Sie bewässern, sobald der Chat grünes Licht gibt
28.04.2023 Mägenwil, Region Reusstal, WohlenschwilMägenwil, Wohlenschwil: Landwirte, Gemüseproduzenten und Brunnenmeister lancieren einen Gruppen-Chat und regeln so den Wasserverbrauch
Wird es heiss und trocken, wird das Wasser in Mägenwil und Wohlenschwil sehr knapp. Landwirte und Gemüsebauern haben mit den ...
Mägenwil, Wohlenschwil: Landwirte, Gemüseproduzenten und Brunnenmeister lancieren einen Gruppen-Chat und regeln so den Wasserverbrauch
Wird es heiss und trocken, wird das Wasser in Mägenwil und Wohlenschwil sehr knapp. Landwirte und Gemüsebauern haben mit den Behörden besprochen, wie Erbsen, Salat und Spinat dennoch bewässert werden können.
Das macht auf jeden Fall Sinn», sagt Alex Füglistaller, Landwirt auf dem Nüeltschehof in Wohlenschwil. Füglistaller spricht von den Wasserabsprachen, die mit Landwirten und Gemüseproduzenten in Mägenwil und Wohlenschwil im Februar vereinbart wurden. Wer Gemüse, Obst oder Beeren – bei Füglistaller ist es Gras und Zuckermais – bewässern will, meldet seinen Bedarf über sein Mobiltelefon im Gruppen-Chat an. «So können wir die Spitzen in unseren Gemeinden umgehen», sagt Füglistaller. Die Zuteilung des Trinkwassers liegt bei den federführenden Gemeindewerken, bei Brunnenmeister Andreas Bräuer, respektive bei seinem Stellvertreter Reto Aerne.
Im Gruppen-Chat absprechen müssen sich die Bauern in Niederwil und Fischbach-Göslikon schon heute. Vor Ostern hatten die beiden Gemeinden mitgeteilt, dass der Trinkwasserbezug vom Grundwasserpumpwerk Karrenwald per sofort stark eingeschränkt werden muss, um die Versorgung im Sommer zu gewährleisten. Nach dem trockenen Sommer 2022 mangelte es auch in den Wintermonaten an Niederschlag – der Grundwasserspiegel konnte sich nicht erholen. Empfindlich getroffen von den Sparmassnahmen werden auch Landwirte. Das Bewässern von Gemüse oder Obst wurde kontingentiert, zur Verfügung steht bloss die Hälfte des normalen Jahresverbrauchs («Reussbote», 4. April).
Die Grenzen der Wasserversorgung
Zwar präsentiert sich die Situation in Mägenwil und Wohlenschwil etwas anders als in den Gemeinden an der Reuss. Dennoch hatten der Mägenwiler Gemeindeammann Peter Wiederkehr und der Wohlenschwiler Vizeammann Roger Aerne die lokalen Bauern und Gemüseproduzenten bereits im Februar zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Gemeinsam analysierten sie die Situation im letzten Sommer; Gemeinderäte und Brunnenmeister klärten die Bauern über die Leistungsfähigkeit und die Grenzen der örtlichen Wasserversorgung auf.
Nicht umsonst wurde die Bevölkerung in beiden Dörfern vor einem Jahr mit Infoblättern und Tafeln am Strassenrand zum Wassersparen aufgerufen. «Im Sommer 2022 kam die Wasserversorgung in Mägenwil und Wohlenschwil an mehreren Tagen an ihre Grenzen», erklärt Wiederkehr den Ernst der Lage. Verbote mussten keine ausgesprochen werden.
Der Wassermangel in den Quellen
Die Wasserversorgung kann weder in Mägenwil (drei eigene Quellwasserpumpwerke, vertraglich geregelte Grundwasserzufuhr aus Othmarsingen und Birr) noch in Wohlenschwil (Grundwasserpumpwerk Frohberg) hohe, temporäre Bezüge stemmen.
«Mägenwil», sagt Peter Wiederkehr, «hat lediglich eigenes Quellwasser». Die Quellen aber spenden besonders wenig Wasser, wenn es trocken ist. Dann wiederum seien jedoch Bedarf und Verbrauch besonders hoch. «Es sind vor allem die Spitzenwerte an einzelnen Tagen, die uns weh tun», so Wiederkehr. Haushalte und das Gewerbe, dazu gehört in Mägenwil auch der Geflügelproduzent Kneuss mit Schlachthof, haben in beiden Dörfern Priorität – nicht zuletzt, weil sie über kostspielige Anschlussgebühren den Ausbau der Wasserversorgung bezahlen, so Wiederkehr. Beziehen Bauern und Gemüseproduzenten zusätzlich Wasser, reichen die täglichen Fördermengen nicht aus, um die Reservoirs zu füllen. Dank dem Goodwill der Wasserlieferanten Othmarsingen und Birr konnte Mägenwil die vertraglich zugesicherten Wassermengen im letzten Jahr an Spitzentagen kurzzeitig überschreiten. – Entspannung verspricht erst ab 2028 der Anschluss an den Verbund «Wasser 2035». Für den Sommer 2023 und für kommende Jahre sind Lösungen gefragt.
Die Akzeptanz der Landwirte
An diesem Februarmorgen sei lange diskutiert worden, sagt Peter Wiederkehr. Vereinbart wurde schliesslich, dass sich Landwirte und Gemüseproduzenten untereinander absprechen – mittels Whatsapp im Gruppen-Chat. Berieselt werden sollen die Felder gestaffelt, über wassersparende Anlagen, und nur nach Rücksprache mit Brunnenmeister Bräuer. Empfohlen wird, soweit als möglich, Kulturen anzubauen mit geringem Wasserbedarf. Hört man sich bei Landwirten und Gemüsebauern um, stösst man auf Akzeptanz dieser Regelung.
