Ein grosser Kämpfer hat uns verlassen
03.06.2022 Mellingen, Region ReusstalErinnerung an Urs Heim, der letzte Woche im 77. Altersjahr nach schwerer Krankheit verstorben ist
Aufgeben war für ihn nie eine Option. Umso grösser der Schock, als uns die Nachricht erreichte, Urs Heim sei im Spital. Sein Herz hörte letzten Montag vor einer Woche auf zu ...
Erinnerung an Urs Heim, der letzte Woche im 77. Altersjahr nach schwerer Krankheit verstorben ist
Aufgeben war für ihn nie eine Option. Umso grösser der Schock, als uns die Nachricht erreichte, Urs Heim sei im Spital. Sein Herz hörte letzten Montag vor einer Woche auf zu schlagen. Zurück bleibt die Erinnerung an einen grossen Sportler und einen Menschen, der für alle stets ein Lächeln parat hatte.
Wenn am Pensioniertenstamm im «Löwen» einer fehlt, bleibt das nicht unbemerkt. Urs Heims Stuhl am runden Tisch der Rentner blieb an jenem Freitag vor einigen Wochen leer. Das war ungewöhnlich. Erst Tage später sprach es sich herum. Urs liege im Spital. Über die Ursachen konnte nur gerätselt werden. Erklären konnte es sich am Stammtisch keiner. Zwar klagte er hin und wieder über die Schmerzen im Rücken. Die Bandscheiben plagten ihn. Doch sonst war er wie immer, aufgestellt und stets für einen träfen Spruch zu haben. Deshalb nahm er zuletzt an der wöchentlichen Seniorenwanderung, bei der er jahrelang vorneweg lief, nicht mehr teil. «Ich bin genug gelaufen», pflegte er zu sagen, wenn er darauf angesprochen wurde. In der Tat, Laufen prägte sein Leben. Urs Heim dürfte Zeit seines Lebens bestimmt die Distanz einmal um den Erdball gelaufen sein.
Aufgewachsen in Gränichen
Urs Heim ist mit vier Brüdern und einer Schwester in Gränichen aufgewachsen. Der Vater betrieb dort ein kleines Heimetli, das zu wenig abwarf, um die Familie zu ernähren. Deshalb arbeitete er tagsüber in der Radiatorenfabrik Zehnder. Urs war der Jüngste. Er war es sich von klein auf gewohnt, seinen Geschwistern nachzueifern, die auf dem Hof mit anpacken mussten. Zum Laufsport kam Urs Heim durch seinen ältesten Bruder Peter, der mit dem Turnverein an Geländeläufen teilnahm. Gegenüber dem «Reussbote» erzählte er einst, wie er als 14-Jähriger in Melchnau seinen ersten richtigen Geländelauf bestritt. Es seien rund 500 Läufer am Start gewesen. Sein Bruder habe ihm geraten, einfach mal mitzulaufen. Weil für ihn das Tempo etwas langsam schien, habe er einen nach dem andern überholt. So kam er mitten unter der grossen Läuferschar, kurz hinter der Spitze ins Ziel. Dafür erhielt der Bauernbub seine allererste Medaille. Nach der obligatorischen Schulzeit machte Urs Heim eine Lehre als Maurer. Anschliessend absolvierte er eine Zusatzlehre als Hochbauzeichner. Und abends nach der Arbeit ging er noch ins Lauftraining.
Eine Legende des Waffenlaufes
Urs Heim galt im Aargau als grosses Talent. Beim BTV Aarau machte er Bekanntschaft mit neuen Trainingsmethoden, die ihn bis an die Schweizer Spitze brachten. Zu jener Zeit lief er pro Woche beinahe hundert Kilometer. «Aus purer Freude», wie er später jeweils zu sagen pflegte. Denn Geld gab es für Spitzensportler wie ihn noch nicht zu verdienen.
Im Waffenlauf, der zu jener Zeit noch am Sonntagabend regelmässig in der Sendung «Sport am Sonntag» im Schweizer Fernsehen gezeigt wurde, ist Urs Heim in die Geschichte eingegangen. Nicht weil er die meisten Waffenläufe zwischen Freiburg und Frauenfeld gewonnen hat. Nein, das war Heims ewiger Rivale Albrecht Moser. Ohne Moser wäre Urs Heim wohl der erfolgreichste Waffenläufer der Geschichte geworden. So aber gewann er «nur» fünf seiner 224 Läufe mit dem Gewehr auf dem Rücken. 86-mal wurde der längst in Mellingen wohnhafte Heim Zweiter, 33-mal Dritter. Vier Schweizer Meistertitel hat er geholt und später, als etwas älterer Läufer 44 Kategoriensiege. So nebenbei hat er den Silvesterlauf in Sao Paulo (Brasilien) und den New York Marathon bestritten.
1975 überraschte er seine Frau Brigitta, mit der er beinahe 50 Jahre verheiratet war, mit der Nachricht, dass er beruflich vom Bauführer zum Aussendienstler bei Oswald (Suppen, Gewürze, Bouillon und Saucen) gewechselt habe. «Du kannst damit nicht mal das kalte Wasser bezahlen», sagte sie damals zu ihm. Denn Urs Heim war kein grosser Redner. Aber wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann biss er sich auch durch. Aufgeben, so hat er stets gesagt, sei für ihn nie eine Option gewesen. Jedenfalls wurde Urs Heim einer der besten Verkäufer, die Oswald je hatte. Und der hatte viele. 35 Jahre lang, bis zu seiner Pensionierung blieb er der Firma treu.
Sein letzter Wille
Mit dem Sport musste er nach der Pensionierung etwas zurückstecken. Ein rätselhaftes Vorhofflimmern machte ihm zu schaffen. Nach zwei Operationen stieg Urs Heim vermehrt aufs Velo, mit dem er es ebenfalls zu beachtlicher Stärke brachte. Zuletzt liess es Urs Heim etwas gemächlicher angehen. Aber er war noch immer mit seinem markanten Hut im schnellen Schritt in Mellingen unterwegs. So wie man ihn gekannt hat. Und zwischendurch hielt er hier und dort an, um mit seiner fröhlichen Art mit Freunden und Bekannten ein Schwätzchen zu halten.
Am Montag, den 30. Mai hörte Urs Heims Herz im Kantonsspital Baden auf zu schlagen. Für ihn war es die Erlösung von einer schweren Erkrankung, die ihn die letzten Wochen seines erfüllten Lebens ans Bett gefesselt hat. Typisch Urs Heim: Sein letzter Wunsch war es, statt Blumen, dem Turnverein Mellingen, in dem er so viel Freude und Freunde fand, eine Spende zukommen zu lassen.
Wir entbieten Urs Heims hinterbliebener Frau Brigitta und seinen Angehörigen unser tief empfundenes Mitgefühl.
Beat Gomes