«Kein Geocache ist wie der andere»
26.07.2022 Region ReusstalFreizeit: «Geocaching» wird seit Jahren immer beliebter. Marcel Birrer aus Mägenwil nahm den Redaktor mit auf GPS-Schnitzeljagd
Was ist am Geocaching so faszinierend und warum machen manche Geocacher um ihr Hobby so ein Geheimnis? Wir wollten es wissen und haben einen von ...
Freizeit: «Geocaching» wird seit Jahren immer beliebter. Marcel Birrer aus Mägenwil nahm den Redaktor mit auf GPS-Schnitzeljagd
Was ist am Geocaching so faszinierend und warum machen manche Geocacher um ihr Hobby so ein Geheimnis? Wir wollten es wissen und haben einen von ihnen getroffen.
Schon vor dem eigentlichen Treffen wartet die erste Herausforderung auf mich: Marcel Birrer, alias «Fraslagu», wie sein Geocaching-Spitzname lautet, schickt mir per Mail keine Adresse, sondern lediglich ein paar GPS-Koordinaten. Dank Google-Maps finde ich den Treffpunkt aber relativ schnell. Wo genau wir uns treffen, soll möglichst geheim bleiben, um keine Hinweise auf in der Nähe versteckte «Caches» zu geben. Sagen wir: Wir sind irgendwo im Wald rund um Mellingen. Im Gegensatz zur Cacher-Gemeinde auf Facebook, die Pressevertretern eher misstrauisch gegenüber steht, hat Marcel Birrer kein Problem damit, Aussenstehenden von seinem Hobby zu erzählen. Der 52-jährige Informatiker, der auch Offizier bei der Feuerwehr Regio Mellingen ist, hat bereits 2010 mit dem Geocaching angefangen. «Das Faszinierende ist, dass kein Geocache gleich ist. Man ist draussen in der Natur, hat ein bisschen Abenteuer und ein bisschen Schatzsuche», erklärt Birrer, der vorher schon Orientierungsläufe absolvierte und über einen Zeitungsartikel zum Geocaching kam. «Man kommt an Orte, wo man sonst nicht hinkommt. Geocaching ist auch ein guter Reiseführer», erzählt er, während wir gemächlich auf dem Waldweg weiterspazieren.
Keine Vorkenntnisse erforderlich
Und was braucht man zum Geocaching? «Es braucht Fantasie und die Fähigkeit, um die Ecke zu denken», sagt Birrer. Sonstige Vorkenntnisse seien nicht erforderlich. Ausser vielleicht bei den sogenannten Rätsel-Caches, die nicht direkt zum Versteck führen: «Neulich musste ich für einen Cache die Zahl Pi auf 10 Millionen Nachkommastellen berechnen», erzählt Birrer. Für einfache Caches, sogenannte «Traditionals» muss man aber kein Raketenwissenschaftler sein. Ein GPS-fähiges Handy und ein Stift genügen. Darüber hinaus muss man sich online bei einer der einschlägigen Geocaching-Plattformen anmelden. Eine der bekanntesten ist Geocaching.com. Dort habe ich mir vorsorglich schon einmal einen kostenlosen Account angelegt. Mit der dazugehörigen App braucht man nicht einmal ein GPS-Gerät oder eine eigene GPS-App, um die Koordinaten des Caches einzugeben. Die Standorte der Caches werden auf einer interaktiven Karte angezeigt und führen einen wie bei Google-Maps direkt zum Versteck – also fast. Zwar sind die GPS-Koordinaten bis auf circa drei Meter präzise, aber genau wie beim Auto-Navi sieht der Satellit eben nur von oben auf die Welt: «Der Cache kann im Parterre oder im 7. Obergeschoss sein oder in einem Baum oder einer Höhle», erklärt Birrer, der mit seinem kostenpflichtigen Premium-Account noch ein paar Verstecke mehr auf der Karte sehen kann als ich. «Irgendwo hier ist einer versteckt», sagt der Profi-Cacher plötzlich und zeigt auf eine graue Betonmauer. «Wo würde ich es verstecken, wenn ich etwas verstecken wollte», gibt er mir als Tipp mit auf den Weg. Mit den Augen suche ich nach Spalten oder anderen Möglichkeiten einen Behälter zu verstecken – Fehlanzeige. Erst die Interpretation des kryptischen Hinweises aus der Cache-Beschreibung hilft den Gehirnwindungen auf die Sprünge. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten! «Man will nicht spoilern», erklärt Birrer, warum Cacher solche Geheimniskrämer sind: «Es soll für jeden Cacher das gleiche Erlebnis sein. Ausserdem wäre es nicht fair gegenüber dem Owner», so Birrer.
