Frauen sollten sich nicht selbst limitieren
25.02.2022 Region ReusstalFrauen in Führungspositionen: Gabriella Maher aus Mellingen ist Doktor der Mathematik, Risikomanagerin und dreifache Mutter
Bei der Berufswahl sollten die persönlichen Leidenschaften im Vordergrund stehen, rät Gabriella Maher. Karriere und Familie würden sich nicht ...
Frauen in Führungspositionen: Gabriella Maher aus Mellingen ist Doktor der Mathematik, Risikomanagerin und dreifache Mutter
Bei der Berufswahl sollten die persönlichen Leidenschaften im Vordergrund stehen, rät Gabriella Maher. Karriere und Familie würden sich nicht ausschliessen: «Es ist möglich, beides zu haben und gut darin zu sein», erklärt die Managerin.
Nach den gängigen Vorurteilen ist Mahers persönliche Leidenschaft wohl mehr als untypisch für eine Frau. Ihr Herz schlägt für die Mathematik: «Ich habe immer gerne Probleme und Gleichungen gelöst», erklärt die heute 54-Jährige, die ursprünglich aus Italien stammt und in Rom und Perugia Mathematik studiert hat. «Ich habe dabei aber nicht an die Karriere gedacht», gibt sie zu. Sie rät jungen Frauen, die beruflich erfolgreich sein wollen, ebenfalls ihren Leidenschaften zu folgen: «Wenn man eine Leidenschaft für etwas hat und gut darin ist, ist es viel einfacher, Zeit und Energie zu investieren», weiss sie. Es sei ausserdem wichtig, eine gute Basis für eine Karriere zu legen: «Es ist nicht ratsam, zu sagen: Ich will möglichst schnell viel verdienen. Manchmal ist der kürzere Weg keine gute strategische Entscheidung.» Dass sich Frauen und Mädchen seltener für Mathematik entscheiden, hängt ihrer Meinung nach weniger mit der Art zusammen, wie Frauen denken, sondern vielmehr mit deren Karriereplänen: «Viele Mädchen entscheiden sich für eine Karriere, die sich einfacher mit einer Familie verbinden lässt. Das ist schade.» Die jungen Frauen schränkten dadurch selbst ihre Möglichkeiten ein, findet Maher. Nachdem sie ihr eigenes Studium begonnen hatte, musste sie zunächst feststellen, dass dieses nicht nur Leidenschaft, sondern darüber hinaus auch jede Menge Disziplin und Ausdauer verlangte.
Eine lohnende Investition
Insgesamt zehn Jahre dauerte es, bis Maher ihr Studium mit dem Bachelor und Master of Science abschloss und ihren Doktor in Finanzmathematik in der Tasche hatte: «Die grosse Investition an Zeit und Mühe ist ein Grund, warum Karriere für mich wichtig ist», erklärt Maher, was sie antreibt. Das durch ein Stipendium ermöglichte Doktorat sollte eigentlich in eine Universitätskarriere münden. Dann kam der Zufall ins Spiel: Ein Headhunter holte sie zu einem Finanzdienstleister in die Schweiz: «Ich habe gedacht, ich probiere es für ein paar Monate», erinnert sich Maher. Doch sie und ihr Mann, der als Sprachwissenschaftler eine Anstellung fand, hätten sich hierzulande sofort wohl gefühlt. Auch mit der Karriere ging es stetig bergauf. Mittlerweile arbeitet die Mathematikerin seit über 20 Jahren in Kaderpositionen im Risikomanagement, unter anderem für die Schweizerische Rückversicherung (Swiss Re) und die Credit Suisse. Sie und ihr Team erstellen Modelle und Analysen zur Risikobewertung von Märkten und Unternehmen. Die Besonderheit: Ihre Mitarbeiter sind ausschliesslich Männer. Doch das habe sie nie als Problem empfunden, erklärt Maher: «Ich habe das Gefühl, es hat weniger mit Männern oder Frauen zu tun, als mit der jeweiligen Jobkultur», findet sie. An jedem Arbeitsplatz gebe es eine gewisse Kultur und Politik, an die man sich anpassen müsse. Das erfordere Flexibilität. In ihrem Beruf sei die Herausforderung eher die Kommunikation: «Besonders wo Mathematiker und Physiker arbeiten, vergessen wir oft, wie wichtig das ist», erklärt Maher. Das habe auch viel mit Sensibilität zu tun. Dass Frauen deshalb besser kommunizieren, möchte Maher aber nicht generell bestätigen. Im Gegenteil: Sie habe bei diesem Thema eher Probleme mit anderen Frauen gehabt. Als Chefin setzt Maher auf gegenseitiges Vertrauen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter: «Ich bin keine Mikromanagerin, ich vertraue den Leuten und versuche, sie unabhängig Probleme lösen zu lassen», beschreibt sie ihren Führungsstil.
Familie und Karriere vereinen
Immer wieder betont die Mutter zweier erwachsener Söhne und einer 13-jährigen Tochter, dass Familie und Karriere sich sehr wohl vereinbaren liessen: «Es ist ein Frage der Organisation», erklärt sie. Sie habe aber auch immer das Glück gehabt, Arbeitgeber zu finden, die flexibel gewesen seien: «Ich habe schon vor 20 Jahren bei einem 100-Prozent-Pensum ein- oder zweimal in der Woche Homeoffice gemacht.» Ihr sei es immer wichtig gewesen, auch für ihre drei Kinder da zu sein. Daher habe sie auch versucht, die Anzahl Sitzungen nach 17 Uhr zu begrenzen. Neben der Unterstützung ihres Mannes, hatte sie zudem Hilfe von einer professionellen Kinderbetreuung. Ihren Kindern scheint es nicht geschadet zu haben: «Sie haben auch später nie reklamiert», lacht Gabriella Maher. Ihre beiden Söhne treten ausserdem in ihre Fussstapfen: beide studieren Physik – und beklagen den geringen Frauenanteil. Noch besteht also offensichtlich Aufklärungsbedarf.
Michael Lux
Zur Person
Gabriella Maher (54), ist verheiratet, hat drei Kinder und ist seit über 20 Jahren in Kaderpositionen im Schweizer Banken- und Versicherungswesen tätig. Aktuell ist sie Head of Enterprise Risk Management bei der Credit Suisse. Die in Rom geborene Schweizerin lebt seit 19 Jahren mit ihrer Familie in Mellingen.
Ausbildung
1991 BSc/MSc in Mathematik, Universität La Sapienza, Rom 1996 Doktor (PhD) in Finanzmathematik, Universität Perugia