«Biss haben und nicht zu blauäugig sein»
03.05.2022 Region ReusstalFrauen in Führungspositionen: Angelika Jahn Wassmer trifft in ihrem Beruf strategische Entscheidungen und organisiert den Alltag mit zwei Kindern
Stillstand kennt Angelika Jahn aus Birmenstorf nicht. Sie liebe neue Herausforderungen, sagt die 44-jährige Bankmanagerin. ...
Frauen in Führungspositionen: Angelika Jahn Wassmer trifft in ihrem Beruf strategische Entscheidungen und organisiert den Alltag mit zwei Kindern
Stillstand kennt Angelika Jahn aus Birmenstorf nicht. Sie liebe neue Herausforderungen, sagt die 44-jährige Bankmanagerin. Organisationstalent und Flexibilität muss die Mutter von zwei Teenagern jeden Tag beweisen – beruflich und privat.
Dass Frauen gleichermassen Karriere machen können, wurde Angelika Jahn, die im Limmattal aufgewachsen ist, schon als Kind vorgelebt: Bereits ihre Mutter habe studiert und sich später als Schriftpsychologin selbstständig gemacht, erzählt sie auf ihrer sonnigen Terrasse am Rande von Birmenstorf. Sie selbst zog es dagegen in die Finanzbranche: «Ich habe immer für Banken gearbeitet, ich kann nichts anderes», lacht Jahn, die sich selbst eher als Praktikerin denn als Theoretikerin sieht. Ihren Bachelor an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich (HWZ) hat sie daher berufsbegleitend abgelegt. Und warum ausgerechnet Banken? «Ich fand das Bankwesen schon immer spannend, weil es sehr international und schnelllebig ist», antwortet Jahn. Es gebe immer wieder neue Trends und Produkte in der Branche. In ihrem Job spricht die Top-Managerin überwiegend Englisch. Immer wieder lässt sie während des Gesprächs englische Begriffe einfliessen – reine Gewohnheit. Eine direkte Übersetzung ihres Titels «Head Front Transformation Programme» gibt es überdies nicht: «Ich kümmere mich um die Weiterentwicklung der Kundenberatung», erklärt sie für den Laien stark vereinfacht. Seit dem Studium hatte Jahn bereits viele Kaderpositionen bei Banken inne – mehrheitlich im «Advisory & Sales». Seit 2016 arbeitet sie bei Julius Baer in Strategischer Position – für sie eine neue Herausforderung: «Das war eine bewusste Entwicklung, um meinen Rucksack zu komplettieren», erklärt sie und denkt bereits an eine Weiterbildung in «Digital-Leadership und Transformation.»
«Durch eigene Leistung überzeugen»
Da liegt die Frage nahe, ob Frauen mehr Qualifikationen mitbringen müssen als Männer, um in eine Führungsposition zu gelangen: «Vor fünf bis zehn Jahren musste man sehr stark kämpfen, um zu zeigen, dass man etwas kann als Frau», erinnert sich Jahn. Heute sei es teilweise hingegen so, dass Frauen eher ausgewählt würden, einfach, weil sie Frauen seien. Jahn findet das schade: «Unsere Branche ist noch dabei zur Normalität zu finden.» Dabei hält sie die Gender-Debatte in diesem Zusammenhang eigentlich für müssig: «Für mich war es immer wichtig, dass ich durch meine Leistung überzeuge und in meinem Job die erste Wahl bin», betont sie. Und wie ist sie selbst so als Chefin? «Ich bin überhaupt nicht autoritär, sehr offen, kreativ und teamorientiert. Ich versuche die Stärken der Leute herauszukitzeln. Eine Prise Humor gehört auch dazu», beschreibt Jahn sich selbst. An grundlegende Unterschiede zwischen Männern und Frauen beim Führungsstil glaubt sie indes nicht. Ausser vielleicht im Umgang mit Gefühlen: «Männer scheuen eher Emotionen als Frauen», findet sie. Frauen hätten daher weniger Probleme, Entscheidungen zu treffen: «Wir müssen jeden Tag Entscheidungen mit den Kindern treffen. Da muss man auch sagen: das Glace bekommst du jetzt nicht.»
Managerin im Beruf und zu Hause
Man müsse schon ein Organisationstalent sein, um Familie und Karriere zu vereinen, weiss die Mutter eines Sohnes und einer Tochter im Teenageralter. Und natürlich brauche es die Unterstützung des Partners: «Wir haben ein sehr gutes Familienmodell, wo man aufeinander zählen kann. Mein Mann hat mich immer supported», lobt Jahn, die während ihrer Karriere allerdings die meiste Zeit in Teilzeit arbeitete. «Mir war es wichtig, für meine Kinder da zu sein», erklärt sie. Daher habe sie sich immer entsprechende Stellen und Arbeitgeber gesucht. Mittlerweile arbeitet sie zwar wieder Vollzeit, jedoch zwei Tage die Woche vom Homeoffice aus.
Ohne ein entsprechendes Betreuungsangebot hätte es aber wohl nicht funktioniert: «Wir haben hier in Birmenstorf super Tagesstrukturen», findet Jahn, deren Kinder zeitweise in die Kita gingen oder von einer Nanny betreut wurden. Jungen Frauen, die ebenfalls Karriere machen möchten, rät sie daher, nicht zu blauäugig sein: «Wenn man Familie hat, muss man schauen: stimmt das Umfeld oder muss ich etwas ändern.» Andererseits sollten diese den Mut haben, sich treu zu bleiben: «Man muss Biss haben, etwas finden, was einem Spass macht, dann ist man auch gut darin», lautet ihr Fazit.
Michael Lux
Zur Person
Angelika Jahn (44) besetzt als «Head Front Transformation Programme – CEO Office» eine Stabsstelle bei Julius Baer & Co. Ltd. Zuvor war die verheiratete Mutter von zwei Kindern bereits in verschiedenen Kaderpositionen im Bankenwesen tätig – unter anderem bei der Credit Suisse und der Bank J. Safra Sarasin. Jahn lebt seit 2008 mit ihrer Familie in Birmenstorf.
Ausbildung
2006 Bachelor of Science, HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich
Serie: Frauen in Führungspositionen
Edith Saner, Grossrätin und Beraterin im Gesundheitswesen («Reussbote», 11. Februar)
Gabriella Maher, Head of Enterprise Risk Management, Credit Suisse («Reussbote», 25. Februar)
Ann Zehnder-Fjällman, Leiterin Qualität, Prozesse, Nachhaltigkeit Aryzta («Reussbote», 25. März)
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