Alles ist für neue ukrainische Flüchtlinge bereit
20.05.2022 Region ReusstalDer «Reussbote» fragte bei den Einzugsgemeinden nach, was die Herausforderung für die Unterbringung der ukrainischen Flüchtlinge ist
Die Solidarität mit Ukrainern und Ukrainerinnen ist gross. Das zeigte sich nicht nur jüngst am Eurovision Song Contest in Turin, ...
Der «Reussbote» fragte bei den Einzugsgemeinden nach, was die Herausforderung für die Unterbringung der ukrainischen Flüchtlinge ist
Die Solidarität mit Ukrainern und Ukrainerinnen ist gross. Das zeigte sich nicht nur jüngst am Eurovision Song Contest in Turin, sondern ist auch bei den 13 Einzugs-Gemeinden des «Reussbote» zu spüren.
Für die Verantwortlichen der Gemeinden ist nicht einfach abzuschätzen, wieviele ukrainische Flüchtlinge in naher Zukunft aufgenommen werden müssen. Vom Kanton gibt es aktuell keine Vorgaben. Der Bund und Kanton werden demnächst Zahlen herausgeben. Wegen des anhaltenden Flüchtlingsstroms aus der Ukraine wird davon ausgegangen, dass sich die bisherige Aufnahmepflicht deutlich erhöhen wird. Der Kanton unterscheidet bei der geforderten Quote nicht zwischen Nationalitäten. Aus diesem Grund sind die meisten Gemeinden in unserem Einzugsgebiet bereits am planen. Geeignete Wohnungen oder Häuser werden gesucht, Verhandlungen geführt oder bereits Lösungen gefunden.
Niederwil: Altes Schulhaus umgebaut
Im alten Schulhaus Niederwil laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Das Hauswart-Team ist daran, die am Dienstag eingesammelten Möbel aufzustellen und die Zimmer für ukrainische Flüchtlinge einzurichten. «Die Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen im alten Schulhaus ist eine gute Lösung», sagt Gemeindeammann Norbert Ender. Seit der Fertigstellung des Schulhauses Riedmatt I und II vor einem Jahr blieben die Räume im ersten und zweiten Stock ungenutzt. Vorstösse für die Sanierung oder den Abriss der über 100 Jahre alten Liegenschaft, der «Reussbote» berichtete, wurden bereits gemacht. Bis die Gemeinde weiss, wie es mit der Liegenschaft weitergeht, bietet sie nun Wohnraum für ukrainische Flüchtlinge. Die Arbeitsgruppe «Ukraine» stiess die Umnutzung an. Seit drei Wochen laufen die Umbauarbeiten. Die grossen Klassenzimmer, zwischen 60 und 90 m2, wurden mit Wänden unterteilt. So entstanden sieben Zimmer – alle zwischen 25 und 30 m2 gross. Zusätzlich gibt es pro Stockwerk einen Aufenthaltsraum und Nasszellen.
Spenden aus der Bevölkerung
Um die neuen Räume einrichten zu können, bat der Gemeinderat im Mitteilungsblatt die Bevölkerung um Hilfe. Mobiliar für Küche, Schlafzimmer und Aufenthaltsräume wurden gesucht. Harry Battaglia, Leiter Hauswartdienst, koordinierte die Spenden. «Am Dienstag sammelten wir alle Möbelspenden ein», sagt er. Kurz danach baute Battaglia zusammen mit Betriebsfachmann Rasmey Sun und Lernender Raphael Binding die Möbel zusammen. Die neuen Räume wurden jeweils mit einem gespendeten Doppelbett und einem Kajütenbett aus der Zivilschutzanlage bestückt. Die beiden Aufenthaltsräume statteten sie mit gespendeten Sofas, TV oder Beamer und einer Kochnische aus. «Die Kochherde wurden beim Umbau des Schulhauses Riedmatt I für die Kochschule nicht mehr gebraucht. Wir haben sie danach eingelagert. Jetzt können wir sie wieder nutzen», sagt Battaglia. Wegen der Umnutzung des Schulhauses liegt bis Ende Mai ein Baugesuch auf der Gemeindekanzlei auf. Sobald die Bewilligung da ist, werden ab Juni die ersten ukrainischen Flüchtlinge ins alte Schulhaus einziehen. 20 Personen finden so über längere Zeit eine neue Heimat. «Wir spüren eine grosse Solidarität und Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung», sagt Norbert Ender. «Bereits sind zahlreiche Unterstützungsangebote für Betreuung, Fahrdienste, Assistenz im Schulunterricht und Dolmetscherdienste der Gemeinde gemeldet worden.»
Niederrohrdorf mit zwei Wohnungen
Niederrohrdorf hat seit dem 1. Mai eine Wohnung angemietet. Sie wird zurzeit eingerichtet und ist demnächst bezugsbereit. Eine weitere Gemeinde-Liegenschaft wird auf Ende Juni, anfangs Juli, zur Verfügung stehen. «Die Gemeinde prüft laufend weitere Möglichkeiten neue Unterbringungen für ukrainische Flüchtlinge zu schaffen», sagt Ursina Rüegg, Stv. Gemeindeschreiberin. «Viele ukrainische Flüchtlinge sind zurzeit in unserer Gemeinde bei Gastfamilien untergebracht.» Die Solidarität in der Bevölkerung sei gross. Bereits wurden viele Sachspenden für die Einrichtung der neuen Wohnungen zur Verfügung gestellt. Die Integration laufe. Erwachsene besuchen Deutschkurse und Kinder Schulen in Niederrohrdorf und Oberrohrdorf.
