Von «Proud Mary», einem Stau und viel Charisma
31.05.2023 Region ReusstalEine Sängerin, ein Journalist, ein Dirigent und ein Musiker erinnern sich: An Tina Turners Lieder, ihre Ausstrahlung und an Begegnungen
Sie war Ikone und Idol: Der Rockstar Tina Turner ist am 24. Mai gestorben. Wie erlebten Menschen aus der Region diese grosse Sängerin?
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Eine Sängerin, ein Journalist, ein Dirigent und ein Musiker erinnern sich: An Tina Turners Lieder, ihre Ausstrahlung und an Begegnungen
Sie war Ikone und Idol: Der Rockstar Tina Turner ist am 24. Mai gestorben. Wie erlebten Menschen aus der Region diese grosse Sängerin?
Tina Turner ist nach langer Krankheit im Alter von 83 Jahren gestorben», so lautete vergangene Woche, am Mittwochabend, die Push-Nachricht. Die Welt trauert um eine grosse Sängerin, um eine Musik-Ikone, die in ihrer Wahlheimat Küsnacht im Kanton Zürich gestorben ist. Medien liessen nach ihrem Tod das Leben des Rock-Stars Revue passieren, spielten Hit auf Hit, von «Simply The Best» über «What’s Love Got to Do with It» bis «Nutbush City Limits». Fest steht: Unberührt lässt diese aussergewöhnliche Frau mit der grossen Stimme nur wenige.
Der «Reussbote» hörte sich um bei Menschen aus dem Reusstal, deren Leidenschaft die Musik ist. Er wollte wissen, was sie mit Tina Turner verbindet, fragte nach persönlichen Erlebnissen mit dem Weltstar, nach Liedern, die einen besonderen Eindruck hinterliessen. Eine Sängerin, ein Kulturjournalist, ein Chorleiter und ein Musiker erzählen.
Umso faszinierender ihr Erfolg
Michèle Binder, ehemaliges Mitglied des Mellinger «Rock-und Pop-Chor Together», Teilnahme an «The Voice of Switzerland», eigene Band, kommt aus Othmarsingen: «Ich war bestürzt, als ich am Mittwochabend von Tina Turners Tod erfuhr, auch wenn sie bereits alt war. Als Sängerin war sie für mich ein Idol. Wenn eine so grosse Künstlerin stirbt, befasst man sich erneut mit allem, was sie leistete und was sie ausmachte, mit ihrer Musik und ihren Liedern. In Hamburg sah ich zudem das Musical «Tina – The Tina Turner Musical». Ihr grosser Erfolg scheint mir umso faszinierender, nachdem ich ihre Lebensgeschichte kenne. Mit unserer Band haben wir ein Tina-Turner-Medley gemacht, unter anderem mit zwei meiner liebsten Songs von Tina Turner, mit «Proud Mary» und «River Deep, Mountain High».
«Private Dancer» lief 1984 überall
Raphael Zehnder, Kultur- und Musikjournalist SRF, aufgewachsen in Birmenstorf, heute in Basel: «Nutbush City Limits» von 1973, ein Lied, das Tina Turner mit ihrem damaligen Mann Ike einspielte, war vermutlich die erste ihrer Aufnahmen, die ich je hörte. Ein harter Beat, tolle Gitarren (wohl von Marc Bolan) und die Stimme, die heute alle kennen. Weil ich musikalisch eher subkulturell unterwegs war, klinkte sich Tina Turner erst 1984 wieder in meine private Hörbiografie ein: mit dem weltweiten Erfolgsalbum «Private Dancer». Diese Platte lief überall, auf allen Kanälen. Reine Energie, eine Mischung von Rock, Funk und Disco, ultrasauber produziert unter anderem von Martyn Ware und Greg Walsh der englischen Elektronikband «Heaven 17», einer meiner damaligen Lieblingsformationen. «What’s Love Got to Do with It», «Private Dancer» und «I Can’t Stand The Rain» … diese Songs etwa könnte ich noch heute (falsch) mitsingen. Oder auch «Typical Male» von der Nachfolgeplatte «Break Every Rule» (1986) … In jener Zeit, Anfang Juli 1996, sah ich (mit 42 000 weiteren Menschen) Tina Turner im alten St. Jakob-Stadion in Basel. «Begeisterung ab Minute null», schrieb ich in der «Neuen Luzerner Zeitung» – und «Glitzerminirock, Stöckelschuhe, Beine». Dieses Styling war ein weiterer Teil von Tina Turners Erfolgsrezept. Von der Wucht der Unterhaltungsmaschinerie, von der perfekten Darbietung fühlte ich mich fast etwas erdrückt. «Sechs Kilometer lang war der Stau auf der N2 vor der Ausfahrt St. Jakob», notierte ich mir damals übrigens auch. Verkehrstechnisch war Tina Turners Auftritt eine Herausforderung, ein Phänomen für ein sehr breites Publikum.»
«Proud Mary» war lässig, fetzig
Roberto Caranci, Chorleiter Gospelchor «Voices of Joy», Mellingen: «Tina Turner war eine grossartige Sängerin. Eine Musikerin von ihrer Energie, ihrem Charisma – das ist kaum zu toppen. In der Musik gibt es ein paar Ikonen; zu diesen muss sie unbedingt gezählt werden. «What’s Love Got to Do with It» war das erste Album von ihr, das ich gekauft habe. Ich mochte dieses Lied sehr. Später setzten wir mit dem Mellinger Gospelchor «Voices of Joy» das Lied «Proud Mary» um. Dieses Lied war lässig, fetzig, aber für unseren Chor war es alles andere als einfach zu singen.»
Ihre Ausstrahlung – elektrisierend
Christian Fotsch, Musiker bei «Ssassa» (Oud, Bouzouki, Flamencogitarre, Gesang), Mellingen: «Tina Turner gehört zu den ganz Grossen, mit einem Lebenswerk, das kaum zu übertreffen ist. Sie wirkte inspirierend und war kreativ – nicht nur ein paar Jahre lang, sondern während Jahrzehnten und für Generationen. Meine Verbindung mit Tina Turner rührt daher, dass mich Regula Curti, Gründerin der Beyond Foundation, um 2010 anfragte, ob ich ein von 35 Kindern gesungenes Lied auf der CD «Children Beyond» begleiten möchte. Das tat ich, mit meiner Oud, einer arabischen Laute. Es war ein Werk für den Weltfrieden. An dieser CD wirkten auch Tina Turner und Dechen Shak-Dagsay mit – mit Tina Turner hatte ich allerdings nie direkt zu tun.
Aus meiner musikalischen Liedbegleitung ergab sich für mich hingegen eine jahrelange Zusammenarbeit mit der Beyond Foundation. Und vom Gesang der Kinder bei «Allah Hu» war ich so begeistert, dass ich sie danach auch an mein Gypsy-Festival ins Zürcher Kongresshaus einlud. – Tina Turners ausserordentliches Charisma erlebte ich schliesslich, als sie an einem Konzert später als andere erschien. Ich erlebte ihre unglaubliche Ausstrahlung, als sie bei dieser Veranstaltung den Saal betrat – sie war damals bereits über 70 Jahre alt: «Es war elektrisierend.» (hhs)




