Backen im Schaufenster
25.08.2023 GewerbeOb beim riesigen Hercules-Brot, beim Krustenkranz oder bei den Weggli: In den Hausbäckereien können Kundinnen und Kunden beim Teigen live zuschauen. Daran musste sich André Würsch im Shoppi Tivoli zuerst gewöhnen. Mittlerweile vergisst der Leiter der Hausbäckerei ...
Ob beim riesigen Hercules-Brot, beim Krustenkranz oder bei den Weggli: In den Hausbäckereien können Kundinnen und Kunden beim Teigen live zuschauen. Daran musste sich André Würsch im Shoppi Tivoli zuerst gewöhnen. Mittlerweile vergisst der Leiter der Hausbäckerei bisweilen sogar, leise zu reden.
Text: Pia Schüpbach
Bilder: Michèle Büschi
«Manchmal müssen die Eltern ihre Kinder richtiggehend wegziehen», erzählt André Würsch. Denn in der Hausbäckerei im Shoppi Tivoli läuft fast so viel wie im Kino. Während die eine Bäckerin Teige herstellt, jongliert der zweite Bäcker die Brote in den Ofen und zurück. Vielleicht ist es auch der Duft, der die Leute in der Brotabteilung hält. «Was riecht schon besser als frischgebackenes Brot», findet der Leiter der Hausbäckerei.
Nur morgens, wenn es um 5 Uhr losgeht mit der ersten Schicht, sind die Bäcker noch allein. Trotzdem herrscht alles andere als Ruhe vor dem Sturm, die Mitarbeitenden sind von der ersten Sekunde an auf Zack. Wenn der Migros-Supermarkt vier Stunden später öffnet, sollten die rund 350 Brote warm, knusprig und schön aufgereiht im Regal liegen. Unter der Woche stehen in der Früh immer zwei Mitarbeitende in der Backstube. Und wenn andere ganz normal um 8 Uhr in den Arbeitstag starten, beginnt in der Hausbäckerei im Tivoli bereits die Spätschicht für den dritten Bäcker.
Eben diese Spätschicht stand am Tag unseres Besuchs bei André Würsch auf dem Arbeitsplan. «Jetzt muss ich nur noch den Boden putzen und schauen, dass es bis Ladenschluss Brot zu kaufen gibt», erzählt er am Nachmittag. Geht das Brot so langsam aus, wird er noch einige Laibe in den Ofen schieben. Dabei hilft ihm neben den Abverkaufszahlen seine Routine, abzuschätzen, wie viel Brot es noch brauchen wird.
Der 32-Jährige liebt sein Handwerk und wusste schon immer, dass er Bäcker werden möchte. Nach einigen Jahren in kleineren Betrieben, trägt er nun als Leiter der Hausbäckerei viel Verantwortung und kann Zutaten bestellen, die Einsätze planen, Mitarbeitende führen und zwischendurch Büroarbeiten erledigen. Unterdessen hat er sich auch daran gewöhnt, im Schaufenster zu stehen. «Bisweilen vergesse ich, dass uns Leute zuschauen und spreche in normaler Lautstärke mit meinen Kollegen. Am Anfang habe ich mich aber schon beobachtet gefühlt.»
Er führt durch sein Reich. Im Kühlraum ruhen die Hercules-Brot-Teiglinge in Gebinden. In der Backstube stapeln sich volle Mehlsäcke neben den Öfen, die Brotwagen hingegen sind nun leer. Blitzblank und parat für den nächsten Morgen sind auch die Maschinen, die den Bäckern beim Formen der Weggli oder beim Herstellen der einzelnen Stränge für den Butterzopf wichtige Dienste leisten. Die Zöpfe flechten kann aber nach wie vor keine Maschine – dazu braucht es Profis wie André Würsch.
Tags darauf wird die Kundschaft beobachten können, wie rasch dieser zöpfelt. Die Arbeit in der Hausbäckerei bietet indes auch für die Bäckerinnen und Bäcker Vorteile: So gelangen Komplimente auf direktestem Weg zu ihnen. Immer mal wieder bedanken sich die Kundinnen und Kunden bei André Würsch fürs frische Brot. «Ich finde es schön, wenn die Leute sehen, dass es wirklich ein Handwerk ist.»
3 Tipps von André Würsch
• Backt man selbst Brot und möchte schauen, ob der Teig genug geknetet ist: Ein Stück Teig (etwa 50 g) in die Hand nehmen und auseinanderziehen. Kann man so lange daran ziehen, bis man durch den Teig sehen kann, ist er genug geknetet. Reisst er vorher, muss man noch weiterkneten.
• Älteres Brot wird wieder schön knusprig, wenn man Wasser darauf tröpfelt und es im Ofen aufbäckt. Achtung: Das funktioniert nur, wenn man das Brot sofort danach verzehrt. Stunden später wird es pampig.
• Fürs Fondue dunkles Brot verwenden, zum Beispiel das Hercules-Brot. Dieses ist gehaltvoller.
Hercules: Gut Brot will Weile haben
Für das Hercules-Brot stellen André Würsch und seine Kollegen einen Sauerteig und ein Brühstück aus aufgekochtem Wasser und Mehl her. Bei diesem Brot dauert alles etwas länger, denn es besteht aus einem «lange geführten Teig», wie André Würsch erklärt. Das bedeutet, der Teig reift über Nacht im Kühler, bevor er weiterverarbeitet wird. Danach formen die Bäckerinnen und Bäcker runde Teiglinge zu 1,8 Kilogramm. Und erst wenn diese nochmals zwei Stunden geruht haben, kommt das Hercules-Brot in den Ofen. «Das ist gut für den Geschmack und hält das Brot länger frisch.» Und: «Je länger ein Teig gegärt ist, desto verträglicher ist das Brot für den Magen», weiss der Profi.
Der Teig besteht aus nur wenigen Zutaten, erhält aber durch den Sauerteig eine säuerliche Note, was den Geschmack noch intensiver macht. Am Wochenende braucht es jeweils etwa 16 solcher 1,8-kg-Schwergewichte im Tivoli, das Hercules-Brot gibt es indes auch halbiert und geviertelt. Auch bei André Würsch landet dieses Sauerteigbrot ab und zu im Einkaufskorb. «Am liebsten esse ich es mit Aufschnitt.» Auch in den 29 weiteren Hausbäckereien der Migros Aare stellen die Bäckerinnen und Bäcker täglich Hercules-Brote her.