Birrfeldstrasse: Grüne Ideen geben den Ton an
19.09.2023 Mellingen, Region ReusstalDer Gemeinderat hat die «Potenzialstudie Zentrumszone Birrfeldstrasse» genehmigt und gibt die Richtung für die Entwicklung vor
In der Zentrumszone geht es um Nachhaltigkeit. Planerinnen, Behörden und Experten setzen auf Wiese, Hecken und Bäume, auf Velo- und ...
Der Gemeinderat hat die «Potenzialstudie Zentrumszone Birrfeldstrasse» genehmigt und gibt die Richtung für die Entwicklung vor
In der Zentrumszone geht es um Nachhaltigkeit. Planerinnen, Behörden und Experten setzen auf Wiese, Hecken und Bäume, auf Velo- und Fusswege, Dachbegrünung und auf erneuerbare Energien.
Nicht nur die Altstadt soll aufgewertet werden, attraktiver werden muss auch die Nachbarschaft.» – Solche Sätze waren bereits am ersten Plaza-Workshop im Oktober 2020 zu hören.
Zu dieser Nachbarschaft gehört auch die Birrfeldstrasse. Dort beansprucht das Gewerbe vor den Toren der Altstadt viel Fläche, beispielsweise das Reusstal-Center mit Coop und einer grossen Anzahl oberirdischer Parkplätze. Dort arbeiten die Mitarbeiter der Lastech AG in einer grossen Werkhalle; auch die Firma Läuchli, Häfeli oder die Siport AG haben dort ihre Gewerbebetriebe.
«Schlüsselareal» für die Entwicklung
Das gesamte Gebiet ist 3,4 Hektare gross. 2,6 Hektare sind heute im Besitz des Immobilienentwicklers Tierstein AG. Laut Potenzialstudie möchte die Tierstein AG «das Areal zu einem lebenswerten Bestandteil des Zentrums von Mellingen weiterentwickeln». Weitere Eigentümer sind Peter Binggeli oder Hans Läuchli. Zum Areal gehört auch eine Wiese, die 2018 als Bauzone eingezont wurde. – Behörden, Planer und Fachleute sprechen bei diesem Gebiet von einer «zentralen Innenentwicklungsreserve im Herzen von Mellingen» oder auch von einem «Schlüsselareal» für die zukünftige räumliche Entwicklung der Gemeinde. Hier soll in Etappen auf verschiedenen Baufeldern Neues entstehen. In Etappen, weil langfristige Verträge mit Mieterinnen und Mietern zurzeit den Handlungsspielraum der grössten Grundeigentümerin, der Tierstein AG, einschränken.
Eine Potenzialstudie, die der Mellinger Gemeinderat in Auftrag gegeben hat, zeigt nun auf, wie sich das Gebiet entwickeln könnte. Erarbeitet wurde die Studie von Vertretungen aus der Gemeinde und von Grundeigentümern gemeinsam mit Fachexperten. Sie haben in mehreren Workshops Eckpunkte definiert: Wie dicht soll gebaut werden? Wie sieht der Nutzungsmix aus? Was passiert mit dem Verkehr? Wie werden Freiräume gestaltet?
Alters-WG über dem Ärztezentrum
Ähnlich wie im vorderen Teil der Birrfeldstrasse – rund um das Postgebäude – soll die Nutzung im hinteren Teil vielseitig sein: Läden und Restaurants im Erdgeschoss, alles ausschliesslich kundenorientiert. Und warum nicht auch ein Ärztezentrum an der Birrfeldstrasse? Das jedenfalls könnte sich die Begleitgruppe vorstellen. Ein Grossverteiler soll hier Verkaufsfläche erhalten. Weil aber die «Aufwertung, Stärkung und Belebung» nicht nur des Zentrums sondern auch der Altstadt erreicht werden soll, «sind die Verkaufsflächen nicht an einen Ort zu konzentrieren sondern entlang der Birrfeldstrasse von der neuen Post bis zum Siedlungsrand anzuordnen». Über den Läden und über den Restaurants wird gewohnt. Denn: «Am meisten Fläche soll für das Wohnen zur Verfügung stehen.»
Die Häuser, die mal zurückversetzt sind, mal näher an die Strasse gebaut werden, weisen unterschiedliche Höhen auf. Von einem «Bebauungsmuster mit einer spannungsvollen Vielfalt» ist die Rede. Keine Langeweile, keine Monotonie – stattdessen Abwechslung im Blickfeld.
