Hautnah bei einer Begnadigung und bei der Museumsgründung dabei sein und erfahren, wie Mellingen seinen ganzen Wald verlor
Am internationalen Museumstag erlebt das Publikum historische Momente: Ganz so, als wäre es damals in der Mellinger Gerichtsstube selbst dabei ...
Hautnah bei einer Begnadigung und bei der Museumsgründung dabei sein und erfahren, wie Mellingen seinen ganzen Wald verlor
Am internationalen Museumstag erlebt das Publikum historische Momente: Ganz so, als wäre es damals in der Mellinger Gerichtsstube selbst dabei gewesen.
Markttag in Mellingen, die Altstadtgassen sind voller Leben. So ist es an diesem Sonntag, weil Händlerinnen und Händler in den Altstadtgassen für den Floh- und Antiquitätenmarkt ihre Stände aufgestellt haben. Markttag könnte auch 1437 gewesen sein, als ein Pferdedieb in der Gerichtsstube über der Hauptgasse gerade zum Tode verurteilt wurde. In dieser Gerichtsstube steht am Internationalen Museumstag Städtliführerin Sibylle Zehnder und erzählt von Handfesseln und Halsgeigen, vom Hängen am Galgen und vom Ertrinken in der Reuss – kurz: Von Schuld und Strafe in Mellingen und auch vom Niederbadener Heini Schaffner, der ein Pferd gestohlen hatte, um es in Mellingen zu verkaufen. Mitten in der Erzählung über diesen historisch belegten Gerichtsfall stürmt eine Gemüsehändlerin (Gaby Wächter) in die Gerichtsstube, will am Stadtweibel (Roy Weber) vorbei, der ihr den Weg versperrt mit den Worten, der Gerichtstag habe begonnen und der Saal sei längst voll. Die Marktfrau weiss den Weibel zu nehmen, offeriert ihm vom Branntwein und erfährt – Schluck für Schluck, was sie wissen will: Schaffner sei auf «Bitten ehrbarer Leute von Zürich und Meylon und in Ansehung seiner kleinen Kinder und seiner grossen Armut begnadigt» worden. – Die kurze Szene, geschrieben von Paul Steinmann anhand historischer Quellen, lässt Besucherinnen und Besucher einen Moment lang eintauchen in den Alltag des Städtchens, das im späten Mittelalter Gerichtsbarkeit genoss.
Nicht nur in der Gerichtsstube kann man historische Momente erleben. Vor dem Ortsmuseum spielt der Mellinger Christian Fotsch mit Kollege Brendan Wade irischen Folk und im Museum öffnet Hanspeter Koch, Mitglied der Museumskommission, eine Kiste: Er projiziert alte Fotos von der Glockenweihe 1959 in Mellingen, Mädchen und Buben, die am Seil ziehen. Koch kommentiert: «Ältere Mellingerinnen und Mellinger dürften sich an diesen Tag erinnern.» Tatsächlich befinden sich die Schwestern Elisabeth van Heijningen und Marianne Haussmann, geborene Riegger, im Publikum. Nach der Führung sollten sie Hans-Peter Koch erzählen, dass sie damals mitgeholfen hätten, die Glocken in den Turm hoch zu ziehen.
Wie schon in der Gerichtsstube, zeigen erneut die Melliger Spiellüüt, eine kurze Szene. Das Publikum lauscht dem Gespräch, das um 1938 zwischen einem Mellinger Gemeinderat, dem Sammler und «Reussbote»- Verlegers Albert Nüssli-Stutz und einer Mellingerin stattgefunden hat. Es zeigt, wie es einst das Engagement von Albert Nüssli brauchte, um die Idee eines Museums für Mellingen zu lancieren. Fast neunzig Jahre später geht es um die Zukunft des Museums und um die Gründung eines Vereins. Vereinszweck ist unter anderem finanzielle Mittel zu generieren, um die 25 Jahre alte Ausstellung zu ersetzen.
Heidi Hess