Ebenfalls zwei Wohnungen hat Oberrohrdorf für ukrainische Flüchtlinge angemietet. Zusätzlich sind einige privat untergebracht. «Die unklare Situation ist nicht einfach zu handhaben», sagt Gemeindeschreiber Thomas Busslinger. «Im Besonderen stellen die schulische Integration der Kinder und die finanzielle Existenzsicherung der Flüchtlinge Schule und Gemeindeverwaltung vor besondere Herausforderungen.»
Vier Wohnungen in Birmenstorf
In Birmenstorf sind zurzeit Flüchtlinge aus der Ukraine privat untergebracht. Für neue Flüchtlinge kann die Gemeinde kurzfristig vier Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus bereitstellen. «Die Solidarität ist in der Gemeinde gross», sagt Gemeinderat Fabian Egger. «Das stärkt uns als Gemeinde, wenn allfällige Kapazitäten bei Betreuung und Integration erhöht werden müssen oder wenn es darum geht, die neuen Gemeindeunterkünfte einzurichten.» Remetschwil hat zwei Wohnungen angemietet. Eine dritte Wohnung steht in einer gemeindeeigenen Unterkunft zur Verfügung. Um bei Bedarf weitere Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen zu können, werden zurzeit weitere Räumlichkeiten von Privatpersonen besichtigt. Die Solidarität ist in der Bevölkerung ebenfalls gross. «Viele Möbel und Gegenstände wurden gespendet», sagt Gemeindeschreiber Roland Mürset. «Die technischen Dienste richten zusammen mit der Betreuerin der Asylsuchenden die Wohnungen ein.»
Bis anhin private Unterbringung
In Birrhard, Fislisbach, Künten, Mägenwil, Stetten und Tägerig sind ukrainische Flüchtlinge privat untergebracht. In Stetten hat der Gemeinderat im Informationsblatt einen Aufruf für weitere Unterbringungsmöglichkeiten gestartet. Auf der Fislisbacher Homepage kann die Bevölkerung auf einem Fragebogen ankreuzen, welche Hilfsangebote, wie Betreuung und Begleitung zu Behördengängen, Assistenz Schulunterricht oder Sprachund Dolmetscherdienste übernommen werden können. Zudem bittet der Gemeinderat die Bevölkerung Unterbringungsmöglichkeiten – für mindestens drei Monate – zu melden. Es steht ein Anmeldeformular zur Verfügung.
Tägerig wartet ab. Gemeinderätin Daniela Kramer sagt: «Sollte der Kanton unserer Gemeinde Menschen aus der Ukraine zuweisen, werden wir einen Aufruf an die Bevölkerung machen und nachfragen, ob Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann. Die Gemeinde Tägerig verfügt nicht über leerstehenden Wohnraum. Als allerletzte Option zur Unterbringung würde die Zivilschutzanlage zur Verfügung stehen.»
Für die Integration verweisen einige der Gemeinden auf den Kanton oder sorgen selbst dafür, dass möglichst rasch der Zugang zu Sprachkursen und Treffen ermöglicht werden.
Mellingen sucht nach Wohnraum
Seit Dienstag verfügt Mellingen über drei zusätzliche Wohnungen zu den bisher genutzten Asylunterkünften. Sie werden derzeit eingerichtet. Bis anhin wurden zusammen mit Wohlenschwil private Lösungen für ukrainischen Flüchtlinge gefunden. Die Solidarität in der Bevölkerung sei sehr gut. «Mobiliar-Spenden werden immer wieder angeboten und sehr dankbar entgegengenommen, um den gemieteten Wohnraum auszustatten», sagt Sandra Briner, Stv. Gemeindeschreiberin. Vor allem Paravane/ Sichtschutz-Abtrennungen für mehr Privatsphäre seien sehr gefragt und können mit Foto, Adresse und Handynummer an gemeindekanzlei@mellingen.ch gemailt werden. «Die Spenden-Solidarität ist grossartig und die gespendeten Artikel sind in neuwertigem Zustand – super», so Briner.
Wohlenschwil bleibt am Ball
Wohlenschwil ist daran, schnell genug geeigneten und angemessenen Wohnraum für ukrainische Flüchtlinge zu schaffen. «Die Gemeindeverwaltung hat und hatte Kontakt mit diversen Eigentümern und Vermietern und ist daran, den benötigten Wohnraum zu besichtigen», sagt Gemeindeschreiberin Angela Casadei. Die Bemühungen würden stetig weiterlaufen. Es gelte in jedem Fall, zu verhindern, dass bei zu wenig vorhandenem Wohnraum Zivilschutzunterkünfte oder Schulraum belegt werden müssten. In einem weiteren Schritt sei die Integration weiter voranzutreiben. Dank der guten Zusammenarbeit mit Mellingen können den Flüchtlingen Deutschkurse in Mellingen angeboten werden. «Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist spürbar», sagt Casadei. «Personen stellten bereits vor dem Aufruf an die Bevölkerung bereitwillig eine Wohnung – zu einem für die Gemeinde tragbaren Mietpreis – zur Verfügung oder melden Sachspenden bei der Gemeinde an.» Seit dem Aufruf haben sich die Angebote für Möbel und Einrichtungsgegenstände vervielfacht. «Wir schätzen die grosse Hilfsbereitschaft sehr», sagt Casadei.
Debora Gattlen