Beim Wohnen wird mit Zukunftsvisionen gespielt: «Es sollen auch neue, in Mellingen noch fehlende Wohnformen, angeboten werden.» Zum Beispiel Alters-Wohngemeinschaften, Grosswohnungen oder Mehrgenerationen-Wohnen. In rund 240 Wohnungen könnten in mehreren Etappen und über 550 Menschen einziehen.
«Autoarmes Wohnen» im Zentrum
Mitten in Mellingen wird «autoarmes Wohnen» angestrebt, der motorisierte Verkehr soll begrenzt werden. Gefördert wird hingegen der Langsamverkehr, Wege für Velofahrerinnnen und Fussgänger. Zwischen Birrfeldstrasse und Wohlenschwilerweg sollen mehrere Velo- und Fusswege entstehen. Ein Velowegnetz soll zudem das gesamte Areal durchziehen.
Dennoch braucht es Parkfelder. Für Parkplätze nennt die Studie allerdings klare Vorgaben: Sämtliche Parkfelder für Bewohnerinnen, Beschäftigte und Kunden sind in unterirdischen Einstellhallen oder in oberirdischen mehrgeschossigen Parkhäusern anzuordnen. Die Parkfelder für Besucherinnen und Besucher sind ebenfalls unterirdisch oder in Parkhäusern anzuordnen. Vereinzelte Kurzzeitparkfelder für Personenwagen sind bei einer Parkdauer von rund 15 Minuten denkbar. Sie sind so anzuordnen, dass kaum zusätzliche Erschliessungsfläche benötigt wird.
Eine weitere Frage drängt sich auf: Was geschieht mit den 75 öffentlichen Parkfeldern auf dem Lindenplatz? Einige dieser Parkplätze sollen verschwinden. Der Lindenparkplatz soll nämlich zum Lindenpark werden – statt versiegeln wird hier entsiegelt. Laut Studie sollen aber innerhalb der Zentrumszone öffentlich zugängliche Parkfelder angeboten werden, die während 24 Stunden und an 7 Tagen die Woche zugänglich sind. Diese Parkplätze sollen wenig Platz beanspruchen und sie sollen sich möglichst in der Nähe der Altstadt befinden.
Unter der Wiese wird nicht gebaut
Sowohl an der Birrfeldstrasse als auch entlang des Wohlenschwilerwegs sollen Wohnhäuser gebaut werden. Höhere entlang der Strasse mit Plätzen vor den Gebäuden, entlang des Weges kleinere Häuser.
Dazwischen aber gibt es freie Fläche und viel Grün. Laut Studie darf dieser «Grünraum nicht unterbaut werden». Folgerichtig dürfte keine Tiefgarage unter die grüne Mitte zwischen den Häusern gebaut werden. Denn die Potenzialstudie empfiehlt auch Massnahmen für eine klimaangepasste Entwicklung. So heisst es unter anderem: «Versiegelte Flächen werden auf ein Minimum beschränkt.»
Wiese, Kies oder Sand, viele Bäume und Hecken bilden inmitten der Wohnhäuser eine grüne Oase, die eine Fläche von rund 3000 Quadratmetern umfasst. Hier begegnen sich Bewohner und Besucherinnen auf Spielplätzen, an Picknicktischen – vielleicht auch beim Training an Outdoor-Fitnessgeräten oder im Gemüsegarten.
Grüne Dächer und Regenwasser
Aus Gründen der Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz soll die Wärmeerzeugung für Heiz- und Brauchwarmwasser zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie stammen. Neubauten sollen mit Photovoltaik-Anlagen auf begrünten Dächern und nach Möglichkeit auch an begrünten Fassaden ausgestattet werden. Laut Studie kann der «kühlende Effekt der Begrünung den Solarertrag erhöhen».
In der zeitgemäss geplanten Siedlung darf auch das Wassermanagement nicht fehlen. Das Regenwasser versickert vor Ort, auf unversiegelten Flächen. Wasser soll an der Birrfeldstrasse zudem Erlebnis sein: Offene Wasserflächen sollen Abkühlung bringen. Und schliesslich soll Regen- und Grauwasser wiederverwendet werden: Zum Beispiel beim Spülen der Toilette oder mittels Rückhaltebecken zum Bewässern während langer Trockenperioden.
Heidi Hess
Der detaillierte «Schlussbericht Potenzialstudie Zentrumszone Birrfeldstrasse» ist unter der Rubrik «News» auf der Webseite der Gemeinde Mellingen zu finden.