Gegen Foodwaste: Schweizer Tafel rettet Essen
21.10.2022 Serie im ReussboteRobin Roth aus Remetschwil und Parick Mächler aus Schlieren leisten Zivildienst bei der Schweizer Tafel. Der «Reussbote» begleitete sie
Die Schweizer Tafel rettet Essen und hilft Armutsbetroffenen. Wöchentlich werden mehrere Tonnen Lebensmittel bei Detailhändlern ...
Robin Roth aus Remetschwil und Parick Mächler aus Schlieren leisten Zivildienst bei der Schweizer Tafel. Der «Reussbote» begleitete sie
Die Schweizer Tafel rettet Essen und hilft Armutsbetroffenen. Wöchentlich werden mehrere Tonnen Lebensmittel bei Detailhändlern abgeholt und an gemeinnützige Institutionen verteilt. Der «Reussbote» begleitete letzte Woche ein Zweierteam auf einer Tour.
Patrick Mächler wählt eine erste Telefonnummer. Kurz nach Abfahrt in Dietikon ruft er bei Aldi in Fislisbach an. «Hallo, guten Morgen, Patrick Mächler von Schweizer Tafel», meldet er sich. «Sie haben heute wieder nichts», sagt Mächler zu seinem Fahrer Robin Roth. Sie sind ein eingespieltes Team und leisten für vier Wochen ihren Zivildienst. Roth kommt aus Remetschwil, Mächler aus Schlieren. Kennengelernt haben sich die beiden anlässlich ihres Wirtschaftsstudiums. Heute arbeiten beide bei einer Schweizer Grossbank. Der Zivildiensteinsatz ist für sie eine willkommene Abwechslung. Auf dem Einsatzplan ihrer Tour durch den Aargau sind 16 Abnehmer und vier Lieferungen eingeplant. Nicht immer hat es Lebensmittel. «Manchmal heisst es, wir haben nichts. Dann fahren wir zum nächsten Ort», sagt Patrick Mächler. Beim zweiten Abnehmer, beim Detaillisten Coop in Niederrohrdorf stehen drei grüne Kisten auf der Rampe. Der Inhalt muss in die eigenen, mitgebrachten Kisten umgepackt werden. Es hat Bananen, Trauben, Salat und Champignons.
Gratis Lebensmittel für soziale Institutionen
«Wir arbeiten schweizweit mit circa 150 Spendern zusammen. Das sind ausschliesslich Detailhändler – Migros, Coop, Aldi, Lidl, vereinzelt auch Volg und Globus», sagt Philipp Schreier von Schweizer Tafel. Er ist Regionalleiter Aargau/Zürich. Die Detailhändler sortieren überschüssige, aber noch gute Lebensmittel aus. Diese werden von Schweizer Tafel abgeholt und an soziale Institutionen gratis abgegeben. Abnehmer sind zum Beispiel Frauenhäuser, Gassenküchen, Lebensmittelabgabestellen, Asylunterkünfte und Armutsdiener. Lebensmittel einsammeln und verteilen während der Tour, das ist die Philosophie. Damit lindert die Stiftung nicht nur Armut, sie trägt auch einen grossen Teil dazu bei, dass die Zahlen von Foodwaste nicht noch mehr ansteigen.
Zwei Daten auf Verpackungen
Es gibt zwei Daten, welche die Produzenten auf die Verpackung von Lebensmitteln drucken können. Welches Datum auf der Verpackung schlussendlich steht, entscheidet der Produzent. Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Wegwerfdatum. Vielmehr gibt es den Zeitpunkt an, bis zu dem ein Lebensmittel unter angemessenen Aufbewahrungsbedingungen seine spezifischen Eigenschaften (z. B. Geschmack, Farbe und Konsistenz) behält. Das Verbrauchsdatum nennt den letzten Tag, an dem das Lebensmittel noch verkauft und verzehrt werden darf.
Auf sechs Grad gekühlt
Die drei Kisten in Niederrohrdorf sind im gekühlten Mercedes Sprinter verstaut. Sechs Grad beträgt dort die Temperatur. Bei Ab- und Auflad von Lebensmitteln wird der Motor nicht abgestellt. Die Gefahr, dass der Kühlkreislauf unterbrochen wird und damit die Ware verdirbt, wäre zu gross. Die Fahrt geht von Niederrohrdorf zum Reusstalcenter nach Mellingen. Auch dort stehen drei Kisten bereit. Mächler und Roth kontrollieren mit geschultem Auge die Lebensmittel, packen diese um und sagen zum Journalisten: «Auf der Tour von heute hat es bis jetzt nicht viele Lebensmittel.» Auch in Lupfig, dem nächsten Ort hat es nichts. «Das ist eher die Ausnahme», sagt Roth. «In der Regel ist der Mercedes gut gefüllt», ergänzt Mächler. Die beiden fahren nach einer kurzen Verabschiedung weiter in Richtung Lupfig und setzen ihre Tour fort.
Benedikt Nüssli
Was ist Foodwaste?
Lebensmittel, die für den menschlichen Konsum produziert wurden und auf dem Weg vom Feld bis zum Teller verloren gehen oder weggeworfen werden, nennt man Foodwaste. Dabei entsteht Foodwaste auf allen Stufen der Lebensmittelherstellung. Zum Beispiel in der Landwirtschaft, weil sich die Lebensmittel aufgrund von Normanforderungen nicht für den Verkauf eignen. Im Restaurant, wenn Tellerreste oder Buffetüberschüsse entsorgt werden oder in den Haushalten, wenn wir zum Beispiel den letzten Schluck in der Flasche nicht mehr trinken. Im Schnitt geht jedes dritte Lebensmittel zwischen Feld und Teller verloren oder wird verschwendet. 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittelverluste fallen in der Schweiz pro Jahr an. Mit rund einem Drittel Anteil am Foodwaste gehört der Endkonsument zu den Hauptverursachern.
Schweizer Tafel
Die Stiftung Schweizer Tafel sammelt überschüssige, einwandfreie Lebensmittel bei Grossverteilern, Produzenten und Detaillisten ein und verteilt sie kostenlos an soziale Institutionen, welche sich um armutsbetroffene Mitmenschen kümmern. 2021 gab die Stiftung 4762 Tonnen überschüssige Lebensmittel an rund 500 soziale Institutionen wie Gassenküchen, Notunterkünfte oder Obdachlosenheime ab. Das entspricht 9,4 Millionen Mahlzeiten. Die Lebensmittel, bei welchen das Verkaufs- nicht aber das Verbrauchsdatum abgelaufen ist, sind einwandfrei und können so sinnvoll weiterverwendet anstatt weggeworfen werden. Schweizer Tafel ist eine Stiftung und wird ausschliesslich über Spenden finanziert. Freiwillige Mitarbeitende, Personen aus Arbeitslosenprogrammen, Sozialhilfebezüger und Zivildienstleistende sind täglich im Einsatz.