Im Banne der Technik: gestern, heute und morgen
25.08.2023 Niederrohrdorf, Region RohrdorferbergPatrik Lichtsteiner richtete Schaltzentralen bei Kraftwerken in Polen und in Saudi-Arabien ein. Heute ist er Garagist
Technik begeisterte ihn schon als Knabe. Während er früher Schaltzentralen für die Steuerung von Kraftwerken in den verschiedensten Orten auf der Welt ...
Patrik Lichtsteiner richtete Schaltzentralen bei Kraftwerken in Polen und in Saudi-Arabien ein. Heute ist er Garagist
Technik begeisterte ihn schon als Knabe. Während er früher Schaltzentralen für die Steuerung von Kraftwerken in den verschiedensten Orten auf der Welt installierte, forscht er heute für die Wiederverwertung von E-Autos.
Die Steuerungstafeln für die Kraftwerke sahen gleich aus, wie die in den James Bond-Filmen», führt Patrik Lichtsteiner aus. Er ist gelernter Unterhaltungselektroniker und Elektrotechniker HTL. Die Steuerungstafeln seien wirklich gigantisch. Auf ihnen laufen die Fäden der Kraftwerke zusammen. Gibt es einen Defekt oder einen Leistungsabbruch, ist das darauf ersichtlich. In den 1990er-Jahren war Lichtsteiner für die ABB als Techniker unterwegs. Er installierte unter anderem in Polen im Dreiländereck für ein riesiges Thermikkraftwerk eine sieben auf drei Meter grosse Steuerungstafel. Strom wird dort mit Braunkohle, die im Tagabbau abgebaut wurde, produziert. «Ich musste während einem Jahr vor Ort sein», sagt er. «Das Kraftwerk übte aufgrund der Technik eine grosse Faszination auf mich aus. Trotzdem habe ich es bereits damals wegen des Tagabbaus der Braunkohle kritisch hinterfragt.» Aufgefallen sei ihm jeweils bei seinen Auslandeinsätzen, wie hoch der Lebensund Umweltstandard in der Schweiz ist. «Man schätzt alles viel mehr, wenn man wieder zu Hause in der Schweiz ist, wo das zum Standard gehört.»
Andere Länder, andere Sitten
Auch wenn Patrik Lichtsteiner in verschiedensten Ländern der Welt gearbeitet hat, sah er jeweils nicht viel von diesen Ländern. «Das war für mich nie wie Ferien», sagt er. Nach der Arbeit in den Kraftwerken, sei das Team meist am Abend zusammen essen gegangen. Ansonsten sei keine Zeit geblieben, Land und Leute zu erkunden. Was ihm auch damals nebst dem Umweltaspekt zu schaffen machte, waren die Menschenrechte. Das fiel ihm vor allem auf, als er in Saudi-Arabien, am Roten Meer in Shoiba, arbeitete. Einfache ausländische Arbeiter wurden sehr schlecht behandelt. Das war mit den Technikern aus der Schweiz zwar anders. Trotzdem war der erste Augenschein vor Ort alles andere als erfreulich. Vom Kraftwerk stand noch nicht viel. «Es fehlte der Boden, die Möbel und es hatte keine Steckdosen», führt er aus. Er und das Team seien daher wieder abgereist und zurückgekehrt, nachdem die Infrastruktur teilweise stand. Das riesige Kraftwerk wurde direkt am Roten Meer gebaut. Mit Öl wird hier Strom erzeugt. Tankschiffe bringen den Nachschub. Auch in diesem Kraftwerk installierte Lichtsteiner das Leitsystem. «Einmal sind wir nach der Mittagspause zurückgekehrt. Auf den Computern, Stühlen und den Tischen war überall ein Farbfilm», sagt er. Arbeiter hatten die Türen mit brauner Farbe besprüht. Die Infrastruktur aber nicht abgedeckt. «Man sah sogar den Abdruck des Kugelschreibers auf dem Tisch», sagt er.
