Sie bringt ihren Schmerz zum Klingen
22.03.2022 Mellingen, Region ReusstalBenefizkonzert-Reihe der in Mellingen lebenden russischen Pianistin Tatiana Radkewitsch für die Ukraine
Sie schickt mit ihren Benefiz-Konzerten «Liebesgrüsse» in die Ukraine. Gefühlvoll brachte sie ihre Ohnmacht gegen den Ukrainischen Krieg in ihrem Klavierkonzert ...
Benefizkonzert-Reihe der in Mellingen lebenden russischen Pianistin Tatiana Radkewitsch für die Ukraine
Sie schickt mit ihren Benefiz-Konzerten «Liebesgrüsse» in die Ukraine. Gefühlvoll brachte sie ihre Ohnmacht gegen den Ukrainischen Krieg in ihrem Klavierkonzert zum Ausdruck.
Die Bilder über den Krieg in der Ukraine mit den vielen toten Menschen werden mir mein ganzes Leben nicht aus dem Kopf gehen», sagt die international bekannte Pianistin Tatiana Radkewitsch zu Beginn des Konzerts. «Es gibt einen Kreis von russischen Künstlern, die sich klar gegen Putin stellen.» Als russische Musikerin habe sie deshalb am 24. Februar, an dem der Krieg in der Ukraine begann, spontan entschieden, den Menschen dort zu helfen. An ihren, vor einem Jahr geplanten, Konzerten in Mellingen verzichtet sie auf ihre Gage. Die Mutter einer dreijährigen Tochter spendet diese vollumfänglich an die Glückskette für die Ukraine. Sie ist fassungslos über die aktuelle Situation. Sie habe in Moskau studiert und viele Mitstudentinnen und -studenten gehabt, die aus der Ukraine kamen. «Wir haben keinen Unterschied zwischen den Ländern gemacht, wir waren alle gleich», sagt sie. Was jetzt mit der Ukraine passiere, sei einfach nur schrecklich. Sie habe durch den Krieg ein zwiegespaltenes Verhältnis zu ihrer Heimat, die sie liebe. Und dieser Schmerz, die Ohnmacht war der Künstlerin anzumerken. Sie hat aber eine Lösung gefunden, um den Schmerz verarbeiten zu können – mit Musik und Spenden an Menschen in der Ukraine.
Beethoven ist aktueller denn je
Das Publikum kam nicht nur in den Genuss der Virtuosität von Tatiana Radkewitsch, sondern genoss auch die vielen Hintergrundinformationen. «An grossen Konzerten habe ich nicht die Gelegenheit, dem Publikum Hintergrundinfos zu den vorgetragenen Klavierstücken zu geben», sagt sie. Das geniesse sie sehr. Spontan erläuterte sie zwischendurch anschaulich mit kleinen Beispielen am Klavier, was sie sagen wollte. «Je schwieriger die Zeiten, desto aktueller ist Beethoven», sagt sie. «In den Sonaten von Beethoven kann man den Konflikt spüren, der in ihm war.» Und das passe zur aktuellen Situation. Sie habe deshalb vier der berühmtesten Sonaten für den Auftakt der Benefizkonzerte gewählt. «Ich spiele sie heute ganz anders als früher», sagt sie. Die Melancholie drückte sie mit der Mondscheinsonate «Sonata quasi una fantasia» aus. «Adagio sostenuto» beschreibe eine aufblühende Blume, die vor einem Abgrund stehe. Und dann war bekanntlich Beethovens unglückliche Liebe und seine Ohnmacht gegenüber seiner zunehmenden Taubheit. «Allegretto» drückt dies aus. Es ist wie ein Protest, wenn man Schweres erlebt, dann aber einen Ausweg findet und sich alles zum Guten wendet. Die letzte Sonate «Presto agitato» erinnere Radketwitsch mit den Trillern daran, dass es etwas gibt, das über allem stehe. Das sei wie ein Gruss aus der Ewigkeit von Beethoven. «Ein Geheimnis in der Kunst», sagt sie. Mit der Musik kann man zum Ausdruck bringen, was sich ausserhalb der Rationalität bewegt. Das Publikum honorierte das Benefizkonzert mit grossem Applaus. Als Zugabe gab es eine Polonaise von Chopin. «Ich finde keine Worte», sagt Katharina Masarik, Mellingen. «Die innere Freiheit, die sie in ihre künstlerische Interpretation legt, ist einfach fantastisch.» Heinz Bisang, Mellingen, fügt an: «Es ist fantastisch, dass man in Mellingen so eine Perle hören kann.»
Debora Gattlen
Weitere Konzerte: 6. Mai in der Aula Annex und am 3. Juni in der kath. Kirche jeweils um 18 Uhr