Vom «Micro» bis zum 200-Liter-Fass
Womit wir mitten im Geocacher-Jargon wären. Der «Owner» ist der Eigentümer des Caches, der diesen auf der Online-Plattform angelegt hat. Neben den GPS-Angaben gibt er beim sogenannten «Listing» auf der Internetseite den Schwierigkeitsgrad und den Terrain-Level an. Unser Cache in der Mauer war mit Schwierigkeitsstufe 1,5 wirklich bubieinfach. Und die Geländeeinstufung T1 steht für «rollstuhlgängig». T5 würde dagegen heissen, dass Spezialausrüstung notwendig ist, erklärt mir Birrer. Das könne von der Kletterausrüstung bis zum Tauchgerät gehen.
Unser Cache selbst besteht aus einem nur wenige Zentimeter grossen Metallröhrchen mit Schraubverschluss. Ein sogenannter «Micro». «Es gibt auch 200-Liter-Fässer», berichtet Birrer. Dieser hier ist jedoch gerade einmal gross genug für einen zusammengerollten Zettel: das Logbuch – wichtiger Bestandteil jedes Caches. Darin trägt jeder, der den Cache gefunden hat, das Datum und seinen Geocaching-Namen ein. Jetzt kann er den Fund auf der Online-Seite «loggen», also eintragen. Darauf verzichten wir diesmal allerdings. War ja schliesslich nur ein Test. Sorgsam verstauen wir den Behälter wieder an seinem Platz. Nicht ohne uns zu vergewissern, dass uns dabei nicht irgendein «Muggel» beobachtet. «Muggels» nennen die Cacher in Anlehnung an Harry Potter Unbeteiligte, die keine Geocacher sind.
Jetzt bin ich an der Reihe. Denn die Geocaching-App zeigt gar nicht weit entfernt ein weiteres Versteck an. Der vorgeschriebene Mindestabstand zwischen zwei Caches beträgt 0,1 Meilen, also 161 Meter. Ein bisschen weiter laufen müssen wir aber schon. Meter um Meter rücken wir auf der digitalen Karte zum Ziel vor. Irgendwo hier im grünen Bereich sollten wir doch fündig werden. Doch wie so oft, findet man den Wald vor lauter Bäumen nicht und mein Handy hat ausgerechnet jetzt einen Aussetzer beim Empfang. Zum Glück habe ich «Fraslagu» dabei. «Da ist eine Cacher-Autobahn», hilft er mir auf die Sprünge. Tatsächlich: bei genauem Hinsehen erkenne auch ich, dass der Waldboden an manchen Stellen etwas festgetreten ist. Heureka, da ist der zweite Cache des Tages! Dieser ist deutlich grösser, fast armlang – und voller Überraschungseier. Neben dem Logbuch finden sich darin ausserdem viele kleine Tauschgegenstände. Die darf man herausnehmen, muss dafür aber mindestens einen gleich- oder höherwertigen Gegenstand zurücklegen. «Trading» nennt sich das. «Für Kinder ist es natürlich spannend, etwas vom gefundenen Schatz mitnehmen zu dürfen», erinnert sich Marcel Birrer, der mit der Familie schon ganze Geocaching-Urlaube verbracht hat. «Meine Frau ist nicht ganz so angefressen», gibt er auf Nachfrage allerdings zu. Und die Kinder verdrehten mittlerweile nach drei Caches die Augen.
