Wieviel Wasser soll noch in dieses Bad fliessen?
21.12.2021 Mellingen, Region ReusstalDaniel Künzli, Präsident der Genossenschaft Hallenbad, äussert sich zur Minimalvariante bei der Bad-Sanierung und auch zum Defizit
Das Hallenbad ist über 40 Jahre alt und muss saniert werden. Wie diese Sanierung aussehen soll, das bietet Stoff für Diskussionen. Nur ...
Daniel Künzli, Präsident der Genossenschaft Hallenbad, äussert sich zur Minimalvariante bei der Bad-Sanierung und auch zum Defizit
Das Hallenbad ist über 40 Jahre alt und muss saniert werden. Wie diese Sanierung aussehen soll, das bietet Stoff für Diskussionen. Nur Sprengstoff, meint Daniel Künzli, sollte dabei nicht verwendet werden.
Sehen Sie? Hier rinnt es nirgends.» Daniel Künzli, Präsident der Genossenschaft Hallenbad Mellingen, zeigt im Keller auf den Betonkörper, der das 25-Meter-Becken umschliesst. Im Hallenbad, einen Stock höher, wird derweil ins Wasser gesprungen, getaucht oder es werden Längen gecrawlt. Davon aber spürt man unten nichts.
Vorbei an Zufluss- und Abflussrohren geht es die Betonmauer entlang in den Technikraum, wo Steuerung und Filter aus unterschiedlichen Jahrzehnten nebeneinander funktionieren. Auf allerneuestem Stand ist die Steuerung, komplett digitalisiert. Sie wurde vor zwei Jahren für 100 000 Franken ersetzt. Daneben steht Technik, die 25 Jahre, respektive 40 Jahre auf dem Buckel hat. Funktionstüchtig sind alle Maschinen.
«Der Baukörper ist alt»
«Der Baukörper ist alt», bestätigt Daniel Künzli. Aber weder «lottere» das Bad, noch «schiffe es aus jeder Ritze», wie Gemeinderat Beat Gomes im Vorfeld der Wahlen zum Vizeammann in einem Interview gesagt hatte («Reussbote», 12. November). Er sei, sagt Künzli, nach diesem Interview von zahlreichen Hallenbadbesucherinnen und -besuchern auf den Zustand des Bades angesprochen worden. Das Hallenbad Mellingen, betont er, sei in einem guten und vor allem in einem sicheren Zustand: «Jegliche Sorge ist unbegründet.»
Eine umfangreiche Sanierung des 45-jährigen Hallenbades sei dennoch nötig, auch nach den jüngsten Teilsanierungen von Dach und Steuerung. «Das Bad muss dem neuesten Stand der Technik angepasst werden.» Es braucht Anpassungen energetischer Art, Anpassungen zur Erdbebensicherheit des Gebäudes und auch die Fensterfront soll erneuert werden. Im Inneren des Betonkörpers habe sich im Laufe der Zeit zudem Wasser angesammelt, sagt Künzli. Das hätten Messungen ergeben. Auf jeden Fall müssten die Keramikfliesen im Schwimmbecken, die üblicherweise eine Lebensdauer von rund 40 Jahren aufweisen, ersetzt werden. Dafür zieht die Genossenschaft drei unterschiedliche Lösungen in Betracht: Das Becken kann mit einer Folie beschichtet werden – das wäre die kostengünstigste, gleichzeitig aber auch die kurzlebigste Variante. Für Variante zwei wird ein Becken aus Chromstahl eingebaut und bei Variante drei könnten die alten Keramikfliesen durch neue ersetzt werden.
«Wenn jetzt Schäden im Bad entstehen, werden sie repariert», versichert Daniel Künzli. Wegen der geplanten Sanierung sollen nötige Reparaturen zwar ein paar Jahre halten, verzichtet werde zurzeit aber auf aufwendige und kostenintensive Reparaturen.
