Weihnachtsgeschichte
17.12.2021 Region ReusstalWir schreiben zusammen eine Weihnachtsgeschichte
1. Teil, Redaktion
Francesco ist 75 Jahre alt, stammt ursprünglich aus Kalabrien. Seit 50 Jahren wohnt er im aargauischen Reusstal. Vor zwei Jahren ist seine Frau ganz unerwartet gestorben. Martha. Seither ...
Wir schreiben zusammen eine Weihnachtsgeschichte
1. Teil, Redaktion
Francesco ist 75 Jahre alt, stammt ursprünglich aus Kalabrien. Seit 50 Jahren wohnt er im aargauischen Reusstal. Vor zwei Jahren ist seine Frau ganz unerwartet gestorben. Martha. Seither spricht er nicht mehr viel. Seine Kinder Gian-Nicola, 45 Jahre alt, und Luana, 43 Jahre alt, wohnen beide in Baden. Zu Weihnachten kommen sie dieses Jahr nicht zu Besuch. Eines Morgens steht Francesco am Fenster und sieht draussen auf der verschneiten Tanne ein Vögelchen sitzen …
2. Teil, zusammengefasst aus den Einsendungen von Markus Jost, Corinne Mahler, Edith Nielsen, Vroni Peterhans, Suz Ana Senn, Isabel Steiner und Max Vogt. Die vollständigen Texte finden Sie auf der Webseite: reussbote.ch
Francesco wurde klar, dass er nicht weiss, was für ein Vogel es ist. Er sucht das Vogelbuch von Martha und denkt: Du hast sie alle gekannt, oft wolltest Du mir den einen oder andern zeigen – ich aber sagte jeweils: Ach, lass mich in Ruhe den «Reussbote» lesen! Jetzt tut ihm dies leid. Noch immer sitzt das Vögelchen dort auf dem verschneiten Ast. Seltsam, denkt Francesco, es schaut mich unverwandt an. Francescos Gedanken reisen zurück in seine Kindheit. Trotz der Sparsamkeit jener Zeit, durften am Weihnachtsbaum die farbigen Vögelchen nie fehlen, für jedes Familienmitglied eines. Diesen Brauch aus der alten Heimat hatten seine Martha und er weiter gepflegt. Aber seit Marthas Tod hat er keine Weihnachtsdekoration mehr angerührt. Der Vogel draussen scheint ihm etwas sagen zu wollen. Plötzlich fliegt das Vögelchen weiter und setzt sich auf einen anderen Fenstersims – gleich gegenüber von Francescos Fenster. Gespannt schaut er zum anderen Fenster hinüber. Schon interessant, jetzt wohnt Francesco bereits seit ganz vielen Jahren hier, aber das Fenster gegenüber war ihm noch gar nie richtig aufgefallen. Was für schöne Vorhänge dort montiert sind und überhaupt, die Fensterläden haben eine so spezielle Farbe. Auf einmal bewegen sich die Vorhänge und siehe da, ein kleiner Junge guckt neugierig hinter den buntgestreiften Vorhängen hervor. Er muss wohl auf einem Hocker stehen, denn vom Alter her kann er höchstens drei Jahre alt sein. Plötzlich findet sich Francesco in der Vergangenheit wieder. Damals, als sein Sohn Gian-Nicola in diesem Alter war. Es überkam ihn ein wohliges Gefühl, gedankenversunken spürt er auf einmal den festen Händedruck seines Söhnchens und dann eine innige Umarmung – damals, als der Kleine bei der Geburt seines Schwesterchens Luana diese berührenden Worte sprach: «Sag mal Papa, wirst Du mich jetzt immer noch gleich lieb haben?» und ein Tränchen kullerte dem kleinen «Spatz» über die gerötete Wange. Es erweckt einen Funken von Freude in seiner Einsamkeit. Leise eilt Francesco in die Küche, sicher gibt es noch einige Körner oder Haferflocken im Küchenschrank. Das Vögelchen hüpft auf der verschneiten Tanne aufgeregt hin und her. Francesco öffnet das Fenster und streut behutsam einige Reiskörner auf die Fensterbank. Zu seiner Überraschung fliegt das Vögelchen nicht weg. Im Gegenteil, es fliegt direkt auf den Fenstersims. An seinem linken Beinchen trägt das kleine Vögelchen eine kleine Metallhülse mit sich. Bemerkenswert, denkt er. Das Vögelchen sieht ja nicht wirklich wie eine Brieftaube aus! Francesco denkt, wäre ich doch nur ein Vögelchen, dann könnte ich zu meiner Martha fliegen und mit ihr im Himmel Weihnachten verbringen. Er hält dem Vögelchen seine Hand hin und es hüpft darauf. Nun kann Francesco problemlos die Metallhülse öffnen. Darin – ein kleines Zettelchen! Neugierig faltet der Mann das Zettelchen auf. Darauf steht in einer ihm sehr vertrauten Handschrift geschrieben: «Lieber Francesco, ich wünsche Dir schöne Weihnachten. Ich liebe Dich und warte im Himmel auf Dich. Aber vorerst bitte ich Dich, dass Du Dich bei unseren Kindern meldest.» Francesco tagträumt von Martha und seinen Kindern. Plötzlich huscht ein Lächeln über seine Lippen. Nun weiss er, es ist ein Zeichen von Martha, dass er sich vermehrt in der Natur aufhalten und sich mehr unter die Mitmenschen begeben sollte. Also zieht sich Francesco warme Kleidung über und gute Schuhe an. Er spaziert gedankenverloren in den nahen Wald. Es ist ein wunderschöner Wintertag. Plötzlich raschelt es im Untergehölz und, man glaubt es nicht, es steht ein Reh vor ihm.
