. Er ist jeden Mittwochvormittag in der Schule, unterstützt im Turnunterricht. Im September wird er die Sechstklässler ausserdem ins Klassenlager begleiten. Die Senioren, sagt Hungerbühler, dürften aber auch häufiger kommen. So wie Doris Bruggisser, die an mehreren Tagen in einigen Klassen beim Technischen und Textilen Gestalten dabei ist. Sie hilft, wenn mit Nähmaschine, Schere oder Nadel gearbeitet wird. «Ich setze mich neben ein Kind, schaue zu und kann etwas zeigen», sagt Bruggisser. Schülerinnen und Schülern falle es dann leichter, sich zu konzentrieren. Von einem «Geben und Nehmen» spricht Rolf Hunziker. Er konnte Sechstklässlern im Rahmen eines Projekts sein Hobby Fotografie näher oder einem Schüler Licht ins Dunkel einer Mathematikaufgabe bringen, indem er alternative Lösungswege aufzeigte.
Die Unterstützung kann vielfältig ausfallen, sagt Hungerbühler: «Wir setzen die Senioren gerne dort ein, wo sie ihre eigenen Stärken sehen.» In Absprache mit der Lehrperson darf eine Seniorin oder ein Senior auch mal fehlen. Dann aber werden sie mit Sicherheit vermisst. Und vielleicht müssen sie den Kindern auch den Grund für ihre Abwesenheit erklären.

Heidi Hess

Interessierte melden sich bei der Schulleitung: elke.hungerbuehler@ schule-taegerig.ch oder 056 481 77 20

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