Letzte vor Ort produzierende Bäckerei schliesst

Fr, 10. Sep. 2021

Adrian und Brigitte Häntze schliessen mit Wehmut ihren Betrieb am 12. Dezember um punkt 12 Uhr

Die Bäckerei-Conditorei hat als letzter Betrieb dieser Art in Mellingen überlebt. Doch jetzt kommt überraschend das Aus. Brigitte und Adrian Häntze schliessen ihren Betrieb am 12. Dezember um 12 Uhr.

Wir sitzen im Raum des ehemaligen Cafe Häntze. Brigitte und Adrian Häntze erklären dem «Reussbote» ihren wohl schwersten Schritt in ihrer langen Berufskarriere. «Es zerreisst mir fast das Herz», sagt Adrian Häntze, seine Frau Brigitte nickt zustimmend. Er teilt mit, dass er am 12. Dezember, am Tag, an dem er sein 58. Lebensjahr beginnt, um 12 Uhr seinen Betrieb schliessen wird. Seinen Betrieb, den er seit 27 Jahren zusammen mit seinen «Prinzessinnen» – so nennt er seine Angestellten und seine Ehefrau – mit viel Herzblut und unermüdlichem Einsatz führt.
Was ist der Grund, für die Schliessung seines Betriebs? «Der springende Punkt, dass ich jetzt die Reissleine ziehe, ist die Personalsituation.» Langjährige Betriebsangestellte haben ihre Arbeitsstelle gekündigt. Seit 23 Jahren unterstützt eine Bäcker-Konditorin Häntze in der Backstube. Sie hat die Chance gepackt, sich in einer anderen Branche selbstständig zu machen. «Ich hätte sie noch so gerne als Nachfolgerin gesehen», sagt Adrian Häntze. «Es war ihr Entscheid und diesen respektiere ich.» Eine weitere Mitarbeiterin, die seit 25 Jahren jeweils sonntags im Verkaufsladen bedient, hört auf. Zudem wird eine dritte Mitarbeiterin pensioniert. Da wäre es doch einfach, die geeignete Nachfolge rechtzeitig zu planen? Weit gefehlt. In unserer Branche ist gutes Fachpersonal Mangelware. Der Markt ist ausgetrocknet, die Arbeitszeiten in der Backstube unattraktiv und wer will schon am Sonntag arbeiten? Deshalb fassten Adrian und Brigitte den Entschluss, ihren Betrieb zu schliessen.

Grosse Herausforderung
Als Häntze vor 27 Jahren den Betrieb von seinem Vater Werner übernahm, gab es im Städtli noch Konkurrenz. Die sind mittlerweile durch Grossverteiler verdrängt worden. Nur Häntze beim Lindenplatz ist geblieben. Während Adrian Häntze in der Backtsube frische Backwaren und leckeres Feingebäck herstellt, ist seine Frau Brigitte still im Hintergrund. Sie ist schon seit vielen Jahren an den Rollstuhl gebunden. Multiple Sklerose. Diese heimtückische Nervenkrankheit verunmöglicht ihr das Gehen. Schon als sie im Jahre 1992 geheiratet hatten, meldeten sich Vorboten dieser Krankheit. Davon liess sich das Paar nicht beeindrucken. Gemeinsam meisterten sie das Schicksal. Sie machte das Büro, die Löhne und die Buchhaltung, er die Backwaren.

Wie geht es weiter?
Sowohl Brigitte wie auch Adrian sind überzeugt, dass sie den richtigen Entscheid getroffen haben. Die Konsumgewohnheiten haben sich in den letzten Jahren stark verändert, vor allem seit Corona. Das angegliederte Café ist seither geschlossen. Die Leute sind seit Corona anspruchsvoller geworden. Für einen Kleinbetrieb, der auch am Sonntag seine Kundschaft bedient, ist das eine grosse Herausforderung. Mit dem Umsatz am Sonntag wird der Betrieb unter der Woche quer subventioniert. Ob die Bäckerei Häntze schliesslich liquidiert wird, das steht noch in den Sternen. Adrian und Brigitte Häntze machen sich Gedanken darüber, die Bäckerei nurmehr am Wochenende oder lediglich am Sonntag zu öffnen. «Wir wissen es noch nicht», sagen beide. Dieser Entscheid muss erst noch reifen. Für Adrian Häntze stand bisher sein Beruf im Vordergrund. Das möchte er jetzt ändern. «Meine ‹Prinzessin› braucht mich je länger je mehr.» Er sagt es mit einem liebevollen Blick zu seiner Brigitte.

Benedikt Nüssli

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