Die Wunden einer ganzen Legislatur
30.11.2021 Mellingen, Region ReusstalWarum nicht gleich? Die Gründe für das Fehlen eines Antrags, der eigentlich gängiger Praxis entspricht
Die Gräben im Gemeinderat sind tief. So tief, dass zwei betroffene Gemeinderäte nicht über ihren eigenen Schatten springen konnten. Dennoch wird ...
Warum nicht gleich? Die Gründe für das Fehlen eines Antrags, der eigentlich gängiger Praxis entspricht
Die Gräben im Gemeinderat sind tief. So tief, dass zwei betroffene Gemeinderäte nicht über ihren eigenen Schatten springen konnten. Dennoch wird Gemeindeammann Bruno Gretener Ehrenbürger werden.
Den Antrag auf Ehrenbürgerrecht für Bruno Gretener und seine Frau Kathrin hatte man vergangene Woche an der Gemeindeversammlung in Mellingen vergeblich auf der Traktandenliste gesucht. Zwar war die Liste lang und bot genug Stoff für Diskussionen («Reussbote», 26. November). Dieses Geschäft aber fehlte. Dabei ist es in Mellingen, wie in vielen anderen Gemeinden auch, durchaus Usus, langjährigen Ammännern das Ehrenbürgerrecht zu verleihen – üblicherweise in Mellingen nach zwölf Jahren Amtszeit als Gmeindeammann.
Zu den Anfängen des Konflikts
Nun ist aber bekannt, dass der Himmel im Mellinger Gemeinderat aktuell nicht voller Geigen hängt. Im Gegenteil. Zwischen dem Gemeinderat, beziehungsweise Gemeindeammann Bruno Gretener, und Beat Gomes war es bereits zu Beginn der Legislatur zu Differenzen gekommen. Werfen wir also einen kurzen Blick zurück, auf die Anfänge dieser Legislatur. Vertrauliche Informationen waren damals an die Öffentlichkeit gelangt. Der Mellinger Gemeinderat hatte daraufhin bei der Staatsanwaltschaft Meldung wegen Amtsgeheimnisverletzung eingereicht. Im Zentrum stand als Verdächtiger Beat Gomes. Gomes hatte den Vorwurf stets dementiert. Dennoch wurde ihm vom Gemeinderat vorübergehend ein Teil seiner Ressorts entzogen. Die Staatsanwaltschaft fand, nachdem sie eine Untersuchung eröffnet hatte, keine Belege für eine Amtsgeheimnisverletzung und stellte 2019 das Verfahren ein.
Seither gestaltete sich die Zusammenarbeit im Gemeinderat zunehmend schwierig für alle Beteiligten. Vizeammann René Furter und Gemeindeammann Bruno Gretener hatten schliesslich beschlossen, im Herbst nicht mehr zu den Gesamterneuerungswahlen anzutreten. Wenig später kam es auch zum sofortigen Rücktritt von Gemeinderat Roger Fessler. Dessen Ressort und Aufgaben übernahm in der Folge Beat Gomes.
Das fehlende Traktandum
Damit sind wir zurück bei der jüngsten Mellinger Winter-Gmeind, deren Traktanden jeweils durch den Gemeinderat festgelegt werden. Im Vorfeld der Gemeindeversammlung lag es somit an Beat Gomes, René Furter und Györgyi Schaeffer, das Ehrenbürgerrecht für das Ehepaar Gretener zu beantragen und zu traktandieren.
Warum es nicht dazu kam, erklärt auf Anfrage Gemeinderat Beat Gomes. «Wie kann ich für jemanden das Ehrenbürgerrecht beantragen», fragt er, «der gegen mich eine Untersuchung wegen Amtsgeheimnisverletzung angestrengt und mich von meinen Ämtern enthoben hatte?» Das Verfahren sei von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden, die Verdächtigungen ihm gegenüber hätten sich als haltlos erwiesen. Worte des Bedauerns, sagt Gomes, habe er vom Gemeinderat nie gehört.
Auf eine Stellungnahme verzichten möchte Györgyi Schaeffer. Die Geschichte sei zu komplex. Sie beinhalte Internas aus dem Gemeinderat, die nicht an die Öffentlichkeit gehörten. «Es ist so viel passiert», sagt sie. Sowohl Gomes als auch Schaeffer bezeichnen ihr Handeln als konsequent. Die ständigen Konflikte und Intrigen im Gemeinderat hätten letztlich zum persönlichen Entscheid geführt, den Antrag nicht zu stellen.
Verschoben, nicht aufgehoben
Es dürfte sich dabei lediglich um eine Frage der Zeit handeln. Der ehemalige Gemeindeschreiber Ernst Pelloli hatte nämlich an der Gemeindeversammlung einen Überweisungsantrag eingereicht, der von der Gmeind unter grossem Beifall gutgeheissen worden war. Das Ehrenbürgerrecht könnte dem Ehepaar Gretener somit an der nächsten Gemeindeversammlung verliehen werden.
Den demokratischen Prozess und dieses Vorgehen respektieren sowohl Györgyi Schaeffer als auch Beat Gomes. «Der Antrag wird sauber aufgeführt und traktandiert», sagt Schaeffer. Und dann soll Gemeindeammann Gretener auch gefeiert werden. «Er hat durchaus seine Verdienste, die gewürdigt werden sollen», lässt auch Gomes verlauten.
«Ich fand es eher unglücklich»
Hört man sich bei den Ortsparteien um, so heisst es von Seiten der «Mitte» (vormals CVP), dass die Spielregeln in Mellingen eigentlich klar seien. Nach zwölf Jahren erhalte man das Ehrenbürgerrecht. Hanspeter Koch, Präsident der Ortspartei «Die Mitte» sagt, er begrüsse diese Praxis. «Ich fand es eher unglücklich, dass der Antrag nicht traktandiert worden war.» Gemeindeammann Bruno Gretener habe das Ehrenbürgerrecht verdient. Wünschenswert sei jetzt vor allem, dass die Grabenkämpfe aufhören.
Hans Dietemann, langjähriger FDP-Gemeinderat, ist hingegen überzeugt, dass das Theater noch nicht beendet ist. Die FDP, meint er denn auch, warte an der Seitenlinie.
Heidi Hess