Saskia Iten studierte Journalismus an der Schule für angewandte Linguistik in Zürich und arbeitete als Journalistin beim «Reussbote». Heute ist sie Mitgründerin eines Start-ups, das seit 2018 mit über 35 Künstlern schweizweit «Artnights» ...
Saskia Iten studierte Journalismus an der Schule für angewandte Linguistik in Zürich und arbeitete als Journalistin beim «Reussbote». Heute ist sie Mitgründerin eines Start-ups, das seit 2018 mit über 35 Künstlern schweizweit «Artnights» organisiert.
Das Leben ist eine Kette aus Entscheidungen. Schon morgens beginnt es mit Fragen wie: aufstehen oder liegenbleiben? Zähne putzen oder frühstücken? Soll ich Stoffhose oder Jeans anziehen? Alltagsentscheidungen fällen wir oft unterbewusst, während uns einmalige Entscheidungen auch mal (über-)fordern. Mit einer grossen Entscheidung sind wir dieses Jahr alle konfrontiert: gegen Corona impfen lassen oder nicht? Die Pro- und Contra-Listen sind lange. Medienberichte sind von Meinungen geprägt, bieten zwar Inspiration, nehmen jedoch keine Entscheidung ab.
Nach einer globalen Krise wie dieser könnte man meinen, dass die Gesellschaft gestärkt daraus hervorgeht. Was mich nachdenklich stimmt, sind Beziehungen, die an der Meinungsvielfalt scheitern. Diskussionen, die nicht auf Zuhören, sondern auf Überzeugung ausgelegt sind. Krawalle, die unsere Gesellschaft schwächen, statt die Demokratie zu stärken. Was ich am Journalismus immer mochte, ist es, mich mit Menschen und ihren Perspektiven auseinanderzusetzen. Meinungsvielfalt ist spannend und macht unsere Demokratie zu einem wertvollen Gut.
Diese Werte sind mir auch unternehmerisch wichtig. Entscheide zu treffen, mit denen sich Mitarbeiter und Kunden identifizieren können, ist eine Herausforderung. In dieser Krise erst recht. Ich habe gelernt, dass Entscheide nie allen gerecht werden: mit Enttäuschung umzugehen, war wohl eine der schwierigsten Lektionen, die ich in den letzten Jahren als Jungunternehmerin lernen durfte.
Vom Journalismus weiss ich jedoch, wie wichtig es ist, zuzuhören, um mir eine Meinung zu bilden. Zuhören heisst, sich auf Gesprächspartner einzulassen, sie wertzuschätzen, Interesse zu zeigen und ihre Ansichten zu akzeptieren – auch wenn sie für mich nicht nachvollziehbar sind. Möglicherweise lerne ich Neues dazu und habe die Möglichkeit, eine bevorstehende Entscheidung anzupassen.
«Mir fällt es immer so schwer, mich zu entscheiden. Dann lasse ich es lieber bleiben.» Nichts tun ist auch eine Entscheidung – und bei Überforderung keine schlechte. Wenn Untätigkeit jedoch zur unterbewussten Alltagsentscheidung wird, vermeiden wir zwar Fehler, verlieren aber auch das, was eine Demokratie ausmacht: Selbstbestimmung, Meinungsfreiheit und Gemeinschaft.