Europameister mit neuem Schweizer Rekord
26.09.2023 Mellingen, Region ReusstalPescara: Roger Strasser sicherte sich mit deutlichem Vorsprung die Goldmedaille im Kugelstossen bei der Senioren-EM in Pescara (IT)
Über 30 Jahre ist Roger Strasser als Leichtathletik-Sportler aktiv. Jetzt, mit 50 Jahren, feierte er seinen grössten Triumph. Am Donnerstag holte er ...
Pescara: Roger Strasser sicherte sich mit deutlichem Vorsprung die Goldmedaille im Kugelstossen bei der Senioren-EM in Pescara (IT)
Über 30 Jahre ist Roger Strasser als Leichtathletik-Sportler aktiv. Jetzt, mit 50 Jahren, feierte er seinen grössten Triumph. Am Donnerstag holte er sich bei der Senioren-EM in Pescara den Europameister-Titel.
Ich bin mega happy», freut sich Strasser am Donnerstagnachmittag am Telefon. Da ist der Erfolg noch ganz frisch und der Sportler, der mit seiner Familie seit 2005 in Mellingen wohnt, gerade auf dem Weg zur Siegerehrung im italienischen Pescara. Obwohl der zehnfache Schweizermeister aufgrund seiner früheren Leistungen durchaus auf eine Medaille hoffen durfte, zeigt er sich doch überrascht vom klaren Ergebnis: «Ich habe meine Erwartungen mit Abstand übertroffen», sagt er. Denn mit einer Weltklasse-Weite von 16,58 Metern habe er beim Wettkampf sogar 1,50 Meter weiter gestossen, als der amtierende Weltmeister und rund einen Meter weiter als der Zweitplatzierte in seiner Kategorie M50. Gleichzeitig stellte er seinen eigenen Schweizer Rekord bei den 50- bis 54-Jährigen ein.
Erst seit Kurzem offiziell «Senior»
«Ich gehöre zu den Jüngsten in der Kategorie», sagt Strasser – ein kleiner Vorteil, wie er zugibt. Ebenfalls geholfen haben könnte dem Wahl-Mellinger, der erst vor einem halben Jahr seinen 50. Geburtstag feierte, dass er bis vor Kurzem nicht bei den Senioren, sondern bei den Wettkämpfen der Aktiven antrat. Dabei hätte er schon ab 35 Jahren in einer der Senioren-Kategorien auflaufen können. So aber trainierte er weiterhin mit der regulären 7,26 Kilogramm schweren Kugel und stieg erst unlängst auf die leichtere 6-Kilo-Kugel für die Senioren um: «Das war auf jeden Fall ein Vorteil», so Strasser. Auch rein äusserlich hat der durchtrainierte 1,93 Meter grosse und 102 Kilo schwere Hüne so gar nichts von einem Senioren. Seine Statur war es unter anderem auch, die ihn vor über 30 Jahren zum Kugelstossen brachte: «Mein Trainer hat gesagt, ich bin gross, schnell und stark, aber zu schwer, um Weitsprung zu machen und zu langsam zum Sprinten», erinnert sich Strasser lachend.
Seit fast 40 Jahren der gleiche Coach
Rolf Stadler (68) heisst sein Trainer – damals wie heute. Denn Strasser ist seinem Coach beim TV Wohlen über Jahrzehnte immer treu geblieben: «Es ist wichtig, dass man immer dieselbe Kontaktperson hat, die weiss, wie sie einen beruhigt, wenn man nervös ist», findet Strasser, der schon früh erkannte, dass das Kugelstossen «seine» Disziplin ist: «Der Knoten ist geplatzt, als ich 16 oder 17 war. Den ersten Erfolg hatte ich, als ich als Junior Platz 5 bei den Schweizer Meisterschaften belegte», erinnert er sich. «Seither habe ich einfach immer weiter gemacht», fügt er schmunzelnd hinzu. Zehn Schweizermeister-Titel und zahlreiche regionale Titel holte sich Strasser seither. Doch jetzt, als Senior, legt er noch eine Schippe drauf. Dreimal die Woche trainiert der Abteilungsleiter in einem Elektronikunternehmen. Doch erst als er mit 15,89 Metern bei den «SM Masters» den Schweizer Rekord in seiner Kategorie knackte, begann er sich Hoffnungen auf einen Medaillentitel bei den Europameisterschaften zu machen, beziehungsweise eine Teilnahme überhaupt zu erwägen: «Es ist meine erste EM-Teilnahme. Ich hatte das gar nicht auf dem Schirm», sagt Strasser und klingt selbst nach seinem Sieg noch ein bisschen überrascht. Dabei habe er seine Kontrahenten in Pescara schon mit seinem ersten Stoss geschockt, erzählt der Sportler, während er mit seiner Frau Petra im Auto zur Siegerehrung unterwegs ist: «Ich bin froh, dass ich den Moment mit meiner Frau teilen kann», freut er sich. Die gemeinsame 20-jährige Tochter, die aktuell in der Ausbildung ist, musste leider arbeiten und konnte den Sieg ihres Vaters daher nicht live mitverfolgen. Dafür gratulierten die Kolleginnen und Kollegen von der über 40-köpfigen Schweizer Delegation: «Wir haben den Betreuer der Schweizer Senioren, Pino Pilotto dabei. Er war da und hat uns Glück gewünscht», berichtet Strasser. Begeistert ist er von der guten und kameradschaftlichen Stimmung unter den Senioren-Sportlerinnen und -sportlern: «Es ist eine Freude zu sehen, wie enthusiastisch, motiviert und gut gelaunt hier alle sind», sagt er. Ein ordentlicher Schuss Enthusiasmus gehört ohnehin dazu, wenn man als Amateur in der Senioren-Kategorie antritt. So reisten die Schweizer Sportlerinnen und Sportler nicht etwa im schicken Mannschaftsbus an, sondern jeder für sich und auf eigene Kosten: «Manche sind mit dem Zug gekommen, manche mit dem Mietwagen», erzählt Strasser. Aber das tut der Stimmung und der Freude über den Titel natürlich keinen Abbruch. Und ans Aufhören denkt Roger Strasser selbstredend ebenfalls noch lange nicht. Schliesslich startet er gerade erst richtig durch.
Michael Lux