Sie kann jetzt schon 678 Tänze auswendig
24.09.2021 Region ReusstalNesselnbach: Bei Trudi Peterhans «Missouri Linedancers» kann jeder den speziellen Gruppentanz aus den Vereinigten Staaten lernen
Line Dance ist ein Gruppentanz aus den USA. Western- oder Countrymusikfan muss man aber nicht unbedingt sein, um ihn zu lernen. Vielleicht noch ...
Nesselnbach: Bei Trudi Peterhans «Missouri Linedancers» kann jeder den speziellen Gruppentanz aus den Vereinigten Staaten lernen
Line Dance ist ein Gruppentanz aus den USA. Western- oder Countrymusikfan muss man aber nicht unbedingt sein, um ihn zu lernen. Vielleicht noch entscheidender: Man braucht auch keinen Tanzpartner. Die Überraschung beim Betreten des Übungsraums ist gross:
Dem Besucher schlagen keine Countryklänge entgegen – stattdessen Justin Wellingtons aktueller Coverhit «Iko Iko (My Bestie)». Tönt eher nach Karibik als nach Mittlerem Westen. «Wir studieren gerade neue Schritte ein», erklärt Trudi Peterhans, Tanz-Instruktorin und Eigentümerin der «Missouri Linedancers».
Ideales Hirntraining
Sieben Frauen sind an diesem Morgen zum wöchentlichen Line-Dance-Kurs gekommen. Sie trainieren bereits seit 2017 zusammen. Laut Peterhans umfasst das Repertoire der fortgeschrittenen Truppe schon beachtliche 80 Tänze. Jeder «Tanz» besteht aus einer speziell auf den Song abgestimmten Choreografie aus Schrittfolgen: «Walk, walk, cross, rock, side, rock», spricht die Tanzlehrerin vor und führt dazu die passenden Bewegungen aus.
Alle Kommandos sind auf Englisch, aber das ist keine echte Hürde, denn das Meiste geht ohnehin übers Visuelle – sprich: Abschauen! Die besondere Schwierigkeit beim Line Dance: Alle Bewegungen müssen synchron zueinander sein. In einer oder mehreren Reihen tanzen die Teilnehmerinnen die Schritte parallel: «Ein gutes Hirntraining», sind sich die Frauen einig. Sie haben ausserdem noch einen weiteren Punkt gemeinsam: Ihre Männer haben entweder keine Lust zu tanzen oder schlicht keine Zeit: «Es ist schwierig, einen Tanz zu finden, den man einzeln tanzen kann», erklärt Franziska Stutz aus Rütihof. Die anderen nicken zustimmend. «Und man kann es bis ins hohe Alter machen», ergänzt eine andere Teilnehmerin. Die Gemeinschaft in der Gruppe schätzen die Frauen ebenfalls: «Wir gehen ein bis zweimal im Monat zusammen essen», erzählt Theresia Meier aus Remetschwil. Dann setzen die Damen fürs Foto ihre Cowboyhüte auf und legen wieder los – diesmal zu waschechter Countrymusik.
«Tanzen macht glücklich»
Trudi Peterhans, die in Baden aufgewachsen ist, hat als Mädchen ganz klassisch mit Ballett angefangen: «Danach habe ich viele Jahre Jazz Dance gemacht», erzählt sie im Gespräch. Später arbeitete die gelernte Arztsekretärin als Aerobic Instruktorin, kam noch etwas später zum orientalischen Tanz und landete schliesslich 2009, ähnlich wie ihre Kundinnen, beim Line Dance: «Ich wollte eigentlich mit meinem Mann tanzen, aber er hatte keine Zeit.» Bei einem Schnupperkurs fiel ihr Talent auf und Line-Dance-Lehrerin Barbara Dietsche holte sie zu sich nach Birrhard in ihre Tanzschule. 2014 legte die dreimalige Schweizer Meisterin ihr «Teacher Diplom» beim Dachverband Swiss Country Western Dance Association (SCWDA) ab und wagte im Oktober 2020 mit den «Missouri Linedancers» den Schritt in die Selbstständigkeit. Zuvor hatte sie sich in der Tanzschule «Come 2 dance» in Nesselnbach eingemietet.
Und dann kam Corona
Die Corona-Pandemie sorgte allerdings zunächst für eine Vollbremsung: Zwischen Dezember 2020 und April 2021 durfte gar kein Unterricht stattfinden: «Einige sind auch danach wegen der Maskenpflicht abgesprungen», berichtet Peterhans.
Mittlerweile dürfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der fünf Line-Dance-Kurse (immerhin 20 Prozent sind Männer) aber sogar ohne Zertifikat proben, da sie immer in der gleichen Gruppe trainieren und diese jeweils kleiner als 30 Personen ist. Rund 50 Line Dancer treffen sich derzeit insgesamt von Dienstag bis Donnerstag. Und: Es gibt nach wie vor freie Kursplätze.
Anfänger sind willkommen
Besondere Fähigkeiten muss man als Neuling nicht mitbringen: «Menschen, die ein bisschen Taktgefühl besitzen oder schon einen Tanzkurs gemacht haben, haben es einfacher», gibt die Instruktorin zu. Hauptsächlich gehe es dabei aber ums Zählen – der Takte nämlich: «Zuerst lernt man die Schritte, dann die Takte», erklärt Peterhans. In der Regel habe ein Tanz 32 Schritte, es gebe aber auch 64 und mehr. Die Möglichkeiten bei den sogenannten «Motions» sind ausserdem unendlich. Es gebe tatsächlich sogar Line Dances mit Samba-, Polka- oder Walzerbewegungen.
Ein gutes Gedächtnis kann beim Line Dance übrigens trotz allem nicht schaden. Schliesslich lernen die Teilnehmerinnen jedes zweite Mal einen neuen Tanz. Und wer glaubt, die 80 Tänze der Damentruppe mit dem vielklingenden Namen «Amazonas» seien bereits viel, den überrascht Trudi Peterhans abermals: «Ich habe bisher schon 678 Tänze gelernt.»
Michael Lux