Eine Saat, die buchstäblich bald aufgehen soll
05.11.2021 Region ReusstalNachhaltigkeitsprojekt: Die Bibliotheken von Niederwil, Mellingen und Mutschellen richten eine gemeinsame Saatgutbibliothek ein
Die neue Saatgutbibliothek funktioniert als unentgeltliches Tauschsystem. Jeder soll dort Sämereien deponieren und mitnehmen können. Das ...
Nachhaltigkeitsprojekt: Die Bibliotheken von Niederwil, Mellingen und Mutschellen richten eine gemeinsame Saatgutbibliothek ein
Die neue Saatgutbibliothek funktioniert als unentgeltliches Tauschsystem. Jeder soll dort Sämereien deponieren und mitnehmen können. Das Vernetzungsprojekt startet offiziell im Frühjahr. Aber schon jetzt kann jeder Samen von Blumen, Gemüse, Kräutern und Wildpflanzen abgeben.
Die Idee einer gemeinsamen Saatgutbibliothek sei als Vernetzungsprojekt während der Ausbildung zur Bibliothekarin entstanden, erzählt Andrea Wagenhofer von der Schul- und Gemeindebibliothek in Niederwil. Edith Schwarz von der Bibliothek Mellingen habe sie schon vorher gekannt und schon länger mit ihr zusammengearbeitet, Claudia Schellenberg aus Mutschellen habe sie bei einem gemeinsamen Kurs kennengelernt: «Wir gärtnern alle drei gerne. Bei der Recherche sind wir dann auf das Thema gestossen.» In Deutschland, der Westschweiz und beispielsweise in Langenthal gebe es bereits Saatgutbibliotheken, in denen jeder Sämereien bringen und holen könne: «Es geht darum, die Leute für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und regionale Pflanzenvielfalt und Biodiversität zu fördern», erklärt die Bibliothekarin. Denn erlaubt ist in der Saatgutbibliothek nur selbst vermehrtes beziehungsweise geerntetes Saatgut oder gekauftes Bio-Saatgut, aber keine Hybridsorten: «Wir möchten gerne, dass alte und robuste Sorten wieder mehr wertgeschätzt werden», ergänzt Andrea Wagenhofer. Diese seien besser an die lokalen Gegebenheiten angepasst, während Hybridsorten zwar perfekt seien, zum Weiterzüchten aber nicht geeignet sind, da sie ihre Eigenschaften verlören. Zum Start des Projekts müssen die Bibliothekarinnen zunächst selbst Samen zukaufen, bis der Tauschkreislauf in Gang kommt. Wer jetzt im Herbst Sämereien geerntet hat und diese vorbeibringen will, kann das aber gerne tun und damit einen Grundstock für die Saatgutbibliothek legen. Es spiele dabei keine Rolle, ob man diese in einem Briefumschlag oder im Glas vorbeibringt. Alternativ könne man sie auch per Post schicken. Die Bibliothekarinnen in Niederwil, Mellingen und Mutschellen füllen die eingesandten Samen anschliessend in selbst gebastelte, beschriftete Tütchen.Diese liegen später zum Mitnehmen in der Bibliothek aus. «Die Tütchen werden aus alten Gartenzeitschriften gebastelt», berichtet Wagenhofer. Das passt zum Nachhaltigkeitsgedanken, der den Gründerinnen besonders wichtig ist. Ihr Projekt ist Teil der Kampagne «Biblio 2030» mit welcher der Verband Bibliosuisse einen kleinen Beitrag leisten will, die Ziele der UNO zu einer nachhaltigen Entwicklung der Welt umzusetzen.
Saatgutbibliothek als Treffpunkt
Läuft das Projekt richtig an, sollen die Hobbygärtner im Frühjahr Samen in der Saatgutbibliothek abholen können, diese im eigenen Garten oder im Pflanzenkübel anbauen und im Herbst das gewonnene Saatgut wieder deponieren. So entsteht nicht nur ein geschlossener Kreislauf, im Idealfall wird die Bibliothek dadurch zum Treffpunkt, an dem sich die Menschen austauschen können. Dabei sollen unter anderem Veranstaltungen helfen, die das Projekt begleiten. Ende Februar und Anfang März finden zum Start in Widen und Mellingen Workshops statt. Thema: «Wer und was steckt hinter unserem Saatgut und wie lassen sich Sorten retten.» «Die Idee ist, dass wir jedes Jahr einen gemeinsamen Anlass haben, an dem sich die Leute treffen können», erklärt Andrea Wagenhofer, die gerade noch dabei ist, eine Ecke ihrer Bibliothek für die Saatgutbibliothek herzurichten. Die Körbchen für die Samentütchen hat sie bereits parat. Wer jetzt Lust bekommen hat, mitzumachen und «mit den Händen in der Erde zu wühlen und den Pflanzen beim Wachsen zuzusehen», wie es in der Broschüre heisst, der findet alle weiteren Infos unter niederwil. ch/saatgutbibliothek, beziehungsweise auf den Seiten der anderen teilnehmenden Bibliotheken.
Michael Lux