Die Bevölkerung soll entscheiden
Für die Sanierung sollte den Stimmberechtigten eigentlich ein Projektierungskredit über 250 000 Franken an der Gemeindeversammlung im letzten November vorgelegt werden. Bei der Traktandierung fand dieses Geschäft im Gemeinderat aber keine Mehrheit und somit auch nicht Eingang in die Traktandenliste der Winter-Gmeind. Ab Januar 2022 kann der neue Gemeinderat entscheiden, wie die nächsten Schritte beim Hallenbad aussehen. Dezidiert hatte sich Gemeinderat Beat Gomes im erwähnten Interview geäussert. Er provozierte mit der Aussage «von mir aus kann man das Hallenbad sprengen, weil es eine Fehlplanung war». Im Städtli hat ihm das den Übernamen «Sprengmeister» eingetragen. Ob Sprengen eine Option sein kann, sei dahingestellt.
Sowohl die neu gewählte Frau Gemeindeammann, Györgyi Schaeffer, als auch Beat Gomes vertreten aber die Meinung, dass die Bevölkerung bei einer so grossen Investition mitbestimmen soll. Die Stimmberechtigten sollen gefragt werden, was mit dem Hallenbad geschieht. Aus verschiedenen Varianten mit unterschiedlichem finanziellem Aufwand sollen sie sich für ein Hallenbad entscheiden können, das 6, 10 oder gar 15 Millionen Franken kostet – sollte denn auch ein Freibad mitgeplant werden.
Überrascht über die Varianten
Überrascht über dieses variantenreiche Vorgehen ist allerdings Daniel Künzli. Zumal Gemeinderat Beat Gomes zu Beginn der laufenden Legislatur, also in den Jahren 2018 und 2019, als Gemeinderatsmitglied im Vorstand der Hallenbadgenossenschaft vertreten war. In diese Zeit, sagt Künzli, falle auch die Diskussion und die Planung der notwendigen Sanierung. Damals sei man sich über die gemeinsame Zielsetzung einig gewesen: Keine Attraktivitätssteigerung und auch keine Erweiterung des Hallenbades. In der Folge setzte man auf die Minimalvariante, auf eine Sanierung des Bades für 6 Millionen Franken. Ein Aussenpool sei in der Genossenschaft zwar immer wieder thematisiert worden, sagt Künzli. «Immer aber lautete das Fazit: Das rentiert nicht.» Die Kosten mit einem Freibad steigen sowohl beim Unterhalt wie auch beim zusätzlichen Personalbedarf, zunehmen würde auch das Defizit. Dies alles, ergänzt er, wäre wohl auch nur mit einer dauerhaften Steuerfuss-Erhöhung von mindestens 5 bis 10 Prozent zu haben. Als Bruno Gretener als Vertretung des Gemeinderates in der Genossenschaft auf Beat Gomes folgte, wurde die Planung mit der Minimalvariante für 6 Millionen Franken fortgesetzt.
«Der Preis muss fair bleiben»
Natürlich könne man erneut über ein Freibad diskutieren, meint der Präsident der Hallenbadgenossenschaft. Zu bedenken gibt er aber: Ohne Hallenbad geht es nicht.
Das Hallenbad – in den 1970er-Jahren als Schulbad konzipiert (siehe Kasten), ähnlich wie die gut ausgelasteten Bäder in Bremgarten, Seon oder Spreitenbach – sei keine Fehlplanung. «In der Region erfüllt es seine Anforderungen als Schulbad vollumfänglich». Eine wichtige Rolle spielt heute auch der Lehrplan 21 der Aargauer Volksschule. Dieser neue Lehrplan schreibt vor, dass Schülerinnen und Schüler «sicher schwimmen, fuss- und kopfwärts ins Wasser springen und sicher tauchen können. Sie können eine Situation im, am und auf dem Wasser bezüglich Sicherheit einschätzen und in Gefahrensituationen verantwortungsbewusst handeln.» In der Region schicken die Schulen der Vertragsgemeinden Birr, Birrhard, Tägerig, Mägenwil, Stetten, Remetschwil, Künten und Mellingen-Wohlenschwil die Mädchen und Buben ins Mellinger Hallenbad. Das wiederum bringt dem Hallenbad insgesamt 160 000 Franken für die Benutzung der Wasserfläche, respektive die Miete der Schwimmbahnen ein. «Der Preis muss für die Gemeinden fair bleiben», meint Künzli.
