(Teil 2 und Schluss)
Da stand ich nun mit überfülltem Rucksack und machte mich auf den Weg. Die (Winter-)Wanderung, die ich vor mir hatte, ist beileibe keine sportliche Challenge, wie es auf neudeutsch heisst. Sie dauert rund vier Stunden, führt auf eine Alp ...
(Teil 2 und Schluss)
Da stand ich nun mit überfülltem Rucksack und machte mich auf den Weg. Die (Winter-)Wanderung, die ich vor mir hatte, ist beileibe keine sportliche Challenge, wie es auf neudeutsch heisst. Sie dauert rund vier Stunden, führt auf eine Alp und ist abseits des Touristenstroms. Wenn man unterwegs drei, vier andere Menschen antrifft, ist dies schon richtig viel. Meistens begegnet einem niemand – nur die Sonne und die Natur pur.
Der Winterweg auf die Alp war im unteren Teil gut präpariert. Mit zunehmender Höhe wurde er etwas holpriger, schneereicher und entsprechend mühsamer zum Begehen. Es zeigte sich wieder einmal, dass mein Entschluss, endlich Wanderstöcke anzuschaffen, richtig gewesen war. Wie lange hatte ich mich doch gegen dieses Hilfsmittel gesträubt! «Wanderstöcke sind etwas für die Alten!», war jahrelang meine Behauptung. Nun habe ich sie, und sie tun ihren Dienst ausgezeichnet. Und da ich ja von mir behaupte, dass ich nicht dauernd nur Mist erzähle, muss ich folgerichtig zugeben: Ich BIN alt.
Also, der Aufstieg zur Alp war schweisstreibend, aber die Vorfreude auf das bevorstehende Picknick trieb mich an. Umso mehr, weil ich von einer früheren Wanderung her wusste, dass mich oben auf der Alp ein Bänkli zum Verweilen erwartete. Keine Touristen-Sitzbank, sondern ein vom Älpler selbst an die Stallwand gezimmertes Brett, auf dem sich prächtig picknicken lässt. Weit und breit die einzige bequeme Sitzgelegenheit dort oben. Mit optimaler Süd/Südwest-Ausrichtung. Noch einige Höhenmeter, dann war es soweit. Ja, und dann erblickte ich zweierlei: «Mein» Bänkli … und ein menschliches Wesen, das sich draufgesetzt hatte! Tatsächlich: Das Bänkli war BE-SETZT! Tja, das war fürs Erste ein veritabler Schock. Doch wie das Leben so spielt: Das Bänkli bot erstens genügend Platz für zwei Personen, zweitens entpuppte sich das menschliche Wesen als charmant-coole Dame, und drittens erwies sich mein gut gefüllter Rucksack als sehr hilfreich. Grosszügig, wie ich eben auch noch hie und da bin, konnte ich der Dame ein Paar Cervelats anbieten. Mit Senf und Brot.
Jean
PS: Wo diese Wanderung stattfand, wollen Sie wissen? Nur so viel: In der Surselva, mehr verrate ich nicht. Sonst ist das Bänkli bald wieder besetzt.