Kein Wunder nach 12 870 Caches. So viele hat Birrer in den vergangenen zwölf Jahren schon gefunden. Und zwar nicht nur in der Schweiz, sondern auf der ganzen Welt: «Der aussergewöhnlichste Ort war am E.T.- Highway bei der Area 51», erzählt Birrer. Rund um das militärische Sperrgebiet in der Wüste Nevadas, wo angeblich einst UFOs erforscht wurden, gebe es über 2000 Geocaches. Sein spannendster Cache sei aber rund um Bern gewesen und hatte mit der Geheimarmee der Schweiz zu tun: «Da waren wir drei Nächte unterwegs und haben geheime Sachen aus dem zweiten Weltkrieg gesehen», verrät er ohne zu sehr ins Detail zu gehen.
Wer versteckt braucht Erfahrung
Da bekommt man richtig Lust, selbst einmal einen Cache zu deponieren. Doch das ist laut Birrer gar nicht so simpel: «Man sollte schon etwas Erfahrung haben, bevor man selbst einen Cache versteckt, sonst ist er am nächsten Tag weg», warnt er. «Damit einigermassen etwas herauskommt, sollte man vorher 100 bis 200 Caches geloggt haben», lautet seine Empfehlung. Die Erfahrung ist notwendig. Denn neue Caches werden auf der Geocaching-Homepage nicht sofort freigeschaltet, sondern werden zunächst von sogenannten «Reviewern» geprüft: «Die haben massiv Erfahrung», sagt Birrer über die ehrenamtlichen Wächter, welche die Einhaltung der Spielregeln und Vorgaben prüfen. Selbstverständlich sollten Caches kein fremdes Eigentum beschädigen oder z. B. im Naturschutzgebiet platziert werden oder sonst negative Auswirkungen hervorrufen. «Ein guter Geocache ist kreativ, an einem schönen Ort – und darf auch ein bisschen frech sein», erläutert er das seiner Meinung nach ideale Versteck. Das könne beispielsweise ein Ort sein, an dem jeden Tag 100 Leute vorbeikommen und niemand bemerke, dass es sich um einen Cache handle. Wenn ein Geocache dann erst einmal online sichtbar ist, heisst es richtig schnell sein: «Da reicht es nicht einmal zum Schubändel binden, wenn man der Erste sein will», lacht Birrer, der sich selbst zum Ziel gesetzt hat, möglichst viele Geocaches in verschiedenen Ländern und Bezirken zu finden. Meine Ziele sind da weniger ambitioniert: Den ersten Cache will ich einfach ganz alleine «loggen». Man muss ja schliesslich bescheiden bleiben.
Michael Lux
Geocaching
GPS-Schnitzeljagd, bei der es Verstecke (Caches) zu finden oder zu verstecken gilt. Je nach Art des Caches müssen dabei Rätsel gelöst werden. Für Caches mit hohem Schwierigkeitsgrad braucht man spezielle Ausrüstung. Weltweit gibt es über 3 Millionen aktive Caches – 2659 allein im Aargau.
Die wichtigsten Begriffe:
Geocache/Cache: meist Wasserdichte Behälter, die ein Logbuch und oft auch Tauschgegenstände enthalten.
Cacher: die Teilnehmer der Suche
Owner: die «Eigentümer», die ein Versteck anlegen und pflegen
Listing: Hinterlegen und Beschreiben des Caches auf einer entsprechenden Onlineplattform.
Loggen: Sobald man einen Cache gefunden und sich im Logbuch eingetragen hat, darf man diesen online «loggen».
Trading: Das Tauschen von Gegenständen. Es muss immer ein gleichoder höherwertiger Gegenstand zurückgelegt werden.
Einschlägige Internetseiten: geocaching.com, swissgeocache.ch, geocache.ch