Zwei Perlen bereichern die Altstadt
15.11.2022 Mellingen, Region ReusstalAm Samstag lud der Gemeinderat zur Einweihung der Gerichtsstube und der neuen Gebäudetafeln ein
Das kulturelle Angebot in Mellingen ist um zwei Projekte reicher. Am Samstag wurden die Gerichtsstube und die neuen Gebäudetafeln feierlich eingeweiht. Ein anschliessender kurzer ...
Am Samstag lud der Gemeinderat zur Einweihung der Gerichtsstube und der neuen Gebäudetafeln ein
Das kulturelle Angebot in Mellingen ist um zwei Projekte reicher. Am Samstag wurden die Gerichtsstube und die neuen Gebäudetafeln feierlich eingeweiht. Ein anschliessender kurzer Städtliumgang zeigte einige Perlen der Altstadt.
Im Städtchen Mellingen war vergangenen Samstag einiges los. Die Gewerbetreibenden luden übers Wochenende zu einem Tag der offenen Tür ein und die Gemeinde weihte zwei wichtige Kulturprojekte ein. Eine stattliche Anzahl interessierter Mellingerinnen und Mellinger traf sich am Samstagnachmittag im Alterszentrum Im Grüt. Sie wurden von Frau Gemeindeammann Györgyi Schaeffer willkommen geheissen. Sie erwähnte das Ortsbild von Mellingen mit nationaler Bedeutung. Dazu müsse man Sorge tragen und das Bewusstsein dafür stärken. Die Schätze in der Altstadt müssen gepflegt werden, man dürfe sie geniessen und man müsse sie an die nächste Generation weitergeben, so Schaeffer weiter. Die Ersetzung der Bronzetafeln an historischen Gebäuden in Mellingen sei bis auf drei Tafeln abgeschlossen. Und die Gerichtsstube sei soweit vorbereitet, dass sie für eine weitere Nutzung zugänglich sei, so Schaeffer weiter.
Einzigartiges Wandbild
Peter Treichler, Mitglied der Arbeitsgruppe, informierte anschliessend über die Gerichtsstube. Viele Hindernisse mussten überwunden werden, zweimal brauchte es gar einen Beschluss der Gemeindeversammlung, damit dieser bedeutende Raum über dem Tor beim alten Rathaus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte. Bei Renovationsarbeiten kam in der Gerichtsstube ein Wandbild zum Vorschein. Dieses zeigt das Salomonische Urteil. Es sei schweizweit ein einzigartiges und noch gut erhaltenes Wandbild, sagte Peter Treichler. Györgyi Schaeffer, Madlen Zimmermann, Benedikt Nüssli, Hanspeter Koch, Simon Koller und Peter Treichler schlossen sich zusammen, um der Gerichtsstube neues Leben einzuhauchen. Der Raum wurde eingerichtet, neue Vorhänge, Tische und Stühle, ein stattlicher Richterstuhl und zwei Gerichtsstäbe zeugen jetzt davon, dass früher in dieser Stube gerichtet wurde. Die Gerichtsstube gehört als eine von vielen Perlen der Altstadt zu den Städtliführungen. Das Angebot an Führungen soll nun erweitert werden. Schulklassen aus Mellingen und Umgebung können die Gerichtsstube gut in ihren Unterricht mit einbeziehen. Dafür sind sogenannte Lernboxen vorhanden und eine Präsentation mit Gerichtsszenen mit grossen Bildern, die an die Wand projiziert werden können. Der Raum kann aber auch für Sitzungen, Lesungen oder Vorträge benutzt werden. Ein Gastrokonzept ist noch in Erarbeitung. Denkbar wäre zum Beispiel eine Henkersmahlzeit verbunden mit Aufführungen eines Gerichtsfalles durch die Melliger Spiellüüt. Nicht unerwähnt blieb die grosse Unterstützung des Besitzers. Alex Gemperle hat auf seine Rechnung bauliche Anpassungen vorgenommen. Beim anschliessenden Rundgang durchs Städtchen mit Pia Kriese, Alain Guidi und Sibylle Zehnder war die Gerichtsstube einer der Perlen, die besucht wurde.
Bronzetafeln nicht mehr lesbar
Das zweite Projekt betrifft die Ersetzung der Bronzetafeln. Vor zehn Jahren beauftragte der damalige Gemeinderat Rainer Stöckli, die Texte für neue Tafeln an historischen Gebäuden zu aktualisieren. Die Texte waren wegen Oxydation nicht mehr lesbar. Stöckli erledigte die Arbeit umgehend. Das Projekt jedoch versandete aufgrund der häufigen Wechsel in der Bauverwaltung. Vor zwei Jahren wurde das Projekt wieder aufgenommen und neu lanciert. Die Texte sind aktualisiert. Die Tafeln, grafisch ansprechend gestaltet von Petra Strasser, sind mit sogenannten QR-Codes versehen. Das Wichtigste stehe auf den neuen Tafeln, weiterführende Informationen und Fotos können mittels CR-Code und Mobile abgerufen werden, so Stöckli weiter.
Die grosse Bedeutung des Ibergs
Ganz bewusst wurde am Samstag symbolisch die Tafel des Iberghofs enthüllt. Ausser der Kirche und den Wehrbauten ist der Iberghof das einzige Gebäude in der Altstadt, wo bis heute lückenlos die Besitzer und die Nutzung bekannt sind, sagte Rainer Stöckli. Das Schlösschen ist von den Herren von Iberg, Gefolgsleute der Gründer von Mellingen, bewohnt gewesen. Von 1300 bis 1600 hat die bedeutende Schulthessenfamilie Segesser dort residiert. Heute wird der Iberg seit 1968 vom Kinderhort und seit 2021 vom regionalen Zivilstandsamt benutzt.
Der spätgotische Iberghof ist in Mellingen einzigartig. Kein Profanbau habe eine derart wertvolle Innenausstattung, die aber von Besuchern nicht angeschaut werden kann. Die prächtigen Portale und Täfer können nun mittels QR-Code angeschaut werden. Mit dieser Technik erhalten Besucherinnen und Besucher auf dem Rundgang durchs Städtchen weiterführende Informationen. Die technische Umsetzung der 31 Tafeln hat die Museumskommission, unter Leitung von Hanspeter Koch, übernommen. Sie führen wie in einem Freilichtmuseum durch die vernetzte Stadtgeschichte.
Nach der Enthüllung der symbolischen Tafel des Iberghofs ging es in drei Gruppen auf eine Kurz-Städtliführung, die gut Dreiviertelstunden dauerte. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren von den Bronzetafeln wie auch von der Einrichtung der Gerichtsstube beeindruckt. Auf dem Rundgang gab es weiterführend Informationen, zum Beispiel zur Gerichtsstube, zum Badhaus, zum Johannibrunnen oder zum Kirchplatz mit seinen nahe gelegenen Gebäuden. Nach dem Rundgang kehrte man wieder zurück ins Alterszentrum, wo eine wärmende Kürbissuppe serviert wurde. Der Nachmittag fand seinen Abschluss mit der Gewissheit, dass Mellingen zwei kulturelle Perlen den Nachkommen erhalten hat.
Benedikt Nüssli