Daniel Habegger, Landwirt auf dem Zelglihof in Mägenwil, jedenfalls begrüsst die Absprachen. Neu seien sie nicht. Abgesprochen hätten sich die Bauern in Mägenwil seit jeher. Habegger baut Bohnen, Erbsen, Spinat, Kürbis und Zuckermais an – alles benötigt zusätzliches Wasser, in der letzten Wachstumsphase aufgrund von Hygienevorschriften sogar zwingend Trinkwasser. Um die Spitzen zu brechen, hätten sie stets auch an Wochenenden bewässert, weil dann in Mägenwil der Wasserverbrauch durch Industrie und Gewerbe weitgehend wegfällt.
Die Lebensgrundlage der Bauern
Als Landwirt seien ihm in dieser Diskussion zwei Aspekte wichtig: «Wasser ist unsere Lebensgrundlage» Der Wasserbedarf geschehe aber nicht aus Egoismus. «Wir geben das Wasser zurück: Die Pflanze gedeiht und wird zum Lebensmittel – oder das Wasser versickert im Boden und kehrt zurück ins Grundwasser.» Die Landwirte würden mit ihren regionalen Produkten auch einen Beitrag zur Selbstversorgung leisten. Es sei wichtig, dass die Landwirtschaft für die Lebensmittelproduktion Wasser erhalte.
Der Birmenstorfer Gemüseproduzent Thomas Käser baut auf Mägenwiler Gemeindegebiet seit Jahren vor allem Frischgemüse an – Salat und Spinat. «Sehr heikle Pflanzen», erklärt Käser. «Drei Tage ohne Wasser ..., das überleben sie nicht.» An Spitzentagen habe es im letzten Jahr Probleme gegeben. In Mägenwil müsse der Wasserverbrauch gut eingeteilt werden: Die Industrie etwa benötige an Wochenenden weniger Wasser. «Dann arbeiten und bewässern wir halt am Wochenende», sagt Käser. Heuer habe er allerdings noch keinen Tropfen benötigt. Auch Gemüseproduzent Jörg Friedli ist überzeugt: «In Wohlenschwil kommen wir aneinander vorbei.» Die Bauern zeigten Verständnis füreinander. Dank der Absprachen könnten Spitzen vermieden werden; irgendwo laufe immer Wasser. Er selbst bewässere ohnehin einen grossen Teil seiner Felder mit Reusswasser. Schon vor Jahren habe er in diesen Bereich und damit in die Zukunft investiert. «Erst wenn die Reuss kein Wasser mehr liefert, geht es dem Friedli nicht mehr gut», meint er. Er lacht.
Viel schwieriger sei für ihn die Situation in Niederwil. Dort baut Jörg Friedli oberhalb der Landstrasse ebenfalls auf einigen Hektaren Gemüse an und muss zur Bewässerung auf das kontingentierte Gemeindewasser zurückgreifen. «Den Anbau von Salat nach der Gerstenernte habe ich auf diesen Feldern gestrichen», sagt der Gemüseproduzent. Er verzichte zudem auf Rosenkohl, der von Mai bis Dezember gepflegt werden muss. Stattdessen pflanze er lediglich einmal Brokkoli an, der bereits nach wenigen Wochen geerntet werden kann. So spare er Wasser. «Ich habe meine Hausaufgaben gemacht», meint der Wohlenschwiler. Und doch müsse er sich von Niederwilern, deren Pools neben seinen Feldern leer bleiben, einiges anhören.
Michael Strickler vom Münzelhof in Wohlenschwil erklärt: «Mich betreffen die Massnahmen nicht extrem.» Bewässern müsse er nur die Kulturen mit den Erbsen. Seine Kühe habe er letztes Jahr allerdings bereits im August mit dem Vorrat füttern müssen, der eigentlich für den Winter gedacht war. Danach musste Strickler Heu dazu kaufen. Strickler erwähnt, dass das Bewässern von Gras am Informationsmorgen im Februar umstritten gewesen sei. Der Münzelhof-Bauer fügt an: «Inzwischen sind meine Kühe aber wieder auf der Weide.»
Die Fragen des Experten
Im Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg ist Christian Wohler zuständig für die Spezialkulturen wie Gemüse, Obst und Beeren. Bei diesen Lebensmitteln, die ohne zusätzliches Wasser nicht gedeihen, seien der Preisdruck und die Ansprüche an die Qualität sehr hoch. Aufgrund der Klimaveränderung hat sich der Stellenwert der Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen erhöht. «Wasser ist eine limitierte Ressource mit der verantwortungsbewusst umgegangen werden muss», sagt Christian Wohler. «Das Ausbringen von Wasser ist mit hohen Arbeits-, Infrastruktur- und Wasserkosten verbunden und dient der Ertrags- und Qualitätssicherung.» Selbst wenn sich Bewässerungstechnologien verbessern, müsse für den Anbau von Gemüse, Obst oder Beeren heute in einem ersten Schritt der Zugang zu Wasser geklärt werden. Kann zur Bewässerung eine Quelle, ein Regenwasserteich, Grundwasser oder ein Oberflächengewässer genutzt werden?
Allerdings sollte auch hinterfragt werden, ob die Wassernutzung in Industrie und durch Private ausschliesslich und in allen Belangen durch Trinkwasser gedeckt werden müsse, gibt der Experte zu bedenken.
Heidi Hess



