Gipfeltriebe liefern Infos für Forstbetriebe
28.07.2023 Region ReusstalSeit 39 Jahren steht der Wald unter Dauerbeobachtung. Alle vier Jahre werden dazu Gipfeltriebe geerntet
Ende Juli werden im Aargau Gipfeltriebe von Waldbäumen eingesammelt. Dazu sind Helikopter an 18 Standorten im Einsatz. – Auch in Birmenstorf.
Seit den 1980er-Jahren ...
Seit 39 Jahren steht der Wald unter Dauerbeobachtung. Alle vier Jahre werden dazu Gipfeltriebe geerntet
Ende Juli werden im Aargau Gipfeltriebe von Waldbäumen eingesammelt. Dazu sind Helikopter an 18 Standorten im Einsatz. – Auch in Birmenstorf.
Seit den 1980er-Jahren werden Daten von Bäumen mit Hilfe von Gipfeltrieben gesammelt. Diese Triebe liefern Hinweise, wie es um den Wald bestellt ist. «Damals stand der Schwefelgehalt in der Luft, der zum Waldsterben führte, im Vordergrund», erklärt Marcel Murri, Leiter Sektion Walterhaltung vom Kanton Aargau. Was damals oft als Fiasko-Szenario der Förster abgetan wurde, konnte dank Umweltmassnahmen, die von der Politik angeordnet wurden, aufgehalten werden.
Die Dauerbeobachtung des Waldes wurde beibehalten. Das Institut für angewandte Pflanzenbiologie (IAP) untersucht seither im Rahmen dieses Programms auf 190 Beobachtungsflächen in der Schweiz die Gesundheit der Wälder. 18 Flächen liegen im Kanton Aargau, eines in Birmenstorf, Forstbetrieb Brugg, und eines bei der Habsburg, Forstbetrieb Birretholz.
Wertvolle Erkenntnisse für Wald
Die Dauerbeobachtung ist ein wertvolles Instrument, um Veränderungen in den Wäldern zu erkennen. Während zu Beginn der Studie der Fokus auf den Auswirkungen des sauren Regens und der Ozonbelastung lag, rückten später die erhöhten Stickstoffbelastungen im Boden in den Vordergrund. «Auf sauren Böden wirkt der Stickstoff im Boden toxisch auf Bäume. Wir beobachten diese empfindlichen Standorte im besonderen Masse», so Murri. Über 50 Prozent der Stickstoffbelastung stamme aus der Landwirtschaft. Der Rest teile sich aus Emissionen von Verkehr und im Aargau aus der Zementproduktion auf.
Dank den Erkenntnissen aus der Studie werden Massnahmen getroffen, um Emissionen zu reduzieren. «In der Landwirtschaft kommen bei der Düngung der Felder mit Gülle vermehrt Schleppschläuche zum Einsatz. Zudem wird die Abluft von Ställen gefiltert», sagt Murri. Bei den Emissionen des Verkehrs werde sich das künftig durch E-Autos reduzieren.
Klimawandel wird erforscht
«Anhand der Studie wird auch ersichtlich, wie sich Veränderungen in der Bodenchemie auf Bäume auswirken», führt Murri aus. So konnte nachgewiesen werden, dass die Sterblichkeit bei Buchen und Fichten zunimmt, wenn die Versorgung mit Nährstoffen von Phosphor und Kalium ungenügend ist. Die Studie erforscht in letzter Zeit zusätzlich, wie Bäume auf die Klimaveränderung reagieren. Die Ergebnisse für die letzte Vierjahresperiode (2017– 2021) zeigen: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Waldgesundheit sind unübersehbar. Im Aargau liegt inzwischen das Hauptaugenmerk der Studie nicht mehr auf der Fichte (Rottanne). – Es steht fest, dass sie mit trockenen Standorten schlecht zurechtkommen. Neu wird der Fokus auf die Weisstanne gelegt. «Die Weisstanne kam vor 2000 Jahren gut mit Trockenheit zurecht. Man will beobachten, wie sie sich künftig entwickelt.» In den bewirtschafteten Wäldern sei sie in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen, da das Holz der Rottanne vielseitiger verwendbar ist. Im Zuge der Klimaerwärmung könnte die Weisstanne aber wieder an Bedeutung gewinnen. «Das Ganze wird nun breiter angeschaut und abgeklärt, welche Baumarten mit der Klimaerwärmung besser zurechtkommen. Ein breites Baumartenspektrum im Wald kann das Risiko für Baumsterben künftig verkleinern», sagt Murri.
Ob gewisse Baumarten, etwa die Buche, ganz aus den Wäldern verschwinden, sei nicht voraussehbar. «Die Buche verjüngt sich stark in den Wäldern», führt er aus. Ob sich Nachkommen allenfalls besser an die Klimaerwärmung anpassen, wird die Dauerbeobachtung in den nächsten Jahren zeigen. «Wir versuchen, anhand der Studie, Schlussfolgerungen zu ziehen und geben diese an Revierförster und Forstbetriebe weiter.»
Debora Gattlen
Waldmonitoring seit 42 Jahren
Das Institut für Angewandte Pflanzenbiologie (IAP) erforscht im Auftrag mehrerer Kantone und des Bundes den Zustand und die Entwicklung der Waldbäume und liefert wichtige Erkenntnisse für Forstbetriebe. Alle vier Jahre werden im obersten Kronenbereich pro Baum sechs Äste geerntet. Gemessen werden das Wachstum der Triebe und der Fruchtbehang. Zudem werden Nährstoffanalysen bei den Blättern vorgenommen um allfällige Krankheiten oder Parasitenbefall festzustellen. (dg)