Eine Gemeindeversammlung mit Sprengkraft
24.06.2022 Mellingen, Region ReusstalDie Gmeind am Dienstagabend war äusserst gut besucht. 170 Stimmbürger fanden sich in der Neuen Aula des Primarschulhauses ein
Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an alt Gemeindeammann Bruno Gretener überstrahlte die übrigen Traktanden des Abends – selbst die ...
Die Gmeind am Dienstagabend war äusserst gut besucht. 170 Stimmbürger fanden sich in der Neuen Aula des Primarschulhauses ein
Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an alt Gemeindeammann Bruno Gretener überstrahlte die übrigen Traktanden des Abends – selbst die nicht unumstrittene Sanierung des Hallenbades.
Protokoll und Rechenschaftsbericht waren in der voll besetzten Neuen Aula des Primarschulhauses Kleine Kreuzzelg schnell abgehandelt. Mit grossem Mehr nahm die Gemeindeversammlung ebenfalls die von Frau Gemeindeammann Györgyi Schaeffer präsentierte Jahresrechnung 2021 ab, die mit einem Ertragsüberschuss von 1,48 Millionen Franken abschloss («Reussbote», 10. Juni). Zugestimmt wurde auch der Revision des Personalreglements der Gemeinde sowie der Erhöhung des Stellenplafonds auf 3500 Prozent.
«Darfs es bitzli meh si?»
Das erste Traktandum, das potenziellen Zündstoff barg, war der Projektierungskredit für die Sanierung des Hallenbades. Gleich zu Beginn seiner Rede beschwichtigte der zuständige Gemeinderat Beat Gomes: «Das Hallenbad wird weder gesprengt noch versenkt», sagte er mit Anspielung auf sein «Reussbote»-Interview, in dem er provokant gefordert hatte, das Bad in die Luft zu sprengen. Es sei ihm darum gegangen, dass man bei der Sanierung des Hallenbads über den Tellerrand hinausschaue und an die kommenden Generationen denke. Im Anschluss schilderte Gomes den desolaten Zustand des in der Region beliebten, aber seit Jahrzehnten defizitären Bades. «Sind Sie bereit, neue Wege zu gehen?», fragte er ins Publikum und empfahl, neben dem Projektierungskredit von 250 000 Franken für die Sanierung, auch 100 000 Franken für eine Machbarkeitsstudie zu bewilligen. Diese soll klären, wie das Bad im Zuge der Renovation noch attraktiver gemacht werden kann. «Man könnte vor der Fensterfront ein paar Meter rausbauen», erläuterte Gomes eine Option, wie die Wasserfläche des Bades vergrössert werden könnte. Offensichtlich machte er manchen Stimmbürgern mit solchen Überlegungen den Mund wässrig. Im Anschluss wurde jedenfalls beiden Traktanden zugestimmt – der Sanierung beinahe einstimmig, dem Zusatzantrag mit 129 zu 32 Stimmen. Sehr grosse Zustimmung fand der Antrag des Gemeinderats, die Hallenbadgenossenschaft und den Betrieb des Bades zu übernehmen.
Gemeinderat für Ehrenbürgerrecht
Aufgrund des Überweisungsantrags von Ex-Gemeindeschreiber Ernst Pelloli, der an der Winter-Gmeind mit grosser Zustimmung angenommen worden war, stand auch die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an den langjährigen Gemeindeammann Bruno Gretener und Ehefrau Katherina auf der Traktandenliste. «Der Gemeinderat steht einstimmig hinter dem Antrag», schickte Györgyi Schaeffer der Abstimmung voraus. Das Traktandum stellte Gemeindeschreiber Beat Deubelbeiss vor: «Es geht um Respekt und Würdigung einer grossen Leistung für die Gemeinde Mellingen und eines Bürgers dieser schönen Stadt», leitete dieser ein. Gretener sei für Gemeinderat und Verwaltung ein «Leader» gewesen, der stets den richtigen Weg gewiesen habe und seine eigenen Interessen immer denen der Gemeinde untergeordnet habe, so Deubelbeiss. Bruno Gretener habe in 20 Jahren im Gemeinderat sowie 16 Jahren als Gemeindeammann viel für die Stadt getan. Deubelbeiss äusserte sich aber auch besorgt, wie mit Gemeinderäten und Führungspersönlichkeiten umgegangen werde. «Wer Verantwortung übernehmen will, muss Entscheidungen treffen», so Deubelbeiss. Diese Entscheidungen seien nicht immer richtig. «Wir brauchen Führungspersönlichkeiten, die sich tief in die Materie einarbeiten, die Chancen und Risiken bewerten und danach einen mutigen Entscheid treffen», sagte Deubelbeiss. Wer aus Angst vor einem Fehlentscheid nicht mehr entscheide, helfe nicht mit, die Gemeinde weiterzuentwickeln.
Knall mit Ankündigung
Einen solchen Fehlentscheid sah Stefan Florjanˇciˇc in der umstrittenen Auszonung, während Greteners Amtszeit. Es bestehe ein Risiko, dass die Gemeinde eine Entschädigung von sieben Millionen Franken zahlen müsse. Daher stellte Florjanˇciˇc den Antrag, die Verleihung des Ehrenbürgerrechts nicht abzulehnen, aber zu sistieren, bis das definitive Urteil vor dem Bundesgericht vorliege und die Verantwortlichkeiten geklärt seien. Ernst Pelloli wies in seiner Wortmeldung darauf hin, dass der Gemeinderat eine «Kollegialbehörde» sei und dass dieser damals nach bestem Wissen und Gewissen «verantwortungsbewusst und ohne schlechte Absichten» gehandelt habe. Er bat die Stimmbürger daher, nicht auf Florjanˇciˇcs Rückweisungsantrag einzugehen. In der folgenden Abstimmung wurde der Antrag mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Nur eine Gegenstimme gab es danach beim Hauptantrag zur Verleihung des Ehrenbürgerrechts an das Ehepaar Gretener, das nach dem Ausstand unter stehendem Applaus in den Saal einzog und feierlich die Ehrenbürgerschaft verliehen bekam. Grossmehrheitlich abgelehnt wurden auch die beiden Anträge Florjanˇciˇcs, die Haftungsfrage der bei der Auszonung beigezogenen Anwälte und des Planungsbüros sowie Verfehlungen externer Personen und interner Stellen zu klären. «Alle an der Gemeindeversammlung haben gesagt: wir kennen ein gewisses Risiko und haben das Okay gegeben», erinnerte Andy Jenni in diesem Zusammenhang. Den Antrag zur Klärung von Schadenersatzforderungen gegen Gretener selbst sowie Ex-Gemeinderätin Mirjam Egloff, war mit Hinweis auf das Kollegialitätsprinzip zuvor bereits vom Gemeinderat als unzulässig zurückgewiesen worden.
Michael Lux