Palm Tree Island elektrifiziert
Als Projektleiter war er für die Elektrifizierung des «Palm Trees» in Dubai zuständig. «Ich war da wegen des Visums jeweils für ein Wochenende oder tageweise vor Ort. Ferien habe er damals nie im Ausland gemacht. «Da ich immer in Hotels wohnte, war ich in den Ferien lieber zu Hause in meiner Altstadtwohnung in Mellingen», sagt er. Das Leben aus den Koffern wirkt bei ihm bis heute nach. «Ich meide Hotels bis heute», sagt er. Lieber mache er Ferien in Wohnungen, da sie ihm mehr das Gefühl von Heimat geben.
Grösste Bogenstaumauer Europas
Daher war er froh, dass er später nur noch die Kantonsgrenze wechseln musste. Im Wallis, in Mauvoisin, installierte er ebenfalls im Steuerungsraum des Staudammes ein Leitsystem. Mit 250 Metern ist es bis heute die höchste Bogenstaumauer Europas. Ihn beeindruckte damals, dass mit einer simplen Schnur und einer Markierung am Boden, die Ausdehnung des Betondamms bei der Befüllung mit Wasser gemessen wurde.
Technik lässt ihn bis heute nicht los
Seit 2019 arbeitet Lichtsteiner als selbstständiger Garagist. In seiner Werkstatt «Lichtsteiner Cars GmbH» repariert er nebst Oldtimern auch neue Modelle. Was ihn fasziniert ist die Technik. E-Motoren sind seit der drohenden Energiekrise im letzten Winter bei Autos gefragt. Auch Oldtimer werden inzwischen umgerüstet. Doch Lichtsteiner verfolgt einen anderen Ansatz. Sein Ziel: ausgediente E-Autos wiederzuverwenden. «E-Motoren werden bei Unfallautos meist mitverschrottet. Für die Herstellung wird viel Energie benötigt.
Um richtig umweltschonend betrieben zu werden, müssen daher die Motoren möglichst lange in Betrieb sein. Lichtsteiner ist daran, nicht mehr gebrauchten E-Motoren ein zweites Leben einzuhauchen.
Er programmiert einen Tesla-Motor, der 440 PS hat, so um, dass er später seinen Pick-Up VW T3 von 1984 antreibt. Das ist nicht einfach, da jeder Motor nur für die eigene Marke programmiert ist. Dazu hat er den Tesla-Motor in seiner Garage aufgestellt und die Steuerung mit Gaspedal, Tempomat, Bremse Schaltung und Zündung nachgebaut. «Für mich ist es wichtig, dass bei dem Umweltaspekt auch die Produktions- und Verwertungsenergie angeschaut wird. Um diese Bilanz zu optimieren, macht es Sinn, gebrauchte E-Motoren weiterzuverwenden. Mein Ziel ist es, diese in Zukunft viel günstiger als neue Motoren anzubieten.» Und damit würde sich auch bei herkömmlichen Autos und Oldtimern der Umstieg lohnen. Was heute noch herausfordernd ist, ist der Einbau der Batterie für die Speicherung der Energie. «Ich passe diese nach Kundenwunsch an. Wird das Fahrzeug nur für Fahrten in der näheren Umgebung gebraucht, reicht auch eine kleinere Ausführung.
Debora Gattlen
Arbeiten, wo andere Ferien machen
England, Frankreich, Schweden oder Spanien – das sind Orte, wo viele Menschen wenige Wochen im Jahr ihr Fernweh stillen. Es gibt aber auch Menschen, die solche Sehnsuchtsorte länger erleben wollen, monate- und jahrelang. Sie verbinden die Arbeit mit ihrer Neugier nach fernen Länder. Der «Reussbote» hat solche Menschen getroffen und sie von ihren Erlebnissen erzählen lassen. – Wer selbst erzählen will, kann sich melden: redaktion@reussbote.ch. (red.)