Sein Stockfisch holte in Stockholm eine Medaille
22.08.2023 Mellingen, Region ReusstalHeute kocht René Hauri im Alterszentrum «Im Grüt», vor 40 Jahren bereitete er Fischmenüs in einem Grandhotel in Stockholm zu
René Hauri kochte in jungen Jahren im Grand Hotel in Stockholm. Er lernte viel über Organisation, kochte für riesige Banketts ...
Heute kocht René Hauri im Alterszentrum «Im Grüt», vor 40 Jahren bereitete er Fischmenüs in einem Grandhotel in Stockholm zu
René Hauri kochte in jungen Jahren im Grand Hotel in Stockholm. Er lernte viel über Organisation, kochte für riesige Banketts und wurde sogar für seinen Weihnachtsfisch ausgezeichnet. In der Freizeit verkaufte er mit Kollegen auf Fähren auch mal Alkohol.
Sie wissen schon das ist sehr lange her», sagt René Hauri, seit 16 Jahren Küchenchef im Alterszentrum «Im Grüt». «In Schweden, im Grand Hotel Stockholm, kochte ich vor 40 Jahren.» – 23 Jahre alt war Hauri, als er in einer Fachzeitschrift das Inserat entdeckte «Chef poissonnier gesucht im Grand Hotel». Er hatte nach der Lehre genug Berufserfahrung gesammelt, privat passte es und die Stelle im Ausland reizte ihn. Das Fünf-Sterne-Hotel in Stockholm zählte zu den besten Hotels weltweit – noch heute ist das Hotel gegenüber vom königlichen Palast eine Top-Adresse. Hauri bewarb sich und erhielt die Zusage. Anfang der 1980er-Jahre packte er seinen Koffer, stieg in den Zug und reiste in die schwedische Hauptstadt. Bei seiner Ankunft sei vor dem Hotel ebenfalls einer mit Koffer gestanden, erzählt er. «Ein Berufskollege aus Solothurn, der im Auto angereist war.» Sie kannten sich, aber sie wussten nicht, dass sie hier einige Monate lang in der gleichen Küche arbeiten würden. «Zufall», sagt René Hauri. Sie seien dann auch gleich gemeinsam bei einer Gastfamilie einquartiert worden.
In der Hotelküche mit 75 Köchen
Rückblickend sagt Hauri, das sei schon eine «sehr coole Zeit» gewesen: Die Erlebnisse mit den Kollegen in der Freizeit. Aber auch die Arbeit in der Küche mit 75 Köchen im Schichtbetrieb, zuständig für mehrere Hotelrestaurants und für Banketts in riesigen Sälen mit bis zu 3000 Gästen. «In dieser Zeit habe ich gelernt, was gute Organisation ist», sagt René Hauri.
Als «Chef poissonnier» leitete er die Fischküche und hatte sechs Angestellte unter sich. Das bedeutete schon mal 200 Lachsseiten pochieren. Es sei für ihn neu gewesen mit solchen Mengen zu arbeiten. «Am Anfang verlief das hektisch. Aber ich lernte zu delegieren.» An Weihnachten war er schliesslich für das traditionelle Menü «Lutfisk» (Stockfisch) verantwortlich. Gesalzen, getrocknet, in Lauge eingelegt und mit Wacholder serviert, wurde sein Weihnachtsfisch gar mit einer Medaille als bester «Lutfisk» ausgezeichnet. Hauri lacht und erzählt weitere Anekdoten. Von der kalten Küche zum Beispiel, wo nur Frauen arbeiteten. Sie bereiteten dort Canapés, die sogenannten «Smörrebröd», zu. «Dort wären wir jungen Köche wahnsinnig gern rein», sagt Hauri. «Aber unser Chef wusste den Zugang in diese Küche zu verhindern.»
In ihrer Freizeit waren er und seine Kollegen unterwegs. Sie nahmen die Viking-Fähre und fuhren nach Helsinki, Turku oder Gotland. Oft hatten sie zuvor einige Flaschen Alkohol gekauft, die sie in Schliesskästen auf dem Schiff lagerten und – geschäftstüchtig, wie sie waren – auf dem Meer an die übrigen Passagiere verkauften. Eine Praxis, die sich lohnte, weil in Schweden nur sehr eingeschränkt Alkohol getrunken werden durfte.
Heiligabend mit Clochards in Turku
In besonderer Erinnerung bleibt René Hauri auch Heiligabend in Turku. Seine Kollegen und er wollten ihn gemeinsam verbringen. Sie nahmen eine Fähre und gingen davon aus, dass sie in der finnischen Stadt Turku am 24. Dezember für zwei Stunden an Land gehen könnten. «Aber die Rückfahrt war erst für den nächsten Tag vorgesehen», erzählt Hauri. Nur gerade in der Lederjacke hätten sie im Freien bei minus 20 Grad viel mehr Stunden als geplant ausharren müssen. Sie feierten dennoch ein sehr fröhliches Weihnachtsfest mit Clochards unter einer Brücke in Turku.
Nach knapp zehn Monaten war für René Hauri und seinen Solothurner Kollegen das Abenteuer Schweden mit viel Schnee, Eis und langen, dunklen Nächten vorbei. Sie nahmen sich Zeit für die Rückfahrt, bereisten das Land, fuhren über Hamburg und passierten schliesslich die Grenze zu Holland. Rechtfertigen mussten sie sich dort am Zoll wegen ihrer zwei grossen Messerkoffer. «Unser Werkzeug, unser Berufsstolz, machte uns verdächtig», sagt Hauri. Die Sitze wurden ausgebaut, das Auto mit Hunden nach Drogen durchsucht. Gefunden haben die Zöllner nichts. Und die jungen Köche mussten ihre Autositze danach selber wieder einbauen. Im Sommer waren sie zurück in der Schweiz.
Heidi Hess
Arbeiten, wo andere Ferien machen
England, Frankreich, Schweden oder Spanien – das sind Orte, wo viele Menschen wenige Wochen im Jahr ihr Fernweh stillen. Andere möchten solche Sehnsuchtsorte länger erleben. Sie verbinden die Arbeit mit ihrer Neugier und dem Fernweh. Der «Reussbote» hat solche Menschen getroffen und lässt sie von ihren Erfahrungen erzählen. – Wer selbst erzählen möchte, meldet sich bitte unter: redaktion@ reussbote.ch. (red.)