Das Defizit deckt die Gemeinde
Das Mellinger Bad ist sehr gut ausgelastet. Es ist überdies ein beliebtes Familienbad und es werden hier auch zahlreiche Kurse angeboten. Die Liste reicht von Aqua-Fit über Behinderten-Sport, zahlreiche Schwimmkurse und Tauchclub-Angebote bis zur Schwimmschule der Meerjungfrauen. Kursanbieter zahlen 54 000 Franken im Jahr an Miete für die Nutzung der Wasserfläche. Hinzu kommen die Einnahmen aus Bad (230 000 Franken) und Sauna (80 000 Franken). Der Einzeleintritt für einen Erwachsenen liegt bei 6 Franken. «Mehr liegt kaum drin», sagt Künzli.
Einem Ertrag von rund 540 000 Franken steht ein Betriebsaufwand von knapp 630 000 Franken (inklusive Personal) gegenüber. Das Betriebsdefizit beläuft sich auf 90 000 Franken. Dieses Defizit deckt die Gemeinde.
Heidi Hess
Das «Halibaba-Fäscht» im Mai 1974
Vor über 50 Jahren plante Mellingen sein Hallenbad, gleichzeitig mit der neuen Schul- und Sportanlage «Kleine Kreuzzelg». In Mellingen wuchs damals nämlich die Bevölkerung und mit ihr auch die Anzahl Schulkinder.
Anlässlich der Einweihungsfeier im Juni 1976 wird im «Reussbote» die Baugeschichte der «Kleinen Kreuzzelg» aufgerollt: Ende der 1960er-Jahre hatte die Planungskommission festgestellt, «dass für die Entwicklung der Gemeinde ein Schulhaus mit zwölf Klassenzimmern, eine Turnhalle mit Sportanlage und wenn möglich, das langersehnte Hallenbad gebaut werden müssen». In der Kleinen Kreuzzelg ist die Gemeinde im Besitz von 72 000 Quadratmetern Land. – Nun plante das Städtchen gross.
Von Mut und Verantwortung
Die Mellinger Stimmbevölkerung bewilligte den Baukredit von 10,6 Millionen Franken. Bereits beim Spatenstich hatte Stadtammann Ernst Busslinger die Leistung der Steuerzahler gewürdigt, die den Steuerfuss in einer Höhe von 145 Prozent akzeptiert und Mut und Verantwortung für ein so grosses Bauwerk gefunden hatten. Von einer «mutigen Tat» sprach damals auch Hans Peterhans, Stadtrat und Präsident der Baukommission. Denn mit dem Bau der neuen Anlage habe sich die Bevölkerung bereit erklärt, «für das Wohl unserer Jugend hohe Opfer auf sich zu nehmen». Der Bund empfahl für Mellingen den Bau eines Hallenbades, weil ein Freibad in dieser Region witterungsbedingt lediglich an 40 bis 50 Tagen im Jahr benutzt werden könne.
Den Architektur-Wettbewerb hatte das Badener Büro Funk und Fuhrimann gewonnen und im Februar 1974 erfolgte der Spatenstich. Anfang Mai 1975 wurde mit dem dreitägigen «Halibaba»-Fest Aufrichte gefeiert und am 12. Juni 1976 konnte die «Kleine Kreuzzelg» als «vorbildliches Schul- und Sportzentrum» eingeweiht werden. (hhs)