3. Teil, zusammengefasst aus den Einsendungen von Edith Nielsen, Franziska Sigrist, Markus Jost, Donia Saad (11 Jahre) und Amir Saad (12). Die vollständigen Texte finden Sie auf der Webseite: reussbote.ch
Francesco sieht, dass das Reh eine Bisswunde am Bein hat. Er reisst seinen Schal in zwei
Hälften und möchte die Wunde einbinden. Das Reh spaziert auf ihn zu und bleibt vor ihm stehen. Francesco findet in seiner Tasche noch ein Stücklein Brot. Er streckt es ihm entgegen. Das hungrige Reh nimmt gerne davon. Der Atem in der kalten Luft verwandelt sich in tausend kleine, glitzernde Sternchen. Francesco traut sich nicht, sich zu bewegen. Ist das alles nur ein Traum? Jetzt beginnt das Reh ihn anzusprechen. Seine Worte umhüllen Francesco in eine wohltuende Wärme und er fühlt sich plötzlich nicht mehr alleine.
Das Läuten der Hausglocke beendet leider diesen schönen Moment und führt Francesco wieder in die Realität zurück. Vor der Haustüre liegt ein an ihn adressiertes kleines Paket. Er nimmt das Paket an sich und überlegt, ob er in letzter Zeit Waren bestellt hatte. Gedanklich, voller Spannung am Öffnen des Pakets, sieht er folgende Aufschrift: «Erst an Weihnachten öffnen». Er kommt ins Grübeln und überlegt, von wem er wohl ein so schön verpacktes Päckli erhalten hat.
Seine Gedankengänge werden durch Hundegebell unterbrochen. «Buongiorno Francesco, wie geht es dir?», grüsst die Frau mit dem Hund. «Mir geht es soweit gut, liebe Myrta», entgegnet Francesco. Er denkt für sich, leider geht es mir nicht so gut, ich fühle mich einsam. Myrta, seit rund vier Jahren Witwe, fragt Francesco, ob er morgen auch zum Weihnachtsbaumverkauf bei der Waldhütte komme. Dort gäbe es Punsch, Lebkuchen und Bratwürste. Francesco stimmt sofort zu, obwohl er eigentlich für sich alleine keinen Weihnachtsbaum braucht. «Also dann, bis morgen», strahlt Myrta und geht mit ihrem Vierbeiner weiter. Nun heitert die Stimmung von Francesco merklich auf. Sein Leben füllt sich langsam wieder mit Inhalt.
4. Teil, zusammengefasst aus den Einsendungen von Edith Nielsen, Franziska Sigrist und Donia Saad (11 Jahre). Die vollständigen Texte finden Sie auf der Webseite: reussbote.ch
Noch immer hält er das kleine Paket in der Hand. Er schüttelt es – nichts darin bewegt sich. Also keine Pralinen, denkt er. Vielleicht ein Buch? Aber von wem denn nur? Unter den Baum legen würde er es ohnehin nicht, denn er dachte nicht im Traum daran, einen Baum zu kaufen. Gerne würde er Myrta morgen begleiten, damit sie sich einen aussuchen konnte, und ihn ihr auch heimtragen, das lag so ziemlich in der Luft. – Selber würde er sich jedoch an die Bratwürste und den Punsch halten. Das stand fest. Oder sollte er doch einen Baum kaufen, für den Fall, dass sein Sohn Gian-Nicola oder die liebe Luana vielleicht überraschend doch noch vorbei kämen? Schliesslich wohnen beide in Baden, das ist nicht am Ende der Welt.
Francesco freut sich auf den morgigen Tag. Er eilt mit grossen Schritten nach Hause, denn er will seine Wohnung für Weihnachten auf Hochglanz polieren. Am nächsten Tag treffen sich die beiden um 13 Uhr, um miteinander zum Tannenbaumverkauf zu gehen. Sie kommen an einem Bach vorbei. In dem Moment flitzt ein Eichhörnchen über den Boden. Der Hund bellt wie wild. Myrta hält die Leine ganz fest. Francesco sieht das Auto nicht kommen, das viel zu schnell auf der schneebedeckten Strasse unterwegs ist. Ein dumpfer Schlag nimmt ihm das Bewusstsein.
Er hat lange geschlafen. Als Francesco endlich seine Augen aufschlägt, findet er sich in einem fremden Zimmer wieder. Was war passiert? Sein Bein ist eingegipst und sein Kopf dick eingebunden. Der ganze Körper tut ihm weh. Er versucht seinen Kopf Richtung Fenster zu drehen und – was sieht er da? Auf dem Sims sitzt der kleine Vogel und schaut ihn an …
Für die Fortsetzung der Weihnachtsgeschichte rufen Sie bitte die Webseite www.reussbote.ch auf und klicken oben auf das Banner «Weihnachtsgeschichte». Es öffnet sich ein Fenster, in das Sie Ihre Fortsetzung schreiben dürfen.
Eingeladen dazu sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
Die Redaktion schreibt in der nächsten Ausgabe aus allen Geschichten den nächsten Teil der «Reussbote»-Weihnachtsgeschichte – und so weiter bis Weihnachten.