«Immer, immer habe ich als Kind gezeichnet»
08.07.2022 Stetten, Region ReusstalJulia Gavrilova hat schon als Kind immer gezeichnet. Heute nutzt sie jede freie Minute und kreiert Muster für Stoffe und Tapeten
Zeichnen war ihre grosse Leidenschaft, schon als Kind. Seit sie in der Schweiz lebt hat sie ihre Passion neu entdeckt. Heute schneidet sie Möwen in ...
Julia Gavrilova hat schon als Kind immer gezeichnet. Heute nutzt sie jede freie Minute und kreiert Muster für Stoffe und Tapeten
Zeichnen war ihre grosse Leidenschaft, schon als Kind. Seit sie in der Schweiz lebt hat sie ihre Passion neu entdeckt. Heute schneidet sie Möwen in Linol, entwirft Stoffmuster aus Blumenaquarellen und näht auch mal Küchentücher.
Ich liebe es, zu zeichnen», sagt Julia Gavrilova. Sie liebt nicht nur den Stift in der Hand, sondern auch Pinsel oder das Linolschnittmesser. All das packt sie in ihr Feriengepäck, trägt es an den Strand, zwischen Sand und neben Salzwasser. Gavrilova zückt, wenn andere einen Roman lesen oder Volleyball spielen, den Zeichenstift und skizziert Möwen. Auf die Skizzen der Seevögel folgen der Schnitt und deren Abbildung auf dem Linoleum. Und zu Hause dann der Druck.
So entstehen Skizzen, Zeichnungen, Linolschnitte oder Aquarelle. In Gavrilovas Arbeitszimmer hängen Drucke von Magnolien neben Maiskolben oder Mohn zum Trocknen an Leinen. Mehrere Skizzenbücher befinden sich auf dem Bürotisch, auf dem auch Computerbildschirm und Tastatur stehen. Auf dem Boden liegt ein Endlos-Aquarell, in welchem Julia Gavrilova Stationen ihres Lebens künstlerisch festgehalten hat.
Gavrilovas Weg in die Schweiz
Geboren ist Julia Gavrilova vor 36 Jahren in Kazan, an der Wolga mitten in Russland – 700 Kilometer von Moskau entfernt. «Immer, immer habe ich als Kind gezeichnet», sagt sie. Vier Jahre lang konnte sie neben dem regulären Schulunterricht eine Kunstschule besuchen. Dort erhielt sie ihre Grundausbildung im Zeichnen, lernte aquarellieren und die Komposition eines Bildes. Andere Fächer bekamen, als sie älter wurde, mehr Gewicht, vor allem Sprachen und Geschichte. Die Leidenschaft Zeichnen und Malen rückte in den Hintergrund, erhielt eine Pause. Nach ihrem Geschichtsstudium in Kazan, zog sie nach Moskau und arbeitete bei Google. Sie lernte dort ihren Mann kennen, heiratete und als ihr Mann wegen Google nach Zürich versetzt wurde, zog das Paar in eine kleine Wohnung in die Stadt an der Limmat. Gavrilova spricht russisch und auch englisch. Nun aber lernte sie deutsch, neun Monate lang intensiv.
Mit dem ersten Kind kam der Wunsch nach einem Leben näher bei der Natur. Die erste Tochter wurde in Stetten geboren, wo die heute vierköpfige Familie seit neun Jahren in einer Überbauung mit Mehrfamilienhäusern lebt. Als ihre Töchter die Schule besuchen und Julia Gavrilova morgens ein paar Stunden Zeit bleiben, erinnert sie sich an die Beschäftigung, die ihr als Kind die liebste war. Sie erinnert sich ans Zeichnen und Malen. Inspiration und Ideen findet sie überall. Was ihr an Farben und Formen, in der Natur oder in der Architektur ins Auge springt, hat beste Chancen von ihr kreativ umgesetzt und weiterentwickelt zu werden. Auch wenn Gavrilova seit einigen Jahren wieder zeichnet und malt, leben kann sie davon nicht. «Ich zeichne in der Freizeit», sagt sie, «häufig auf Reisen.»
Zwei Sommerkleider mit Erdbeeren
Dennoch bildet sie sich seit einigen Jahren intensiv im Selbststudium weiter: Gavrilova hat verschiedene Online-Kurse absolviert und dabei unter anderem «Pattern Design», respektive das Musterdesign entdeckt. «In diesem Bereich gibt es keine Grenzen», sagt sie. Die junge Künstlerin entwirft Muster für Stoffe, Tapeten und Verpackungen. Auf Papier zeichnet und gestaltet sie zunächst ihre Motive, die sie anschliessend digitalisiert. Beim Spiel mit den gespeicherten Bildern entstehen unterschiedliche Muster, die Gavrilova auf Papier oder Stoff drucken lässt. Auf einem Sofa liegt eine Ansammlung quadratischer Stoffmuster, alle von Gavrilova kreiert. Ein Sommerkleidchen mit roten Erdbeeren und verschiedene Küchentücher hängen neben dem Sofa – alles selbst gestaltet und selbst genäht. «Die Erdbeeren habe ich aquarelliert und dann auf einen Stoff drucken lassen», erklärt sie. So seien ihre beiden Töchter zu zwei selbst genähten Erdbeerkleidchen gekommen. Inzwischen sind die Mädchen zu gross, aus den Kleidern herausgewachsen. Julia Gavrilova wird sich neue Sujets einfallen lassen müssen für neue Kleider. Schwer fallen dürfte es ihr kaum. Die Künstlerin hatte ihre Aquarelle und Linoldrucke beim ersten Mellinger Kulturfestival, das regionalen Kunstschaffenden eine Plattform bieten sollte, im vergangenen Mai ausgestellt. Jederzeit kann ihr Schaffen aber auch auf ihrer Webseite (jgavrilova.com) verfolgt werden. Zurzeit stellt sie ein Portfolio mit ihren Arbeiten zusammen, welches sie verschiedenen Unternehmen präsentieren möchte.
Heidi Hess