Vier Weltkriegsbunker und ein Todesfall
11.08.2023 Region RohrdorferbergEine Artilleriestellung aus dem Zweiten Weltkrieg zeugt vom Verteidigungswillen der Schweiz – und einem tragischen Unglücksfall
Die vier Bunker an der Buacherstrasse, die im Zuge einer Überbauung zurückgebaut werden sollen, waren einst Teil der ...
Eine Artilleriestellung aus dem Zweiten Weltkrieg zeugt vom Verteidigungswillen der Schweiz – und einem tragischen Unglücksfall
Die vier Bunker an der Buacherstrasse, die im Zuge einer Überbauung zurückgebaut werden sollen, waren einst Teil der «Limmatstellung». 1940 wurde hier ein Schweizer Offizier irrtümlich erschossen.
n der Buacherstrasse liegt heute ein beschauliches Wohngebiet. Talabwärts hat man einen herrlichen Blick auf Vogelrüti und ins Reusstal: «Das war bis in die 1960er-Jahre ein Landwirtschaftsgebiet», erzählt Richard Irniger von der Museumskommission vor Ort. Diese Geschichte geht aber noch weiter zurück, genauer ins Jahr 1939, in dem der Zweiten Weltkrieg begann. Eine Zeit, in der auch in der Schweiz Ausnahmezustand herrschte: Am 30. August wurde Henri Guisan zum Kommandant der Schweizer Armee gewählt, nach dem deutschen Angriff auf Polen erfolgte die Kriegsmobilmachung: «Die dienstfähigen Rohrdorfer mussten einrücken», erzählt Irniger. Dienstunfähige und ältere Männer sowie Frauen seien in der Landwirtschaft eingesetzt worden. Darüber hinaus wurden lebenswichtige Güter rationiert und kontingentiert. Zu jener Zeit wurde auch die Artilleriestellung «im Buacher» gebaut. Sie war Teil der sogenannten «Limmatstellung», die das Schweizerische Mittelland im Ernstfall vor dem gegnerischen Einfall aus dem Norden schützen sollte. Noch heute verbergen sich hinter der gemauerten Fassade an der ehemaligen Verbindungsstrasse zwischen Oberrohrdorf und Niederrohrdorf vier nebeneinander liegende Bunker mit massiven Betonwänden. Laut Irniger erfüllten diese verschiedene Funktionen. Sie waren teils als Beobachtungsposten, teils zur Lagerung von Munition und teils als Geschützstellung ausgebaut. «Wir hätten über den Heitersberg ins Limmattal geschossen, nicht talwärts», erklärt Irniger, der kürzlich mit der Museumskommission eine Besichtigung der heute im Privatbesitz befindlichen und sonst nicht zugänglichen Bunker durchführte. Auf den Fotos zeigt er die Treppe samt integrierter Rampe, die ein Stockwerk tief in den Boden führt. Auf einem Podest, das noch heute existiert, sei damals das Artilleriegeschütz gestanden, so Irniger. Jeder Bunker verfügte neben einer Eingangstür an der Strasse auch über einen Notausstieg mit Leiter zur Talseite, der gleichzeitig zum Druckausgleich gedient hätte, wären die Geschütze damals tatsächlich abgefeuert worden. Gebaut hat die Bunker laut Aufzeichnungen die «Feldbatterie 69». Zeitweise waren auch Soldaten der «Gebirgsfüsilier-Kompanie 48» aus Zug in der Gemeinde einquartiert. Offiziere wurden privat untergebracht. Wir hatten selbst zwei Offiziere einquartiert», erinnert sich Richard Irniger. Da kam man sich offensichtlich gelegentlich auch näher: «Es entstanden Dauerbeziehungen. Rohrdorfer Töchter heirateten Soldaten aus der Innerschweiz», weiss Richard Irniger.
Ein tragischer Irrtum
An einen traurigen Vorfall aus jener Zeit erinnert heute noch eine Gedenktafel an der Bunkerfassade. Leutnant Hansjörg Keller wurde von der Wachmannschaft der Bunker, die strenge Befehle hatte, bei einem nächtlichen Kontrollgang irrtümlich erschossen: «Der Offizier war in Mellingen stationiert und wollte die Wache überprüfen. Sie hat richtig reagiert. Er ist einfach in die Stellung gelaufen und wurde erschossen», so Irniger. Es blieb zum Glück der einzige Todesfall an dieser Stelle – der Ernstfall trat, wie man weiss, ebenfalls nie ein. Die Geschütze sind längst verschwunden, dennoch wurden die Bunker nicht gleich nach dem Krieg aufgegeben: «Bis 1986 waren sie im Besitz des Bundes und wurden unterhalten und gereinigt. Anschliessend konnten die Bunker von Anstössern erworben werden», so Irniger. Im Anschluss wurden die unterirdischen Räumlichkeiten überwiegend als Lagerraum genutzt, weshalb bei der kürzlich von der Museumskommission organisierten Führung nur einer der Bunker besichtigt werden konnte. Auch sie werden vermutlich bald Geschichte sein. Denn an Ort und Stelle ist eine Überbauung an sonniger Lage samt Tiefgarage geplant.
Michael Lux



