Ihre grosse Stärke: Freundliches Auftreten
15.10.2021 Mellingen, Region ReusstalMit einem Realschulabschluss war es nicht einfach eine Lehrstelle zu finden. Chiara Bagordo (18) hat die Chance genutzt, die ihr der Lehrbetrieb bot. Sie absolviert mit viel Elan die KV-Lehre bei der Bänziger + Zollinger GmbH.
Freundlich und ...
Mit einem Realschulabschluss war es nicht einfach eine Lehrstelle zu finden. Chiara Bagordo (18) hat die Chance genutzt, die ihr der Lehrbetrieb bot. Sie absolviert mit viel Elan die KV-Lehre bei der Bänziger + Zollinger GmbH.
Freundlich und mit einem Lachen empfängt sie den «Reussbote» für das Interview. Eine selbstbewusste junge Frau. Chiara Bagordo war nicht immer so. «Ich war zu Beginn der Lehre unsicher und schüchtern», sagt sie. Inzwischen bekommt sie viele Komplimente, dass sie Kundinnen und Kunden am Telefon oder persönlich im Geschäft freundlich und kompetent begrüsst. Bereits ein halbes Jahr nach Lehrbeginn durfte sie das Telefon bedienen. «Ich hatte zu Beginn Angst, wenn das Telefon klingelte», sagt sie. «Man weiss nie, was einen erwartet.» Inzwischen hat sich das geändert. Der Telefondienst ist zu einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen geworden. Sie will auch im späteren Berufsleben Kontakt zu Kundinnen und Kunden haben.
Biss braucht es für Lehre
Ihr Lehrbetrieb, die Bänziger + Zollinger GmbH, unterstützt sie seit dem ersten Tag des Lehrantritts, damit sie ihre dreijährige KV-Lehre im B-Profil gut absolvieren kann. «Uns ist es wichtig, dass die Lernenden die Zusammenhänge im Betrieb verstehen und dieses Wissen in ihren Arbeitsalltag integrieren», sagt Martin Zollinger, Geschäftsführer der Bänziger + Zollinger GmbH. Anhand von Praxisbeispielen, etwa bei rechtlichen Fragen oder Mängeln, werden die Themen der Berufsschule im Betrieb veranschaulicht. Chiara Bagordo darf zwischendurch mit einem der Sicherheitsberater auf Kontrolle, wo sie dessen Arbeit hautnah miterleben kann. So werden die Verbindungen zwischen der Administration und dem Aussendienst sichtbar. «Ich kann inzwischen schon sehr anspruchsvolle Arbeiten erledigen. Letztens erst durfte ich ein eigenes Projekt übernehmen, bei welchem ich natürlich noch Unterstützung aus dem Team erhalte», sagt sie. Das bedeute aber auch, dass sie viel Einsatz, Verantwortungsbewusstsein und Durchhaltewillen zeigen müsse. Und sie gibt nicht nur vollen Einsatz im Lehrbetrieb, sondern auch in der Berufsschule. «Man muss dranbleiben und sich drei Jahre lang auf sein Ziel fokussieren», sagt sie. Das bedingt auch, dass mehrere Stunden in der Woche fürs Lernen eingeplant werden. Wichtig sei aber ebenfalls ein guter Ausgleich zwischen Frei- und Lernzeit. «Es ist eine Investition in meine Zukunft», sagt sie. Auf die Abschlussprüfungen im Frühjahr will sie deshalb noch einen Zahn zulegen. «Ich werden dann auch vermehrt am Wochenende und in den Ferien lernen», sagt sie. Wo sie nach der Ausbildung arbeiten wird, ist noch offen. Für eine zukünftige Anstellung sei es wichtig, sich mit guten Noten und einem positiven Arbeitszeugnis abzuheben. Zuerst wolle sie als Kauffrau arbeiten und später noch eine Weiterbildung anhängen.
Viele Bewerbungen geschrieben
Chiara Bagordo kam direkt nach der sechsten Klasse aus Deutschland in die Schweiz. Mit dem Wechsel an die Oberstufe war ihr kein einfacher Start beschert. Eingeteilt wurde sie in die Real. Der baldige Beginn mit der Berufswahlvorbereitung kam für sie überraschend, da in Deutschland das Abitur oft einer Berufsausbildung vorgezogen wird. Bereits nach dem ersten Schnuppern in einem Büro, wusste sie, dass sie diesen Berufszweig einschlagen möchte. Das Ziel eine KV-Lehrstelle zu bekommen, verfolgte sie daraufhin mit viel Beharrlichkeit. Ihr war klar, mit einem Realschulabschluss würde sie es gegen Absolventen aus der Sek oder Bez nicht einfach haben. «Ich habe viele Bewerbungen verschickt», sagt sie. Sie konnte sich zwar oft vorstellen, eine Anstellung aber blieb aus. Und dann klappte es doch. Martin Zollinger sah nach dem Schnuppern das Potenzial in ihr. Der gelernte Elektroinstallateur wagte 2002 den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete die Bänziger + Zollinger GmbH. Als ehemaliger Berufsschullehrer setzt er sich schon lange für eine gute Ausbildung von zukünftigen Fachkräften ein. Somit ist es für ihn, seine Frau Silvia Zollinger, Leitung Administration und seinen Sohn Daniel Zollinger, Stv. Geschäftsführer, eine Herzensangelegenheit jungen Menschen eine Chance auf eine Ausbildung zu ermöglichen. Vor allem in Anbetracht dessen, dass die Bänziger + Zollinger GmbH als einzige Firma im Bereich der Elektroberatung in der Umgebung eine kaufmännische Ausbildung anbietet.
Lehre ist eine gute Lebensschule
«Die Voraussetzungen für jemanden mit einem Realabschluss sind sicher erschwert», sagt Martin Zollinger. Auch im Lehrbetrieb müsse jeweils die Unterstützung auf die Bedürfnisse des Lernenden angepasst werden. Bei der Bänziger + Zollinger GmbH werden Lernende von Lehrlingsbetreuer Daniel Zollinger sowie vom ganzen Administrations-Team begleitet. «Eine Lernende oder ein Lernender mit einer guten schulischen Grundlage hat es oft leichter in der Berufsschule. Nichtsdestotrotz bevorzuge ich Einsatzwille und Engagement, da man nie weiss, wie sich die Jugendlichen während der Lehrzeit entwickeln», sagt Martin Zollinger. Bei der Auswahl eines Lernenden stehen bei ihm deshalb nicht die Noten an erster Stelle. Wichtiger sei die Sozialkompetenz, die Bereitschaft zu lernen und ob jemand selbstständig arbeiten kann. Die Selbstständigkeit sowie Verantwortungsbereitschaft werden dann auch während der Lehre aktiv im Betrieb gefördert. Wichtig sei aber auch, dass Lehrbetriebe Stützkurse organisieren, sollte ein Bereich der Lehre nicht abgedeckt werden. «Wir haben die Buchhaltung ausgelagert», sagt er, «weshalb unsere Lernenden in einem anderen Betrieb ein Praktikum machen können». Trotz der aktuell hohen Lehrabbruchquote und der eigenen Herausforderungen war es für Chiara Bagordo nie ein Thema aufzugeben. «Das zweite Lehrjahr war für mich sehr anstrengend. Jetzt nach den Sommerferien und im dritten Lehrjahr, sehe ich wieder ein Licht am Ende des Tunnels», sagt sie. Das oft beschriebene Tief im zweiten Lehrjahr hat sie überwunden – der Lehrabschluss ist in Sichtweite. Die Motivation bis zur Abschlussprüfung alles zu geben ist ungebrochen.
Debora Gattlen



