Die Musikkauffrau Maja Hitz lebt in Niederrohrdorf. Ihre Welt besteht aus Musik, Literatur, Journalismus, Neurowissenschaft, Psychologie, Philosophie, Geschichtswissenschaft und Fitnesstraining.
Frühlingsgefühle
Vor einiger Zeit ...
Die Musikkauffrau Maja Hitz lebt in Niederrohrdorf. Ihre Welt besteht aus Musik, Literatur, Journalismus, Neurowissenschaft, Psychologie, Philosophie, Geschichtswissenschaft und Fitnesstraining.
Frühlingsgefühle
Vor einiger Zeit habe ich irgendwo den Spruch gelesen «Manchmal möchte ich einfach abhauen und irgendwo neu beginnen, wo mich keiner kennt.»
Das mag im ersten Augenblick nach Erleichterung für jemanden klingen, dem alles gerade zuviel ist, doch im Grunde ist es Selbstbetrug. Es gibt nämlich einen Menschen, vor dem man nicht einfach weglaufen kann, und zwar sich selbst. Wem es an Selbstliebe mangelt, der hat ein Problem. Damit meine ich nicht, wie Narziss in Ovids «Metamorphosen» vor Arroganz kopfüber in den Teich zu plumpsen, sondern die allumfassende Annahme seiner Selbst in Form einer uneingeschränkten Liebe zu sich selbst. In unserer Kultur hat es sich leider eingebürgert, Egoismus als abwertendes Synonym einzusetzen, wo doch sogar die Bibel die Christenheit darauf hinweist, sich selbst zu lieben.
Fatalerweise hat sich das Gegenteil etabliert: Man verehrt selbstlose Menschen, die sich hintanstellen und sich stets zuerst um alle anderen kümmern. «Aufopferung» nennt man das, doch was oder wen opfert man da eigentlich? Richtig: Sich selbst! Ich persönlich kann nichts Glorreiches darin sehen, wenn jemand seine eigenen Bedürfnisse vernachlässigt und dabei verkümmert.
Betrachten wir es doch mal so: Wohin man auch geht, man nimmt sich selbst immer mit. Man ist der Mensch, mit dem man am meisten Zeit verbringt, trotzdem kennen viele sich selbst viel zu wenig. Während des Lockdowns wurde es deutlich: Ein signifikanter Teil der Bevölkerung wusste mit seiner eigenen Präsenz nichts anzufangen. Mit sich selbst alleine zu sein war für viele der absolute Horror, da sie sich bis zu diesem Zeitpunkt primär über andere Menschen definiert haben. Plötzlich sah man sich mit der Frage konfrontiert, wer man ohne die anderen ist.
Manch einer betrachtet sich selbst wie den unerwünschten Spielkameraden, den einem die Eltern früher einfach vorgesetzt haben, weil sie zufälligerweise mit dessen Eltern befreundet waren. Es ist bedauerlich, wenn man nicht gerne mit sich selbst zusammen ist. Passend zur Jahreszeit könnte hier ein seelischer Frühlingsputz helfen und mit dem erforderlichen Engagement wird man Frühlingsgefühle für sich selbst verspüren; der einzigen Person, mit der man garantiert für immer zusammenbleiben wird. Wie Oscar Wilde einst sagte: «Eigenliebe ist der Beginn einer lebenslangen Romanze.»